Essen. Nicht nur die Berufsschulphasen stellen kleine Handwerksbetriebe oft vor organisatorische Probleme. Drei Rüttenscheider Unternehmer berichten.
- Zum Start des Ausbildungsjahres sind viele Lehrstellen noch unbesetzt.
- Drei Inhaber von kleinen Handwerksbetrieben in Essen erläutern ihre Situation.
- Die duale Ausbildung stellt sie manchmal vor Probleme.
Das Ausbildungsjahr hat begonnen, doch noch gibt es reichlich freie Lehrstellen. Viele Arbeitgeber klagen, dass sie keine geeigneten Auszubildenden finden oder sich schlichtweg niemand für die angebotenen Lehrstellen interessiert. Die Inhaber von drei kleinen Handwerksbetrieben in Essen-Rüttenscheid haben noch ganz andere Sorgen.
Wenn sich Kirstin Jankowski von der Goldschmiede „Zwei machen Schmuck“, Ulrike Strelow von der gleichnamigen Hutmanufaktur und Christian Kaufhold von der Manufaktur „Heuschmid Kerzen“ treffen, ist Ausbildung immer wieder ein Thema.
Inhaber von Handwerksbetrieben in Essen beschäftigt das Thema Ausbildung
Alle drei führen kleine Handwerksbetriebe, besetzen Nischen. Sie wünschen sich, dass ihr Handwerk gestärkt und zukunftsfähig gemacht wird, um auch die Berufe als Kulturgut zu erhalten und die Nachfolge in bestehenden Betrieben zu sichern. Kirstin Jankowski und Ulrike Strelow bilden (noch) aus, Christian Kaufhold schon länger nicht mehr.
In Deutschland sei man stolz auf die duale Ausbildung mit praktischem Anteil und Berufsschule. Doch Letztgenannte sei gerade dann ein Problem, wenn es nur wenige Auszubildende in einem Beruf gebe. Oft müssten die Azubis weit zur Schule fahren, hätten Blockunterricht und fehlten dann über Wochen in ihren Ausbildungsbetrieben.
„Im Goldschmiede-Handwerk gibt es viel mehr Bewerber als Plätze, da immer weniger Betriebe ausbilden“, sagt Kirstin Jankowski. Die Bewerberinnen und Bewerber hätten zum Teil schon ein Studium absolviert. „Sie sind oft durchaus talentiert und sehr motiviert. Für viele ist es ein Herzenswunsch, Goldschmied zu werden“, sagt Kirstin Jankowski, die aktuell einen Auszubildenden im zweiten Lehrjahr beschäftigt.
Für sie sind die Berufsschulzeiten ein echtes Problem. Früher seien Azubis einen Tag pro Woche an der Berufsschule gewesen, was man noch kompensieren könne. Nach einer Neustrukturierung der Ausbildung gebe es jetzt zweiwöchige Unterrichtsblocks, was deutlich größeren Organisationsaufwand für den Betrieb erfordere.
„In der Zeit fehlt er mir hier im Geschäft, wo er sich um Kunden kümmern, ans Telefon gehen oder die Stellung im Geschäft halten kann, wenn ich Außentermine habe. Ausbildung ist Geben und Nehmen“, erläutert Kirstin Jankowski. Sie arbeitet mit einer Kollegin zusammen, die als Mutter aber nur als Teilzeitkraft zur Verfügung steht und nicht immer einspringen kann.
„So lange Zeiten der Abwesenheit sind einfach schwer zu organisieren in einem kleinen Betrieb mit anderthalb Kräften“, sagt die Geschäftsfrau. Glücklicherweise sei Essen mit dem gut ausgestatteten Berufskolleg Ost noch ein Hauptausbildungsort für Goldschmiede, so dass zumindest die weite Anreise entfalle. Zwei Auszubildende einzustellen, sei keine Option: „Zum einen habe ich keinen weiteren Arbeitsplatz, zum anderen würde mich dann eine bereits ausgebildete Kraft stärker entlasten.“
Modisten lernen gemeinsam mit Maßschneidern in Düsseldorf
Die Hutmanufaktur von Modistin Ulrike Strelow liegt nur wenige Meter entfernt, ebenfalls direkt am Rüttenscheider Markt. „Ich habe eigentlich immer ausgebildet“, erklärt Strelow. Nach einem Jahr Pause habe gerade eine neue Auszubildende bei ihr angefangen. In ihrem Handwerk gebe es aber nur sehr wenige Lehrlinge und entsprechend schwierig sei es, den Unterricht zu organisieren.
Früher habe es eine Modisten-Klasse am Hugo-Kükelhaus-Berufskolleg in Essen gegeben. Seit zwei Jahren würden die Modisten jetzt zusammen mit den Maßschneidern in Düsseldorf unterrichtet, was aufgrund der fachlichen Überschneidungen in Ordnung sei. „Allerdings steht im Raum, den Blockunterricht in Berlin abzuhalten, wenn hier zu wenig Schüler zusammenkommen. Wenn das irgendwann so kommt, würde ich wohl nicht mehr ausbilden“, sagt Ulrike Strelow, die sich wünscht, dass alle für die Ausbildung zuständigen Stellen gemeinsam pragmatische, kreative Lösungen finden.
In der Manufaktur „Heuschmid Kerzen“ wird schon länger nicht mehr ausgebildet. „Die Berufe des Wachsbildners und Wachsziehers gehören zu den ältesten Handwerken überhaupt. Heute spricht man aber von Kerzenhersteller, da nicht mehr alle Arbeitsschritte von Hand gemacht werden“, erklärt Christian Kaufhold, der die 1927 gegründete Rüttenscheider Kerzenmanufaktur in vierter Generation führt. Er selbst ist über ein Studium im kaufmännischen Bereich und die Ausbildung vor Ort im Familienbetrieb zu seinem Beruf gekommen.
Die Arbeit sei sehr speziell, erfordere Kenntnisse in Mathe und Physik. „Es wäre gut, wenn die Bewerber die Basics schon mal in der Schule gelernt hätten. Oft fehlen grundsätzliche Dinge“, so Kaufholds Erfahrung. „Deutschlandweit gibt es derzeit nur rund 30 Auszubildende über alle drei Jahrgänge in unserem Handwerk“, sagt er. Da der Schwerpunkt eher in Süddeutschland liege, müssten alle die Berufsschule in München besuchen – gemeinsam mit Vergoldern und Restauratoren.
Berufliche Wanderjahre sorgen für Erfahrungen
Das stelle nicht nur ein finanzielles Problem dar. Anwärter für eine Ausbildung seien oft erst 16 Jahre alt und die Eltern schickten sie deshalb nicht gern für sechs Wochen allein die Großstadt München. „Dazu kommt, dass die jungen Leute das auch selbst nicht wollen“, so Kaufhold.
Einig sind sich die drei Unternehmer, dass es dem Nachwuchs guttue, in verschiedenen Betrieben mit unterschiedlichen Leuten zu arbeiten, von denen man immer wieder Neues lernen könne. „Man muss weiterziehen, Erfahrungen sammeln“, findet Kirstin Jankowski, die die Tradition der Walz, also der beruflichen Wanderjahre, durchaus sinnvoll findet.
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