Essen. . Das Familienunternehmen Heuschmid stellt in einer kleinen Fertigungshalle in Essen Kerzen her, die in vielen Kirchen leuchten.

Es leuchtet ein Licht am Ende des Tunnels. Der ist in diesem Fall zwar nur eine kurze Durchfahrt zu einem Hinterhof in Essen-Rüttenscheid, doch den Besuchern weist tatsächlich der flackernde Schein einer kleinen Laterne den Weg zur Firma Heuschmid. Das passt. Seit fast 90 Jahren produziert der Betrieb Kerzen für jeden Anlass. Wer an Weihnachten in die Kirche geht, kann sie mit hoher Wahrscheinlichkeit in ihrer leuchtenden Pracht bewundern: Auch das Bistum Essen kauft bei Heuschmid ein.

Kurz vor den besinnlichen Tagen wurde es noch mal hektisch bei den Kerzenziehern in Rüttenscheid, viele Dutzend Pakete mussten ausgeliefert werden. „Hauptsächlich waren das Adventskerzen“, sagt Christian Kaufhold, der das Unternehmen in vierter Generation führt. Naturgelbe, rote und violette Adventskerzen werden bei Heuschmid hergestellt, „die klassischen Farben“, das war’s. Man setzt auf Tradition, deshalb sind auch Duftstoffe tabu. Eine einzige Sorte Kerzen darf ihren – allerdings natürlichen – Geruch verströmen: die aus Bienenwachs. Es riecht nach Frühstück, als Kaufhold den Schrank öffnet, der Duft von Honig steigt in die Nase. Doch es wird immer schwerer, an das goldgelbe Rohmaterial zu kommen. „Die Preissteigerungen sind extrem. In den letzten Jahren hat eine Milbenart den Bienen zugesetzt“, sagt Kaufhold. Um Qualitätsschwankungen zu vermeiden, muss inzwischen Bienenwachs verschiedener Jahrgänge gemischt werden.

Kerzenherstellung ist echtes Handwerk

Dennoch gehört die Herstellung dieser Kerzen zu den schönsten Aufgaben in der Firma. „Das Material wird vorbereitet, auf Temperatur gebracht, und dann wird von Hand geknetet. Das ist anstrengend, aber absolut toll zu machen“, erzählt Kaufhold. „Dadurch hatte mein Großvater noch mit 90 Jahren einen richtig sportlichen Händedruck.

Viel verändert hat sich in der Produktionsstätte seit Großvaters Zeit nicht. Die Maschinen sind aus den frühen 60ern, Computer gibt es zwischen den Werkbänken keine, Fahrradfelgen dienen als Aufhängevorrichtung. „Das ist auf jeden Fall Handwerk, für eine Kerze muss man sich Zeit nehmen“, betont Kaufhold.

In einem Raum am Ende der kleinen Fertigungshalle stehen zwei simple Maschinen mit jeweils zwei dicken und zwei dünneren Rollen. Darüber geführt wird ein Endlosdocht, der auf einem kleinen Teil seines Weges durch die Maschine durch ein Wachsbad gezogen wird – Kerzenziehen. „Weil das Wachs zwischendurch wieder abkühlt, bekommen wir mit den vielen Durchgängen eine Baumstruktur hin, das ist die beste Kerzenqualität“, erklärt Christian Kaufhold. „Aber man muss ein Gefühl dafür haben.“ Es gibt nicht einmal ein Thermometer, um die Temperatur des Wachsbads und des Kerzenstrangs auf den Rollen zu prüfen. Wird es zu kalt, brechen die Kerzen, bevor sie abgewickelt und geschnitten werden können.

Kirchenschließungen sorgen für Absatzrückgang

Viel Nachwuchs gibt es für dieses Handwerk nicht. „Wir haben in Deutschland ungefähr 20, 25 Auszubildende zum Wachszieher, die einzige Schule ist in München“, sagt Kaufhold, der selbst als Seiteneinsteiger den Familienbetrieb übernahm. Das Problem der Branche: Die Bistümer als wichtigste Kunden vieler Betriebe sparen, schließen Kirchen, legen Pfarreien zusammen. Schließlich gehen auch weniger Menschen in die Kirche, es gibt weniger Messen – die Kerzen brennen nicht mehr so oft.

Der Essener Betrieb wirbt um neue Kunden, doch das ist nicht leicht. „Die Leute haben keine Vorstellung mehr davon, was eine gute Kerze ausmachen sollte. In Supermärkten werden Kerzen zu einem Preis angeboten, dafür kann ich nicht mal das Material einkaufen“, sagt Kaufhold.

Doch die Essener Kerzenzieher können nicht klagen, und bald beginnt für sie die Hochsaison: „Jede Kirche hat eine große Osternachtkerze, die herzustellen ist der Schwerpunkt für uns Wachszieher“, erzählt Kaufhold. Die ersten Exemplare mit dem Alpha und Omega, den Wundmalen Christi und der Jahreszahl 2017 liegen schon im Regal. Eines der ältesten Handwerke überhaupt kann seiner Zeit auch voraus sein.