Essen-Altenessen. Hebamme und Kinderkrankenpflegerin arbeiten in Altenessen zusammen. Damit soll eine Versorgungslücke geschlossen werden. So funktioniert das.

Wenn es um Zuneigung, Liebe und Vertrauen geht, seien laut Forschung die ersten 1000 Lebenstage eines Kindes entscheidend, sagt Ulrich Spie, Vorstandsvorsitzender des Essener Kinderschutzbundes. Damit diese Zeit gelingt, fängt ein Team aus Hebamme und Kinderkrankenpflegerin in Altenessen schon weit vor der Geburt an, werdende Eltern zu unterstützen. Möglich macht dieses Modellprojekt eine Förderung der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung.

„Mit unserer Gesundheitsprävention verfolgen wir den Ansatz, eine lückenlose Präventionskette an Angeboten zu schaffen, mit der Säuglinge, Kinder und Jugendliche insbesondere bei den Übergängen von Lebensabschnitten begleitet und gestärkt werden“, sagt Spie. Es entstehe oft eine Versorgungslücke zwischen Geburt und Kindergarten-Beginn. Das soll verhindert werden, indem die Familien vor und nach der Geburt so lange unterstützt werden, bis die Kinder in einer Institution angekommen sind, in der noch andere Menschen darauf achten, dass sie sicher aufwachsen.

Hebammenpraxis „Schützende Hände“ in Altenessen

Ulrich Spie, Vorsitzender des Essener Kinderschutzbundes: „Kinder brauchen gerade in den ersten Tagen eine liebevolle, schützende Begleitung.“
Ulrich Spie, Vorsitzender des Essener Kinderschutzbundes: „Kinder brauchen gerade in den ersten Tagen eine liebevolle, schützende Begleitung.“ © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

In der Praxis „Schützende Hände“ an der Altenessener Straße arbeiten eine Hebamme und eine Kinderkrankenschwester seit einem Jahr im Team, um Familien bei den unterschiedlichsten Fragestellungen zu helfen. Im Fokus stehen Kinder, die in ein schwieriges familiäres Umfeld hinein geboren werden, weil die Eltern beispielsweise minderjährig, Elternteile erkrankt sind oder Gesundheitsangebote wie U-Untersuchungen nicht wahrgenommen werden.

Im multikulturellen Essener Norden kommen viele Frauen nicht direkt zu dem Duo, sondern Netzwerkpartner wie Jugendamt, Gesundheitskiosk, Gynäkologen und Kinderärzte melden sich in der Praxis und vermitteln. Sprachbarrieren, Schwellenängste im Umgang mit Behörden, kulturelle Besonderheiten und ein fehlendes Netzwerk vor Ort stellen für diese Frauen häufige Herausforderungen dar. Zugleich gibt es Situationen, die Familien vor große Probleme stellen und die unabhängig von der Herkunft sind, wie psychische Erkrankungen, Armut und Analphabetismus.

Altenessener Hebammenpraxis begleitete im ersten Jahr 120 Familien

Die Stelle von Kinderkrankenpflegerin Alina Schrör wird für drei Jahre lang durch die Stiftung finanziert. Sie hat im vergangenen Jahr mit Hebamme Ivonne Rauer 120 Familien begleitet und die Erfahrung gemacht, dass viele nach und nach Vertrauen fassen. Sei das gelungen, werde auch gerne Hilfe angenommen – beispielsweise könne man die Eltern dabei begleiten, die Baby-Erstausstattung im Kleiderladen auszusuchen, Therapeuten zum Gespräch bitten oder anbieten, dass Ehrenamtler die Familie unterstützen.

Die Leistungen der Praxis an der Altenessener Straße 392, unweit des Allee-Centers, umfassen die klassische Hebammenversorgung wie Schwangerenvorsorge, Wochenbettbegleitung, Beikostberatung, Hilfestellungen im Alltag mit dem Baby, die gesundheitliche Aufklärung ebenso wie Beratung zu Zahngesundheit und Ernährung. Dabei hat Hebamme Ivonne Rauer dank des Modellprojekts mehr Zeit für die Familien als andere Hebammen.

Hebammenpraxis unterstützt auch bei Behördengängen

In den Praxisräumen können Säuglinge untersucht werden, Handgriffe wie Wickeln oder Stillen gezeigt und Spiel- und Bewegungsgruppen veranstaltet werden. „Wir haben tagtäglich mit den unterschiedlichsten Problemstellungen zu tun: Das fängt bei grundlegenden Anliegen an, wie etwa der Einrichtung von Säugling gerechten Schlafsituationen. Für solche Fälle habe ich immer Schlafsäcke griffbereit, um sofort Abhilfe schaffen zu können“, sagt Rauer, die mit ihrem von der Stiftung finanzierten Hebammenmobil auch oft zu den Familien nach Hause kommt.

Ob in Form von Unterstützung bei Behördengängen, Anträgen für Elterngeld oder der Suche nach Kita-Plätzen, einer medizinischen Erstversorgung der Neugeborenen sowie der Weiterleitung bei gravierenden medizinischen Anliegen – die Hebammenpraxis verfügt über ein Netzwerk an Partnerinstitutionen. Zudem arbeitet die Praxis mit Kinderärzten zusammen und gehört einem Arbeitskreis mit Kinderärzten, Kitaleitungen, dem Jugendamt und Gesundheitsamt sowie dem Zentrum für Kindesentwicklung und der Interdisziplinären Frühförderstelle des Kinderschutzbundes an.

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„Kinder brauchen eine liebevolle und schützende Begleitung, gerade in den ersten Tagen“, sagt Spie, der hofft, dass sich dieses Modellprojekt in Zukunft nicht mehr durch die Förderung der Stiftung, sondern durch die Krankenkassen finanzieren lässt. Am Ende würden sie dadurch wahrscheinlich sogar Geld sparen. Laut Spie sind die ersten drei Lebensjahre, also die ersten 1000 Lebenstage nicht nur die wichtigsten, sondern auch Sicht der Krankenkasse auch die günstigsten. Was dort verpasst werde, müsse später unter Umständen durch aufwendige Therapien wieder aufgefangen werden.

Kontakt zur Hebammenpraxis: 0201 37647228, E-Mail: schuetzende.haende@dksb-essen.de

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