Essen. Grobe Asche, feiner Rasen – immer auf Kohle: Die Geschichte und Bedeutung des Revier-Fußballs zeigt eine imposante Ausstellung auf Zollverein.

Auf dem Platz trennen sie immerhin zwei Klassen. Für die Ausstellung „Mythos und Moderne. Fußball im Ruhrgebiet“ aber bilden Dortmund und Essen nun ein Team. Die gemeinsame Schau des Essener Ruhr Museums und des Dortmunder Fußballmuseums bietet dabei alles auf, was nicht nur Fußballfans begeistern dürfte. 450 Fotografien, prallvoll mit nostalgischen Erinnerungen und wechselvoller Ruhrgebietsgeschichte. Die erste fotografische Sonderausstellung zur Geschichte des Ruhrgebietsfußballs dreht sich dabei nicht nur um Tore, Punkte und Meisterschaften.

Die Aufnahmen von bekannten Fotografen wie Willy van Heekern, Rudolf Holtappel oder Marga Kingler gehen weit über das Spielfeld hinaus, zeigen ein Land, in dem Fußball viel mehr als ein Spiel ist, sondern, so Manuel Neukirchner vom Deutschen Fußballmuseum, „ein Identitätsstifter. Der Kitt, der die Menschen in der Region zusammenhält.“

Theo Grütter, Direktor des Ruhr Museums, und Manuel Neukirchner (rechts), Direktor des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund, sind stolz auf „die erste fotografische Sonderausstellung zur Geschichte des Ruhrgebietsfußballs“.
Theo Grütter, Direktor des Ruhr Museums, und Manuel Neukirchner (rechts), Direktor des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund, sind stolz auf „die erste fotografische Sonderausstellung zur Geschichte des Ruhrgebietsfußballs“. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

„Das Herz des Fußballs schlägt im Ruhrgebiet“ hat auch der „Kaiser“ Franz Beckenbauer gewusst. Man wird ihm nicht widersprechen nach einem Rundgang durch die reiche Bilderschau, die vergleichsweise schnörkellos und ohne üppige Begleittexte durch mehr als 100 Jahre Sport- und Sozialgeschichte führt. Ein Kaleidoskop von Eindrücken zwischen Jubel und Euphorie, Trauer und Frust, Aufstieg und Abstieg.

Ausstellungseröffnung mit prominenten Gästen von Otto Rehhagel bis Bernhard Dietz

Elf Spieler auf dem Platz, elf thematische Rubriken in der Ausstellung. „Triumphe und Tragödien“ stehen als Oberthema ebenso zur Ansicht wie „Stadionbesuch“ oder „Legenden und Idole“. Einige davon haben sich zur Ausstellungseröffnung am Sonntag (7. Mai) sogar persönlich auf dem Welterbe Zollverein angesagt – von Trainer-Ikone Otto Rehhagel über Nationalmannschaft-Spieler Bernard Dietz bis zum Flankengott aus dem Kohlenpott“ Rüdiger Abramczik.

Die Schar der Autogrammjäger dürfte vielleicht nicht mehr ganz so groß sein wie bei der Autogrammstunde von Rot-Weiss Essen 1968, wo Andrang wie beim damaligen Sommerschlussverkauf herrscht. Und doch zeugt schon die erlesene Gästeliste am Eröffnungstag – mit DFB-Präsident Bernd Neuendorf bis zur NRW-Kulturministerin Ina Brandes – von der populären Strahlkraft des Themas. Nicht zuletzt ist die Essener Schau auch Auftakt eines großangelegten, vom Bund geförderten Kulturprogrammes zur Europameisterschaft 2024 mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth an der Aufsichtsrats-Spitze der eigens eingerichteten Stiftung Fußball & Kultur.

Fußballspiel des TSV August-Thyssen-Hütte Hamborn vor der August Thyssen-Hütte, Duisburg, 1937/38.
Fußballspiel des TSV August-Thyssen-Hütte Hamborn vor der August Thyssen-Hütte, Duisburg, 1937/38. © Willy van Heekern/Fotoarchiv Ruhr Museum

Dass das „Land der 1000 Derbys“ dabei auch das Land der großartigen Fotokonvolute ist, macht die Schau im Ruhr Museum einmal mehr deutlich. Rund 50.000 Aufnahmen der rund vier Millionen Fotografien zählenden Sammlung im Archiv des Ruhr Museum beschäftigen sich mit dem Thema Fußball – im engeren wie auch im weiteren Sinne, was die Schau so reizvoll macht. Man sieht die Geburtsstunde des Arbeitersports vor der bergbaugeprägten Förderturm-Kulisse ebenso wie die Welt der modernen Hochglanz-Arenen.

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„Wir zeigen das Heute und das Gestern“, erklärt der Dortmunder Museums-Chef Manuel Neukirchner, für den schnell klar war, dass die Schau keine zwei Standorte braucht, wie zunächst angedacht, sondern aufs Welterbe Zollverein gehört. In den Boom-Jahren des Bergbaus ging es schließlich auch mit dem Ruhrgebietsfußball steil bergauf, erinnert Ruhr Museums-Direktor Theodor Grütter: 1955 wird Rot-Weiss Essen Deutscher Meister, gefolgt von Dortmund (1956/57) und Schalke 04. Kleinere Vereine indes verschwinden von der Landkarte, so wie die Zechenstandorte nach und nach schließen.

