Essen. Die Stadt Essen sucht fieberhaft nach neuen Standorten für Flüchtlingsheime. Aktuell sind noch Plätze frei – doch das sei nur eine Momentaufnahme.
Die Erstaufnahme für Flüchtlinge in Fischlaken, die vom Land betrieben wird, muss binnen eines Monats erneut ihre Platzzahl erhöhen: Zum 9. Oktober hatte man dort 60 zusätzliche Plätze geschaffen, nun sollen bis zum 6. November noch einmal so viele eingerichtet werden. Das hat die Stadt Essen dem Land via Ordnungsverfügung auferlegt.
Wegen der „landesweit völlig ausgereizten Kapazitäten“ und einer damit drohenden Obdachlosigkeit von Hilfesuchenden, müsse man bis Jahresende mit der Überbelegung leben – eine Dauerlösung sei das jedoch nicht, heißt es in einer Mitteilung der Stadt. Die hatte die Einrichtung für das Land errichtet und 2016 mit 800 Plätzen eröffnet.
Stadt Essen hat ihre Aufnahmequote erfüllt
Die Stadt selbst hat ihre Aufnahmequote aktuell erfüllt. Auch sind von den 2426 Plätzen in städtischen Unterkünften 478 frei. In einer Vorlage, die am Mittwoch (25.10) im Rat behandelt wird, heißt es jedoch, dies sei nur „eine Momentaufnahme“: Wie 2015 müssten sich die Städte auf einen „verstärkenden Flüchtlingszustrom“ einstellen.
Für Essen könnte das heißen, dass man im kommenden Jahr 2100 Flüchtlinge unterbringen müsste, um die Aufnahmeverpflichtung zu erfüllen. In diesem Jahr beläuft sich die Zahl der zugewiesenen Schutzsuchenden auf gut 1800; die aus der Ukraine gekommenen Menschen sei darin nicht enthalten. Sie stellen mit fast 1000 das Gros der Bewohner in städtischen Heimen. Mit Abstand folgen Syrer (93), Afghanen (23) und Iraker (21). „Die Top-3-Länder haben sich innerhalb des vergangenen Jahres nicht verändert“, sagt Stadtsprecherin Silke Lenz. Abzuwarten bleibe, „wie sich der aktuelle Konflikt in Israel und dem Gazastreifen entwickelt“.
Hotels oder Krankenhäuser können nicht dauerhaft als Unterkünfte genutzt werden
Sorge bereiten der Stadt nicht nur die steigenden Flüchtlingszahlen, sondern auch, dass verschiedene Behelfseinrichtungen wie etwa das Dorint-Hotel in Rüttenscheid oder das St. Vincenz-Krankenhaus in Stoppenberg „innerhalb der nächsten zwei, drei Jahre sukzessive wegfallen“. Um nicht wie im Jahr 2015 auf Turnhallen, Zelte oder andere Notquartiere zurückgreifen zu müssen, wolle man die „bestehenden Kapazitäten zeitnah ausbauen“.
Notquartiere wie Zeltdörfer oder Turnhallen sollen vermieden werden
Über eigene ungenutzte Immobilien verfügt die Stadt freilich nicht mehr. Alle qualitativ geeigneten Standorte nutze man für Schul- und Kita-Ausbau. In der Ratssitzung am Mittwoch soll beschlossen werden, zwei weitere Objekte anzumieten: einmal ein ehemaliges Wohnheim für Studenten aus China an der Franziskanerstraße im Südostviertel mit um die 150 Plätzen. Zum anderen ein früheres Schwesternheim und Schulungshaus an der Königgrätzstraße/Ecke Huttropstraße in Huttrop, das etwa ebensoviele Plätze bieten soll. Während das Heim im Südostviertel kurzfristig genutzt werden könnte, müsste das zweite Haus umgebaut werden und könnte erst im zweiten Quartal 2024 belegt werden.
Oberbürgermeister fordert vom Bund eine Pauschale pro Geflüchtetem
Kummer bereiten Oberbürgermeister Thomas Kufen unterdessen die Kosten für die Aufnahme der Asylbewerber. „Besonders wichtig ist für die Städte in NRW, dass wir endlich ein atmendes System zur Finanzierung der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten bekommen“, fordert er. Benötigt werde dafür unter anderem „eine Pauschale pro Geflüchteten vom Bund“.
Der habe zwar 1,7 Milliarden Euro in Aussicht gestellt, doch das entspräche umgerechnet einer Summe von lediglich 5000 Euro pro Geflüchtetem und Jahr. Das reiche weder für Unterbringung und Versorgung noch gar für Integrationsleistungen. Hier müsse der Bund „eine deutliche Schippe drauflegen“ und den Betrag verdoppeln.