Essen. Die Essener Drogenberatungsstelle Bella Donna berät Frauen und Mädchen: Männer bleiben draußen. Zum Aktionstag Suchtberatung erklären wir, warum. .

Männer müssen draußen bleiben: Das ist ein Grundsatz der Drogenberatung Bella Donna – und für manche Mädchen und Frauen mit Suchtproblemen auch ein Versprechen: Für sie ist die Beratungsstelle am Essener Kopstadtplatz auch ein Schutzraum, in dem sie über Missbrauch und Gewalt sprechen können. Und damit über Erfahrungen, die manche Sucht mitausgelöst haben. Jetzt stellt die Beratungsstelle, die im kommenden Jahr ihren 20. Geburtstag feiert, ihr besonderes Angebot vor.

Wer anruft, bekommt binnen einer Woche einen Termin

Für Mädchen und Frauen hat Bella Donna immer eine offene Tür: Wer anruft und eine Nachricht hinterlässt, erhält binnen einer Woche einen Beratungstermin. Die verbindliche Terminvereinbarung sei eine erste Hürde, weiß Beraterin Renate Kreke: „Aber die Frauen, die das schaffen, die wollen auch etwas verändern.“ Das muss nicht zwangsläufig die Entgiftung sein oder gar die Erwartung, dauerhaft clean zu werden: für immer – das trauten sich viele Frauen nicht mal auszusprechen.

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Bei Bella Donna müssen sie keine Ziele formulieren, keine Zusagen machen, können auch erstmal ganz anonym von sich erzählen, betont Krekes Kollegin Christiane Breimhorst. Sie werden auch nicht abgewiesen, wenn sie bei der Beratung unter Drogen stehen (was kaum eine mache). „Es geht erstmal darum: Wo stehe ich, was traue ich mir zu, welche Verletzungen habe ich.“

Viele drogensüchtige Frauen haben Missbrauch und Gewalt erlebt

„Es geht erstmal darum: Wo stehe ich, was traue ich mir zu, welche Verletzungen habe ich“, sagt Christiane Breimhorst, Sozialpädagogin und Beraterin bei „Bella Donna“ in Essen.
„Es geht erstmal darum: Wo stehe ich, was traue ich mir zu, welche Verletzungen habe ich“, sagt Christiane Breimhorst, Sozialpädagogin und Beraterin bei „Bella Donna“ in Essen. © Bella Donna

In auffällig vielen Biografien finde sich sexueller Missbrauch und mit ihm ein Schmerz, den die Frauen betäuben. Dass sie in den Räumen der Beratungsstelle keinen Mann antreffen, ermutigt viele, überhaupt zu kommen. Andere, die mit einem gewalttätigen Mann zusammenleben, der sie selbst in die Beratung begleiten will, sind erleichtert, wenn er dort an der Tür abgewiesen wird. „Die fühlen sich hier geschützt“, sagt Christiane Breimhorst. Ähnlich empfänden es Frauen, die sich prostituieren oder bei einem „Sozialfreier“ leben: Einem Mann, der sie gegen kostenlosen Sex in seiner Wohnung aufnimmt und das oft als gute Tat verkauft, tatsächlich aber ihre Notlage ausnutzt.

Montags gibt es eine offene Sprechstunde

Bella Donna e.V. ist ein Verein zur Hilfe suchtmittelabhängiger Frauen in Essen. Zum Angebot zählen neben der Drogenberatung eine Landesfachstelle, das ambulant betreute Wohnen und Wohnhilfen. Im Rahmen der „Ambulant Flexiblen Hilfen“ unterstützen die Mitarbeiterinnen auch drogen- oder alkoholabhängige Mütter und ihre Kinder. Infos auf: www.belladonna-essen.de

Bella Donna sitzt am Kopstadtplatz 24-25 (Heck-Passage, 5. Etage) in der Essener Innenstadt. Interessierte Mädchen und Frauen können ohne Anmeldung zur offenen Sprechstunde in die Beratungsstelle kommen: montags, 14 bis 16 Uhr. Beratungstermine gibt es unter (AB): 0201-240888-3 /-4.

