Essen. Ein Jahr nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges leben rund 7000 Ukrainer in Essen. Viele bekommen Bürgergeld, was das Jobcenter enorm fordert.
Der anhaltende Zustrom ukrainischer Flüchtlinge stellt die Stadt Essen nicht nur bei der Unterbringung vor wachsende Probleme. Auch das städtische Jobcenter gerät an Belastungsgrenzen. „Vor allem in der Leistungsgewährung ist der enorme Zustrom für uns eine große Herausforderung“, sagte Dietmar Gutschmidt, Leiter des Jobcenters.
Ukrainische Flüchtlinge haben seit Mitte 2022 Anspruch auf Hartz IV, das seit Jahresbeginn Bürgergeld heißt. Mit den verschärften Kriegshandlungen hat die Zahl der Flüchtlinge zuletzt wieder zugenommen. Allein seit Dezember bis jetzt seien rund 600 Ukrainerinnen und Ukrainer nach Essen gekommen.
Seit Ausbruch des Krieges vor einem Jahr kamen rund 7000 Ukrainer nach Essen. Nicht alle leben von staatlicher Hilfe. Aber mit über 4700 Menschen bezieht der Großteil Bürgergeld. Für das Jobcenter bedeutet das rund 2500 neue Bedarfsgemeinschaften, also Haushalte, die Hartz IV bzw. Bürgergeld beantragt haben.
Mehr Anträge aber auch mehr Aufwand fürs Jobcenter Essen
Die schiere Zahl ist dabei nur ein Problem. Die Antragsverfahren selbst sind für das Jobcenter aufwendiger, weil es sich in der Regel um Erstanträge handelt. Neben dem Bürgergeld und die Übernahme der Wohnungskosten stehen den Flüchtlingen dabei auch Geld für die Erstausstattung oder für Umzüge zu, die vergleichsweise häufig zu beobachten sind. Zusätzlich machen die Sprachbarrieren und fehlende Kenntnisse des deutschen Sozialsystems aufseiten der Ukrainer die Arbeit des Jobcenters nicht leichter.
Mehr Personal hat das Jobcenter indes nicht zur Verfügung. „Wir müssen daher Dinge priorisieren“, sagte Gutschmidt. Mit einer Entspannung der Situation rechnet der Leiter des Jobcenters so schnell nicht. „Wir müssen davon ausgehen, dass der Flüchtlingszustrom in diesem Jahr nicht nachlässt.“
Die Flüchtlingswelle aus der Ukraine hatte auch in der Essener Wirtschaft die Hoffnung geschürt, dass sie den wachsenden Fachkräftemangel lindern helfen könnte. Doch auch ein Jahr nach Ausbruch des Krieges haben in Essen erst vergleichsweise wenige Flüchtlinge aus der Ukraine eine Arbeit gefunden. Insgesamt 132 Ukrainer und Ukrainerinnen, die beim Jobcenter gemeldet waren, konnten im vergangenen Jahr in einen Job oder eine Ausbildung vermittelt werden. Gleichzeitig waren Ende 2022 über 1300 Ukrainer in Essen arbeitslos gemeldet.
Ukrainische Flüchtlinge bringen gute Qualifikationen mit
Dass die Zahl der Vermittlungen recht bescheiden ist, liegt jedoch nicht etwa an den Qualifikationen, die sie mitbringen. „Der Großteil der Geflüchteten sind Frauen. Sie haben meist gute Schul- oder Berufsabschlüsse“, unterstreicht Gutschmidt. „Wir sehen bei ihnen auch eine hohe Motivation, eine Arbeit aufzunehmen.“
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Woran es stattdessen hakt, sind zum einen fehlende Sprachkenntnisse. Zum anderen dauern die Anerkennungsverfahren für die beruflichen Abschlüsse gerne ein Jahr und länger. Was viel zu lang sei, wie Gutschmidt findet. Auch das Thema fehlende Kinderbetreuung sei ein Hemmschuh gerade für Ukrainerinnen, Arbeit anzunehmen oder einen Integrations- bzw. Sprachkurs zu beginnen. „Wir haben dann oftmals Wartezeiten, wenn kein Familienmitglied einspringen kann“, so Gutschmidt.
Sprachkurse dauern mehrere Monate
Ende Dezember absolvierten knapp 900 Ukrainerinnen und Ukrainer Integrations- oder Sprachkurse. In der Arbeitslosenstatistik tauchen sie damit nicht auf. Und da die Kurse mehrere Monate dauern, dürften die ersten Geflüchteten in diesem Frühsommer zumindest sprachlich fit für den Arbeitsmarkt sein. Noch nicht ausgemacht ist jedoch die Frage, wie viele bleiben werden, wenn der Krieg einmal ein Ende findet. Laut Gutschmidt zeige sich aber die Tendenz, dass viele gar nicht mehr so schnell zurückgehen wollen, sondern mittelfristig bis dauerhaft ihre Heimat in Essen sehen.
Dennoch warnte Gutschmidt vor zu großen Erwartungen: „Was wir aus der Ukraine erleben, ist keine gesteuerte Einwanderung, um das Fachkräfteproblem hierzulande zu lösen. Dafür brauchen wir eine andere Zuwanderungspolitik.“
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