Essen. Missbrauchs-Verdacht: Der Kardinal-Hengsbach-Platz in der Essener Innenstadt soll umbenannt werden. Das hat der Oberbürgermeister angekündigt.
Die Debatte um Kardinal Franz Hengsbach ist in voller Fahrt. Der aktuelle Stand:
- Kardinal Franz Hengsbach, der Gründer des Ruhrbistums, soll vor Jahrzehnten junge Frauen sexuell missbraucht haben.Das ist in dieser Woche bekannt geworden
- Deshalb gibt es jetzt eine Diskussion, ob der Platz zwischen Primark und Peek & Cloppenburg in Essens Innenstadt weiter „Kardinal-Hengsbach-Platz“ heißen darf.
- Der Oberbürgermeister hat sich dazu am Mittwoch klar geäußert: Der Platz soll umbenannt werden.
- Diskussionen gibt es auch um das Denkmal, das am Dom steht, und über die Frage, ob Kardinal Hengsbach der „Ehrenring der Stadt Essen“ aberkannt werden muss.
- Am Mittwoch hatten Opfer sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche der Hengsbach-Statue am Dom aus Protestdie Augen verbunden mit einem Schal - als Symbol dafür, dass „die katholische Kirche über Jahrzehnte weggeschaut hat“.
Zwischen „Hosianna“ und „Kreuziget ihn“ liegen manchmal nur ein paar Tage, wer wüsste das besser, als die Christen. Bei Franz Kardinal Hengsbach kehrt sich die frühere Begeisterung sogar binnen 24 Stunden in ihr Gegenteil – seit bekannt geworden ist, dass dem Gründungsbischof des Bistums Essen in mindestens zwei Fällen vorgeworfen wird, jungen Frauen sexuelle Gewalt angetan zu haben. So einer verdiene kein Denkmal im Schatten des Doms, keinen Platz auf einem Straßenschild, keine Ehrenring-Würde der Stadt, heißt es jetzt vielerorts. Die Debatte nimmt Fahrt auf.
Kardinal Hengsbach: „Der Platzname kann so nicht aufrechterhalten werden“, sagt OB Kufen
Und Oberbürgermeister Thomas Kufen gab am Mittwoch im Haupt- und Finanzausschuss des Rates mit klaren Worten die Marschrichtung vor: Er nehme die Anschuldigungen sehr ernst, sagte das Stadtoberhaupt, das seit längerem mit Bischof und Domkapitel in engem Austausch steht, „und an dieser Stelle will ich sehr klar sagen: Vor dem Hintergrund der Missbrauchs-Vorwürfe gegen Kardinal Hengsbach kann der Platzname so nicht aufrechterhalten werden.“ Eine Umbenennung stehe „unausweichlich“ an, so der OB, und „ich glaube, das trifft auch die Position einer Mehrheit des Rates“. Einen Alternativnamen will die Stadtverwaltung noch im Laufe dieses Jahres präsentieren.
Hengsbachs Skulptur verhüllen oder entfernen? Der Münsterbauverein diskutiert noch
Zustimmung erntet Kufen damit unter anderem bei der Bewegung „Maria 2.0“ im Bistum Essen sowie bei mehreren Missbrauchs-Betroffenen, die für Mittwoch zu einer am Ende allerdings eher schwach besuchten Mahnwache vor dem Hengsbach-Denkmal auf dem Domplatz aufgerufen hatten. Bei dieser Gelegenheit verbanden sie dem Werk der Künstlerin Silke Rehberg demonstrativ die Augen.
Eine Aktion, die den Mitgliedern des Münsterbauvereins nicht verborgen blieb. Sie trafen sich am frühen Abend, purer Zufall, zu ihrer Jahreshauptversammlung in der Domschatzkammer. Arnd Brechmann, Vorsitzender des Münsterbauvereins, kündigte im Vorfeld an, den Umgang mit dem Denkmal bei diesem Treffen aufgreifen zu wollen, wenn auch noch nicht klar sei, in welche Richtung es geht: „Ich plädiere für eine sachliche Diskussion, die alle Perspektiven einbezieht – die Wirkung auf die Betroffenen sexueller Gewalt, die Rechte der Künstlerin, aber auch die Auseinandersetzung mit den Vorwürfen. Wir wollen eine Position formulieren, aber wir wollen eben keinen Schnellschuss.“
Das Werk abbauen und andernorts aufstellen? Es dauerhaft verhüllen? Oder ein für allemal entfernen? Brechmann mag der Debatte nicht vorgreifen, aber er ahnt, dass es ein Ringen um die richtige Haltung wird. Der Münsterbauverein ist schließlich kein rein katholischer Club, sondern ein überkonfessioneller Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die sogenannte Dom-Insel mit all ihren Bestandteilen zu fördern und baulich zu erhalten.
Ringen um die richtige Position – das wird nicht zuletzt eine Aufgabe für die Politik sein, die sich mit der Frage konfrontiert sieht, ob die Stadt auch den 1984 an Hengsbach verliehenen Ehrenring – immerhin nur eines von neun existierenden Exemplaren – aberkennen soll.
Der Ehrenring für Kardinal Hengsbach steht in Frage. Entscheiden muss die Politik
In Paragraf 5 der 1961 verabschiedeten Essener Satzung über die Stiftung des Ehrenringes heißt es ausdrücklich, dass die Stadt den Ehrenring „einziehen kann, wenn wichtige Gründe hierfür geltend gemacht werden können“. Auch dies am Ende kein Alleingang des Oberbürgermeisters, der sich dazu derzeit noch nicht äußern mag, sondern eine Sache der im Stadtrat vertreten Parteien.
Die werden Kardinal Hengsbach erst einmal vom Straßenschild holen, wo sein Name seit 1994 prangt. Damals wurde der Name „Kurienplatz“ getilgt, es ist dies die Ost-West-Achse zwischen Kennedyplatz und Essener Münster, hüben Peek & Cloppenburg, drüben Primark. Die Umbenennung, drei Jahre nach des Gründerbischofs Tod, schien damals nur folgerichtig.
Hengsbachs großer Verdienste wegen.