Andere sind schon auf der Straße gelandet, doch das Klischee von der obdachlosen Drogensüchtigen treffe keineswegs immer zu, betont Breimhorst. „Ich bin oft überrascht, was viele der Frauen noch hinbekommen, welche Fassade sie aufrecht erhalten können. Vielen sieht man die Sucht nicht an.“ Etliche haben zumindest noch einen 450-Euro-Job, ergänzt ihre Kollegin. Es sind Frauen, denen sie im Alltag helfen: vom Ausfüllen eines Antrags bis zum Gerichtstermin.

Bella Donna betreut auch Mütter mit Suchtproblemen

Dass es während der Beratung eine Kinderbetreuung gibt, versteht sich bei der Zielgruppe Frauen und Mädchen. Weil viele der drogensüchtigen Mütter Probleme haben, ihre Kinder eigenständig zu versorgen, bietet Bella Donna außerdem ambulante flexible Hilfen: Hand in Hand mit dem Jugendamt werden hier aktuell rund 30 Kinder von abhängigen Müttern begleitet.

Natürlich vermitteln die Beraterinnen die Frauen auch in die Entgiftung: Ohne Druck, wenn sie es wollen. Manche braucht ein paar Anläufe, um sich von Drogen zu lösen, kommt jahrelang in die Beratung. „Die Jüngeren machen teils noch Party“, sagt Renate Kreke. Stellten nach einem gescheiterten Entzug aber vielleicht fest: „Ich kann nicht mehr so unbeschwert konsumieren.“ Andere schaffen den Absprung von Heroin oder Kokain, bleiben aber weiter im Ersatzprogramm. „Viele leben ewig in der Substitution, ein paar kommen auch da noch raus“, sagt Renate Kreke. Manchmal spät im Leben: Sie betreuen auch Frauen zwischen 55 und 67 Jahren, die ihre Sucht krank und einsam gemacht hat.

Ein Drittel der Drogensüchtigen sind weiblich

„Bei vielen Angeboten erleben die Frauen einen Spießrutenlauf – bei uns herrscht ein anderes Klima“, sagt die Diplom-Pädagogin Renate Kreke, die als Beraterin bei Bella Donna Essen arbeitet.
„Bei vielen Angeboten erleben die Frauen einen Spießrutenlauf – bei uns herrscht ein anderes Klima“, sagt die Diplom-Pädagogin Renate Kreke, die als Beraterin bei Bella Donna Essen arbeitet. © Bella Donna

Frauen, die sich wieder Kontakt zu ihren Kindern wünschen, die einen Job und Halt suchen. Halt, den sie auch bei Bella Donna finden, etwa beim gemeinsamen Frühstück oder beim Spielenachmittag, der vielen Selbstvertrauen gibt. Zum „Aktionstag Suchtberatung“, den die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen für Mittwoch (10. November) ausgerufen hat, dankt Bella Donna-Leiterin Nicole Gutsch der Stadt Essen, dass sie die Arbeit der Beratungsstelle bis heute finanziert. „Wir sind als Modellprojekt gestartet, dann hat die Kommune das übernommen. Allerdings sind die Mittel seit 2009 eingefroren.“ Ohne Spenden und eingeworbene Mittel ginge es nicht.

Leitet die Drogenberatungsstelle „Bella Donna“ in Essen: Nicole Gutsch.
Leitet die Drogenberatungsstelle „Bella Donna“ in Essen: Nicole Gutsch. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Mit einer neuen Förderung wollen sie im kommenden Jahr eine Online-Beratung aufbauen. Schon jetzt hat Christiane Breimhorst eine Klientin, die keinen direkten Kontakt wünscht: „Aber ich telefoniere jede Woche ein Stunde lang mit ihr.“ Die Frauen seien eben so unterschiedlich wie ihre Suchtmittel: Neben harten Drogen wie Heroin und Kokain gibt es solche, die durch schweren Cannabis-Konsum an Psychosen leiden. Ein Drittel aller Drogensüchtigen sind weiblich: Bei anderen, offenen Angeboten müssten sie sich oft durch einen Pulk von Männern arbeiten, würden angemacht oder belästigt: „„Ein Spießrutenlauf“, sagt Renate Kreke. „Bei uns herrscht ein anderes Klima.“