Besondere Leihgaben kommen auch aus dem Dortmunder Fußballmuseum, darunter das Trikot von Helmut Rahn, aus dem WM-Endspiel von 1954 und eine Schalker Fankutte.
Besondere Leihgaben kommen auch aus dem Dortmunder Fußballmuseum, darunter das Trikot von Helmut Rahn, aus dem WM-Endspiel von 1954 und eine Schalker Fankutte. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Mehr Infos zur Ausstellung

Die Ausstellung „Mythos und Moderne. Fußball im Ruhrgebiet“ läuft vom 8. Mai 2023 bis zum 4. Februar 2024. Mo bis So, 10 bis 18 Uhr. Eintritt 10/erm. 7 Euro. Ermäßigungen für Besucher des Deutschen Fußballmuseums und für Dauerkarten-Besitzer eines Ruhrgebietsvereins.

Zu den mehr als 400 Fotografien kommen auch besondere Exponate aus dem Deutschen Fußballmuseum in Dortmund, darunter die berühmte „Pöhler“-Kappe von Dortmund-Coach Jürgen Klopp oder das Weltmeister-Trikot von Helmut Rahn.

Das Begleitprogramm umfasst mehr als 70 Veranstaltungen. Dazu gehören Fußball-Quiz und Fantalk ebenso wie Vorträge, Film- und Liederabende sowie Theater.

In den Sommerferien verwandelt sich das Welterbe dann sogar zum Fußball-Camp für Jugendliche. Alle Infos. www.ruhrmuseum.de/spielplan

Hier der Mythos, dort die Moderne. Zu den Schwarz-Weiß-Aufnahmen von kickenden Knirpsen auf matschigen Bolzplätzen, Amateurfußball-Krimis auf Asche und Fußballfans, die in den 1960ern noch mit Schlips und Anzug statt mit Kutte am Spielfeldrand stehen, kommen die Bilder der neuen, hoch kommerzialisierten Fußballwelt mit perfekt getrimmten Rasen, VIP-Bereich und teurer Bannerwerbung. Und während die Fans den Deutschen Meister Borussia Dortmund 1956 am Borsigplatz noch mit handgeschriebenen Plakaten begrüßen, gerät die Jubiläumsfeier zum 100. Vereinsbestehen der Borussen 2009 schon zum medialen Showevent.

Foto-Ausstellung „Mythos und Moderne“ im Ruhr Museum

Thema:  Legenden und Idole 
Thema:  Legenden und Idole  © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska
Ein Foto von Fotokünstler Andreas Gursky 
Ein Foto von Fotokünstler Andreas Gursky  © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska
Foto von Marga Kingler, 1954, Fernsehübertragung des WM Endspiels Deutschland- Ungarn, in der WAZ Redaktion 
Foto von Marga Kingler, 1954, Fernsehübertragung des WM Endspiels Deutschland- Ungarn, in der WAZ Redaktion  © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska
Thema: Auf Asche
Thema: Auf Asche © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska
Thema:  Revierderby 
Thema:  Revierderby  © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska
Thema:  Solidarität 
Thema:  Solidarität  © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska
In der Ausstellung hängen große und viele kleine Fotografien
In der Ausstellung hängen große und viele kleine Fotografien © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska
Thema Revierderby 
Thema Revierderby  © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska
Thema: Orte des Geschehens 
Thema: Orte des Geschehens  © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska
In der Ausstellung hängen große und viele kleine Fotografien 
In der Ausstellung hängen große und viele kleine Fotografien  © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska
Thema: Orte des Geschehens
Thema: Orte des Geschehens © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska
Das Trikot von Helmut Rahn aus dem WM-Endspiel von 1954, und die Bergmannskulptur Kurze Fuffzehn 
Das Trikot von Helmut Rahn aus dem WM-Endspiel von 1954, und die Bergmannskulptur Kurze Fuffzehn  © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska
Ein historisches Fußballbild im schönem Treppenhaus
Ein historisches Fußballbild im schönem Treppenhaus © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska
Kappe von Trainer Jürgen Klopp aus seiner Dortmunder Trainerzeit
Kappe von Trainer Jürgen Klopp aus seiner Dortmunder Trainerzeit © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska
Theo Grütter, Leiter des Ruhr Museums, und Manuel Neukirchner (rechts), Direktor des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund
Theo Grütter, Leiter des Ruhr Museums, und Manuel Neukirchner (rechts), Direktor des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska
Das Plakat zur Ausstellung 
Das Plakat zur Ausstellung  © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska
Das Trikot von Helmut Rahn aus dem WM-Endspiel von 1954,die Bergmannsskulptur Kurze Fuffzehn, eine Schalker Fan-Kutte und eine Kappe von Jürgen Klopp 
Das Trikot von Helmut Rahn aus dem WM-Endspiel von 1954,die Bergmannsskulptur Kurze Fuffzehn, eine Schalker Fan-Kutte und eine Kappe von Jürgen Klopp  © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska
Das Plakat zur Ausstellung 
Das Plakat zur Ausstellung  © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska
Das Plakat zur Ausstellung 
Das Plakat zur Ausstellung  © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska
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In diesem Jahr könnte nach langer Zeit wieder eine große Party steigen und die Deutsche Meisterschaft nach Dortmund gehen. Der Ruhrgebietsfußball, so Grütter, erlebt am Ende dieser Saison wieder mal „Schicksalsmomente“. Und wird erneut unvergessliche Bilder liefern.