Essen. Die Vorwürfe gegen Kardinal Hengsbach rufen zwei Männer auf den Plan, die Opfer eines pädophilen Priesters wurden. So läuft ihr Kampf.

Nach dem Bekanntwerden der Missbrauchsvorwürfe gegen den Gründer des Ruhrbistums, Kardinal Franz Hengsbach, haben Markus Elstner und Wilfried Fesselmann nicht lange überlegt. Sondern Plakate eingepackt und einen Schal, auf dem „Ruhrpott“ steht. Sie sind nach Essen gefahren, zum Dom, um öffentlichkeitswirksam gegen die katholische Kirche zu demonstrieren.

Seit Jahren kämpfen Fesselmann und Elstner für Entschädigung und Schmerzensgeld, denn beide geben an, vom sogenannten „Skandal-Priester“ Peter H. vor Jahrzehnten massiv sexuell missbraucht worden zu sein. Der Geistliche, der in Bottrop, Essen-Rüttenscheid und später in vielen Gemeinden Süddeutschlands arbeitete und im Jahr 2020 von der Kirche nach Essen zurückgeholt wurde, lebt heute als Pensionär im Stadtteil Schönebeck. Er erhielt bereits in den 1980er Jahren wegen seiner Taten eine Bewährungsstrafe. Kaum ein Fall wie der von H. wurde so gut dokumentiert – er veranschaulicht, wie ein als pädophil geltender und sogar aktenkundiger Geistlicher über Jahrzehnte weiter geduldet wird – und sogar, mit Wissen der Kirche, seinen Neigungen nachgehen kann.

„Wir wollen uns nicht ständig als Opfer darstellen“

„Wir wollen uns eigentlich nicht ständig als Opfer darstellen“, sagen Elstner und Fesselmann am Mittwoch (20.9.) am Dom in der Essener Innenstadt, „lieber als Betroffene“. Doch die Nachrichten von den Vorwürfen gegen Kardinal Hengsbach habe sie in ihrer tiefen Überzeugung bestätigt, „dass Missbrauchsfälle bis in die höchsten Etagen der Kirche bekannt waren und über Jahrzehnte vertuscht wurden – bis heute.“

Markus Elstner (l.) und Wilfried Fesselmann wurden Opfer eines pädophilen Priesters, der sogar verurteilt wurde, aber trotzdem weitermachen durfte. Bei einer Mahnwache am Mittwoch verbanden sie der Hengsbach-Skulptur die Augen.
Markus Elstner (l.) und Wilfried Fesselmann wurden Opfer eines pädophilen Priesters, der sogar verurteilt wurde, aber trotzdem weitermachen durfte. Bei einer Mahnwache am Mittwoch verbanden sie der Hengsbach-Skulptur die Augen. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Elstner und Fesselmann hatten eigentlich vor, die gesamte Statue, das Denkmal Hengsbachs, zu verhüllen. Doch an diesem Mittwochnachmittag halten sich Elstner und Fesselmann zurück. Auch die Polizei ist da, Elstner und Fesselmann haben ihre Mahnwache nicht angemeldet. Schweigend stellen sie Plakate vor die Füße Hengsbachs, darauf steht: „Wer das Schweigen bricht, bricht die Macht der Täter.“ Dann binden sie den „Ruhrpott“-Schal um die Augen Hengsbachs, „weil die Kirche jahrzehntelange wegsieht“.

Die Männer können seit Jahrzehnten nicht arbeiten

Elstner und Fesselmann berichten, dass sie seit Jahrzehnten nicht arbeiten können, Elstner erzählt von einer langen Drogenkarriere, „in der es alles gab außer Heroin“. Der „Skandal-Priester“ H. hatte die Kinder mit Alkohol gefügig gemacht, meistens gab es Bacardi Cola, so rutschte Elstner in seine erste Sucht. Er ist sich sicher, dass sich H. „gezielt Jungen gesucht hat, die aus schwachen Familien kommen und Halt suchten.“ Bei Elstner war das der Fall, „und jetzt stehen wir hier“, sagt Elstner am Mittwoch vor Fernsehkameras, „wir stehen für alle Betroffenen, die keiner sieht und sich nicht trauen zu sprechen.“

Ob er jetzt, angesichts der neuen Verdächtigungen gegen den Bistumsgründer, besonders aufgewühlt sei, wird Elstner von einer Reporterin gefragt. „Eigentlich nicht“, sagt Elstner, „ich bin ja froh, wenn jeder Fall öffentlich wird.“

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