Essen. Für eine Ausstellung auf Zollverein über Fußball im Revier kommt das WM-Trikot von Helmut Rahn zurück nach Essen. Der ideelle Wert: unermesslich!

„Mythos & Moderne. Fußball im Ruhrgebiet“ – so ist die große Fotografie-Ausstellung auf Zollverein überschrieben, die am 8. Mai ihre Pforten öffnet: gut ein Jahr vor der Europameisterschaft in Deutschland. Die Fotos spiegeln die Fußballverrücktheit der Region, die sich als „Herz des deutschen Fußballs“ begreift. Als Zugabe gibt’s aber noch mehr als Foto-Raritäten in Schwarz-Weiß. Highlight ist das Originaltrikot, das die Essener Fußball-Legende Helmut Rahn (1929 - 2003) beim sensationellen 3:2-WM-Triumph 1954 in Bern am Leibe trug.

„Der Boss kommt nach Essen zurück“, frohlockt Manuel Neukirchner, der Direktor des Fußballmuseums, bei der Präsentation auf Zollverein. Das Trikot mit der Rückennummer 12 zählt zu den kostbarsten in der Geschichte des deutschen Fußballs, sein ideeller Wert ist unermesslich.

Helmut Rahns Trikot ist auf Zollverein neben dem Bronze-Kumpel „Kurze 15“ zu sehen

Das Original-Trikot des Essener WM-Helden von 1954 wird als Leihgabe im Ruhr Museum ausgestellt. Es befindet sich für den Transport mit der Figurine gut und sicher verpackt in einem Karton. Sascha Göpel und Manuel Neukirchner nehmen den Weg über die große Rolltreppe zur alten Kohlenwäsche.
Das Original-Trikot des Essener WM-Helden von 1954 wird als Leihgabe im Ruhr Museum ausgestellt. Es befindet sich für den Transport mit der Figurine gut und sicher verpackt in einem Karton. Sascha Göpel und Manuel Neukirchner nehmen den Weg über die große Rolltreppe zur alten Kohlenwäsche. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

An diesem Freitagmittag (28. April) tritt das textile Juwel mitsamt der Figurine gut verstaut in einem großen Karton seine Reise über die A 40 nach Essen an. Normalerweise ist es im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund zu sehen – in der „Helden von Bern“-Abteilung. Für die Fußballausstellung auf Zollverein kommt es als Leihgabe in Helmut Rahns Heimatstadt zurück. Und erfreut sich im kleinen Kabinett gleich am Anfang der Ausstellung bester Gesellschaft: Denn direkt daneben steht die „Kurze 15“, die legendäre Kumpel-Bronzefigur aus dem Essener Georg-Melches-Stadion. Eine königsblaue Fan-Kutte und Jürgen Klopps Pöhler-Kappe aus BVB-Zeiten werten das Kabinett zusätzlich auf.

Um die Emotionalität dieser Rückkehr zu steigern, haben sich die Museumsleute aus Dortmund und Essen etwas Besonderes einfallen lassen: Sie werden bei der Tour durchs Revier begleitet von Sascha Göpel, der in Essen aufgewachsen ist und in Sönke Wortmanns Kinofilm „Das Wunder von Bern“ in die Rolle des WM-Helden schlüpfte.

Im „Wunder von Bern“ hat der in Essen aufgewachsene Schauspieler Sascha Göpel den Essener WM-Star und Doppel-Torschützen Helmut Rahn gespielt.
Im „Wunder von Bern“ hat der in Essen aufgewachsene Schauspieler Sascha Göpel den Essener WM-Star und Doppel-Torschützen Helmut Rahn gespielt. © CINETEXT | Cinetext Bildarchiv

Als der Schauspieler im Ruhr Museum die Figurine mit Rahns Kult-Trikot auspackt, springt sofort das Kopf-Kino an. „Ich erinnere mich gut an die Dreharbeiten vor zwanzig Jahren, ich war damals 21 und es war mein allererster Kinofilm.“ Dass Sönke Wortmann ausgerechnet den unbekannten Schauspielschüler aus Essen für eine der Hauptrollen auswählte, kam nicht von ungefähr. Denn Göpel verstand nicht nur etwas von der Film-, sondern auch von der Ballkunst. In seiner Jugend kickte er einst für den Rüttenscheider SC, später für Bayer Uerdingen, zwei Mal wurde er B-Jugend-Meister mit Rot-Weiss Essen. „Ich wollte eigentlich Fußballprofi werden“, erzählt Göpel. Die Fähigkeit, mit dem Ball umzugehen, sei die Eintrittskarte zum Film gewesen. „Sonst hätte ich die Rolle nie gekriegt.“

Legendärer Kommentar: „Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen, Rahn schießt . . .“

