Essen-Altenessen. Der Kinderschutzbund setzt auf Prävention. In der Altenessener Praxis „Schützende Hände“ sind Hebamme und Kinderpflegerin ein Team. Das Konzept.

Der Kinderschutzbund Essen will erreichen, dass niemand durchs Raster fällt. Ziel ist die Betreuung von Müttern ab dem positiven Schwangerschaftstest und die Begleitung von Kindern ab Geburt bis zum Schulabschluss. Um das zu erreichen, wird in Altenessen mit der Hebammenpraxis „Schützende Hände“ jetzt ein neues Konzept umgesetzt. Hebamme Ivonne Rauer und Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin Alina Schrör arbeiten dort zusammen und sind besonders im Essener Norden gut vernetzt.

Hebammenpraxis-Team leistet im Essener Norden aufsuchende Arbeit

Ziel ist es, speziell Familien mit besonderen Unterstützungsbedarfen einen niederschwelligen Zugang zum Gesundheitssystem zu bieten. „Wir sind gut ausgelastet“, so Schrör, die im ersten Schritt immer versucht, herauszufinden, welches Päckchen die Frauen zu tragen haben. Viele haben eine Sprachbarriere, Vorerkrankungen, sind psychisch belastet oder haben schlicht und ergreifend Angst. Im multikulturellen Essen Norden kommen viele Frauen nicht direkt zu ihnen, sondern Netzwerkpartner wie Jugendamt, Gesundheitskiosk, Gynäkologen und Kinderärzte melden sich in der Praxis und vermitteln.

So hat beispielsweise in diesem Jahr ein Kinderarzt bei dem Duo angerufen. Eine 17-Jährige hatte sich dort mit Bauchschmerzen vorgestellt. Die Schmerzen entpuppten sich als Schwangerschaft, der Kinderarzt überwies die Jugendliche nicht nur an eine Gynäkologin, sondern bat Rauer und Schrör ebenfalls um Unterstützung. „Wir rufen die Betroffenen in der Regel an“, so die Kinderkrankenpflegerin. Sie weiß, dass jene aus schwierigen Verhältnissen oft nicht von selbst in die Praxis kommen.

Teenie-Schwangerschaft ein Fall für Essener Hebammen-Praxis

So hat das Team auch eine Mutter betreut, die kaum Deutsch spricht und zu Hause häusliche Gewalt erfährt. „Die geht kaum raus“, erklärt Schrör und betont, dass die aufsuchende Arbeit wichtig sei. Das Jugendamt hatte sich in diesem Fall gemeldet und darum gebeten, die Familie zu betreuen. Dabei gehe es einerseits um klassische Hebammenleistungen wie Geburtsvor- und Nachbereitung. Den Gesundheitszustand des Kindes zu beurteilen, es beispielsweise regelmäßig zu wiegen. „Das Kind ist gesund, fit und munter“, weiß Schrör. Es gehe aber auch darum, die Mutter zu begleiten, also bei Behördengängen zu unterstützen, Elterngeldanträge auszufüllen und ihr beispielsweise die Leistungen des Gesundheitskiosk näher zu bringen.

An diesem Punkt helfen auch die Sozialpädagoginnen vom Kinderschutz-Projekt „Gesunder Auftakt“, mit dem das Altenessener Team ebenfalls eng zusammenarbeitet. Vermittlung von Angeboten und Hilfen rund ums Kind ist deren Spezialität.

Kinderschutzbund hilft bei Finanzierung von Hebammen-Praxis im Essener Norden

Finanziert werden kann dieses Konzept durch die Hilfe des Kinderschutzbundes. „Wir haben für die Hebammenpraxis jemanden gesucht, der Lust auf die Familien hier im Stadtteil hat“, erklärt Geschäftsführer Thomas Grotenhöfer und ergänzt, dass Krankenkassen eigentlich nur die Arbeit am Menschen, nicht aber die Vernetzungsarbeit bezahlen. Das sorgt bei Hebammen oft für Stress, weil die Mütter nach Hilfsangeboten fragen beziehungsweise ersichtlich ist, dass sie Hilfe etwa bei Anträgen oder der Suche nach Kursangeboten brauchen.

Die Essener Hebammenpraxis „Schützende Hände“ liegt in einem Hinterhof an der Altenessener Straße.
Die Essener Hebammenpraxis „Schützende Hände“ liegt in einem Hinterhof an der Altenessener Straße. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Das Angebot: Der Kinderschutzbund übernimmt die Versicherungsleistungen für die Hebamme, stellt Auto, Ausstattung und Praxisräume zur Verfügung. Finanziert wird das durch sogenannte Präventionsgelder der Krankenkassen und Spenden, die dem Kinderschutzbund zur Verfügung stehen. So habe man die Möglichkeit, auch gesundheitliche und pädagogische Leistungen mit einzubeziehen und könne grundsätzlich mehr Zeit pro Familie aufbringen.

Vorsorgeuntersuchungen, Brei kochen, Fläschchen reinigen

„In anderen Kulturkreisen ist das Konzept Hebamme manchmal gar nicht bekannt“, weiß Schrör, die wiederum von dem Vertrauen profitiert, dass ihre Kollegin vorher aufgebaut hat. Manchmal besuchen beide die werdende Mutter, manchmal zunächst nur die Hebamme. Zwölf Wochen nach der Geburt übernimmt dann meist die Kinderkrankenpflegerin.

Dann gehe es unter anderem darum, den Hintergrund der Vorsorgeuntersuchungen zu erklären und über eine sichere Schlafumgebung zu informieren. „Es kann aber auch sein, dass wir gemeinsam die Fläschchen reinigen oder den ersten Brei kochen“, erklärt die Kinderkrankenpflegerin. Für einige der Aspekte sei zwar auch der zuständige Kinderarzt zuständig, dieser müsse aber zunächst – oft mithilfe des Teams der Hebammenpraxis – gefunden werden und freue sich dann über jede Entlastung.

So werden die Babys in der Praxis an der Altenessener Straße auch gewogen, das Frauen-Duo schaut auf den Bauchnabel und gegebenenfalls auf den wunden Po. Im kommenden Jahr sollen dort auch Spiel- und Bewegungsgruppen angeboten werden. „Wir begleiten die Kinder bis zum Alter von drei Jahren“, so Schrör. Zu der Begleitung gehöre im letzten Schritt auch die Anbindung an eine Betreuungseinrichtung, getreu dem Motto: Niemand soll durchs Raster fallen.

Hebammenpraxis „Schützenede Hände“, Altenessener Straße 392. 0201/37 64 72 28, E-Mail: schuetzende.haende@dksb-essen.de. http://Mehr_Inhalte_aus_Essen{esc#233146165}[infobox]