Essen. In Essens City sehe sie mehr völlig verelendete Drogensüchtige, sagt eine Beraterin. Die Zahl der Drogentoten steige. Das müsse die Politik tun.
Im Herzen der Innenstadt wollen sie Abschied nehmen von Essenern und Essenerinnen, die an ihrer Sucht gestorben sind. „Vor allem von denen, die wir aus unseren Beratungsstellen gekannt haben“, sagt Christiane Breimhorst von Bella Donna, der Anlaufstelle für drogenabhängige Mädchen und Frauen. Gemeinsam mit der Aidshilfe und dem CVJM nehmen sie am internationalen Gedenktag für verstorbene Drogenkonsumenten am Freitag, 21. Juli, teil.
Um 13 Uhr kommen auf dem Burgplatz dann Betroffene, Eltern, Angehörige und interessierte Bürger im Gedenken zusammen, begleitet von Pfarrer Ulf Seidel (Marktkirche) für die evangelische Kirche und Michael Diek vom Bistum für die katholische Kirche. Im Schatten des Doms wollen sie um jene trauern, die seit dem 21. Juli 2022 im Zusammenhang mit Drogen verstorben sind. „Unseres Wissens sind seitdem 20 Betroffene in Essen verstorben“, sagt Christiane Breimhorst. Doch die Dunkelziffer liege sicher höher, verlässliche Zahlen habe ihr auch die Essener Kriminalpolizei nicht nennen können.
Ein letzter Gruß an die Verstorbenen
Und so erinnern sie an diejenigen, die ihnen in ihrer Arbeit begegnet sind, schicken ihnen einen letzten Gruß. Meist seien das Opiat-Abhängige; weniger Kontakt hätten sie mit Betroffenen mit Mischkonsum – etwa von Crack und Ecstasy. „Wir denken nicht nur an die akut an den Drogen Verstorbenen, wie zum Beispiel durch eine Überdosis, sondern auch an die Menschen, die aufgrund der Langzeitfolgen verstorben sind. Oder diejenigen, die aufgrund ihrer Abhängigkeit ihr Leben beendet haben.“
Bundesweit steige die Zahl der Drogentoten seit vielen Jahren, sagt Christiane Breimhorst: Waren es im Jahr 2012 noch 944 Drogentote, so starben nach Angaben des Bundesdrogenbeauftragten im vergangenen Jahr 1990 Menschen im Zusammenhang mit illegalisierten Drogen. Das waren 164 Drogenopfer mehr als im Jahr zuvor. Allein Nordrhein-Westfalen als bevölkerungsreichstes Bundesland habe 703 Opfer zu beklagen.
In diesem Jahr starben ungewöhnlich viele Frauen an Drogen
In Essen stehen u. a. Aidshilfe, CVJM und Bella Donna den Menschen, die illegale Drogen konsumieren zur Seite, leisten ihnen Hilfestellung – und erleben doch oft immer wieder, dass die Sucht ein Leben beendet. Im abgelaufenen Jahr seien es ungewöhnlich viele Frauen gewesen, sagt Christiane Breimhorst: Neun der 20 Essener Drogentoten. Sonst liege der Männeranteil bei 80 Prozent. Alle Essener Einrichtungen, die sich um suchtkranke Frauen kümmern, wollen sich darum noch besser vernetzen.
„Was wir seit einiger Zeit bemerken ist, dass der Drogenkonsum im Stadtbild viel auffälliger und offener ist: Auch in Hauseingängen, auch bei uns vor der Tür“, sagt Christiane Breimhorst. Während man Crack bisher vor allem mit Frankfurt, Hamburg oder Hannover verbinde, gebe es inzwischen auch mehr Essener Konsumenten. Die Droge setze die Betroffenen besonders schnell und heftig unter Druck, die Beschaffung und der Konsum liefen viel schneller, sagt Christiane Breimhorst.
Crack töte schneller als andere Drogen
Auch der Verfall der Abhängigen sei leider rasant. Sie sehe jetzt deutlich mehr Drogenabhängige in der Innenstadt: „Und viele von ihnen sehen völlig verelendet aus.“ Diese Sucht töte schneller. Um hier gegenzusteuern, sei auch ein Umdenken in der Drogenpolitik wichtig. „Die letzten Jahre zeigen, dass wir so nicht weitermachen können und zu viele Menschen verlieren.“
Ganz konkret hofft das „Bella Donna“-Team, dass die im Koalitionsvertrag angekündigten Maßnahmen zeitnah umgesetzt werden: angefangen mit der Legalisierung von Cannabis über die Einschränkung von Tabak- und Alkoholwerbung bis zur Entkriminalisierung und Einführung eines flächendeckenden Drug-Checkings. Dabei werden auf dem Schwarzmarkt gehandelte Drogen chemisch analysiert, psychoaktive Substanzen identifiziert und ihr Gehalt bestimmt. Das kann den möglichen Schaden beim Konsum der Drogen verringern.
Drogenberaterin fordert Umdenken in der Politik
Wünschenswert wäre ferner, dass sich Deutschland auch an Maßnahmen orientiere, die in anderen Ländern schon erfolgreich praktiziert werden, sagt Christiane Breimhorst: „Festzuhalten ist, dass die seit Jahrzehnten durchgeführte Drogenpolitik nicht zu einer Verringerung der Drogentotenzahl geführt hat – sondern zu einer Steigerung.“ Es sei Zeit, neue Wege zu beschreiten.
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