Die beiden Rahn-Söhne Uwe (links) und Klaus-Peter vermachten dem Deutschen Fußballmuseum 2014 den linken Fußballschuh, mit dem ihr Vater 1954 Deutschland sensationell zum WM-Titel schoss.
Die beiden Rahn-Söhne Uwe (links) und Klaus-Peter vermachten dem Deutschen Fußballmuseum 2014 den linken Fußballschuh, mit dem ihr Vater 1954 Deutschland sensationell zum WM-Titel schoss. © WAZ Fotopool | Dietmar Wäsche

Man muss nicht fußballbesessen sein, um Helmut Rahns Trikot zu kennen. Die Fernsehbilder aus Bern, unterlegt mit der legendären Reportage des Hörfunk-Reporters Herbert Zimmermann („Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen, Rahn schießt . . .“), haben sich in das kollektive Gedächtnis der Nation eingebrannt. Zwei Dinge fallen dem Betrachter am schwarz-weißen Trikot besonders auf: das relativ große Adler-Emblem des Deutschen Fußball-Bundes und die markante Lochschnürung. Am Rücken ist der dichte Baumwollstoff bräunlich gefärbt. Ist das noch der braune Matsch vom Spielfeld des Wankdorf-Stadions? Bekanntlich hat es damals in Strömen geregnet: das berühmte Fritz-Walter-Wetter. „Das Trikot ist in konservatorischer Hinsicht in einem guten Zustand“, sagt Melanie Dropmann, die Chefrestauratorin des Ruhr Museums.

Die Größe des textilen Exponats schätzt sie nach heutigem Maßstab eher auf „M“ als auf „L“. Hat der mediale Ruhm die Helden von Bern größer erscheinen lassen, als sie in Wirklichkeit waren? Das Trikot wirkt überraschend zierlich. Dabei war Helmut Rahn 1,78 Meter groß und auf der Rechtsaußen-Position damals einer der torgefährlichsten Stürmer seiner Zeit. In 40 Länderspielen erzielte er 21 Tore, davon die beiden wichtigsten im Wankdorf-Stadion gegen die hochfavorisierten Ungarn. Als er 2003 starb, sagte Bundespräsident Johannes Rau: „Helmut Rahn war ein Boss auf dem Platz – und ein bescheidener Mensch außerhalb des Spielfelds.“

Manuel Neukirchner erinnert daran, dass der Bergmannssohn Helmut Rahn vor seiner Glanzzeit bei Rot-Weiss Essen und in der deutschen Nationalelf nicht weit vom Ort der Ausstellung Fußball gespielt hat, nämlich bei den Sportfreunden Katernberg. Und er vermutet: „Der Boss wäre froh, wenn er das Trikot in der Ausstellung sehen könnte.“ Für den Museumsleiter steht fest, dass Rahn nicht nur Fußball-, sondern auch Nachkriegsgeschichte geschrieben hat. Für ihn gibt es drei Gründungsväter der Bundesrepublik: Neben Bundeskanzler Konrad Adenauer für die Politik und Ludwig Erhard als Schöpfer des Wirtschaftswunders sei Helmut Rahn der emotionale Gründervater.

Sascha Göpel über das Film-Trikot: „Seit den Dreharbeiten wurde es nicht gereinigt“

Das Rahn-Trikot befindet sich erst seit drei Jahren im Besitz des Deutschen Fußballmuseums. Schon 2013 hatten die beiden Rahn-Söhne dem Museum den linken Fußballstiefel vermacht, mit dem er 1954 den Siegtreffer erzielt hatte. Dass es das Trikot noch gab, war lange nicht bekannt.

Wie sich herausstellte, hatte Helmut Rahn einem Enkel zwei Trikots angeboten: eines von Borussia Dortmund, das andere vom WM-Finale. Der Enkel entschied sich für das mythische mit dem schwarzen Adler und überreichte den Schatz viele Jahre später dem Fußballmuseum.

Sascha Göpel, der Rahn-Darsteller, besitzt das schwarz-weiße Kult-Trikot mit der Rückennummer 12 ebenfalls – wenn auch nur als Replik und Filmkostüm. „Ich habe es seit den Dreharbeiten nicht mehr reinigen lassen, der Matsch vom Film-Finale ist immer noch dran.“

>>> INFO: Ausstellung läuft bis 4. Februar 2024

  • Die Fotografie-Ausstellung „Mythos & Moderne. Fußball im Ruhrgebiet“ läuft vom 8. Mai bis zum 4. Februar 2024 auf Zollverein in Essen. Zu sehen ist sie im Ruhr Museum in der Kohlenwäsche.
  • Die Öffnungszeiten sind Montag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr.
  • Tickets gibt’s unter tickets-ruhrmuseum.de - Eintritt: zehn Euro (ermäßigt sieben Euro); Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Schüler und Studierende unter 25 Eintritt frei.
  • Mehr Infos über das Rahmenprogramm auf ruhrmuseum.de/spielplan

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