Essen. Laut Kulturstaatsministerin Roth haben „neue Erkenntnisse“ Düsseldorf als Sitz des Bundesfotoinstituts nahegelegt. „Nebelkerze“, sagt die CDU.

Zum strittigen Thema Bundesfotoinstitut hat Kulturstaatsministerin Claudia Roth in einem Brief an den Essener CDU-Bundestagsabgeordneten Matthias Hauer nicht näher genannte „neue Erkenntnisse“ ins Feld geführt, die eine Vergabe des Instituts nach Düsseldorf zur Folge hatten. Diese „Erkenntnisse“ seien in den letzten drei Jahren im Rahmen einer „lebendigen Debatte“ und eines „intensiven Austauschs der fotografischen Fachöffentlichkeit“ entstanden. Roth zufolge habe man deshalb bei den Empfehlungen zweier Expertengutachten, die deutlich die Stadt Essen favorisiert hatten, „nicht stehen bleiben“ dürfen.

„Es gibt keine neuen Erkenntnisse, und Frau Roth kann sie deshalb auch nicht benennen“

Matthias Hauer empfindet diese Aussagen der Kulturstaatsministerin der Bundesregierung als „Nebelkerze“, um eine Fehlentscheidung der Ampelkoalition zu kaschieren: „Es gibt schlicht keine neuen Erkenntnisse, und Frau Roth kann sie deshalb auch nicht benennen.“ Nach den Expertengutachten, die Essen klar favorisierten, habe es keine neuen Studien gegeben, die die früheren hätten korrigieren können.

Das freie Grundstück vor der Folkwang-Universität der Künste auf dem Zollverein-Gelände war für das Bundesfotoinstitut vorgesehen. In Düsseldorf gibt es bisher noch keinen geeigneten Standort.
Das freie Grundstück vor der Folkwang-Universität der Künste auf dem Zollverein-Gelände war für das Bundesfotoinstitut vorgesehen. In Düsseldorf gibt es bisher noch keinen geeigneten Standort. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Service | Hans Blossey

Roths Brief an Hauer enthält aber einen Fingerzeig, der auf die wahre Motivlage der Entscheidung hindeuten könnte. Mit dem Beschluss zur Gründung eines Bundesfotoinstituts würdige der Bundestag „nicht nur eine vielbeachtete zeitgenössische Kunstform, sondern zugleich die prägenden Verdienste zahlreicher bedeutender Fotografinnen und Fotografen, deren Lebens- oder Schaffensmittelpunkt in Deutschland verortet ist“, heißt es. In Essen wird vielfach die erfolgreiche Lobbyarbeit des Star-Fotografen Andreas Gursky für die Entscheidung pro Düsseldorf vermutet. Gursky hat in der Landeshauptstadt seinen Lebensmittelpunkt, er könnte hier gemeint sein.

Hauer hatte Claudia Roth zuvor in seinem Brief eindringlich aufgefordert, „die Standortfrage für das Deutsche Fotoinstitut allein nach Sacherwägungen zu entscheiden“. Roth verbat sich diesen Vorwurf, mehr als die ebenso allgemeinen wie ominösen „neuen Erkenntnisse“ findet man in ihrer rechtfertigenden Antwort dann allerdings nicht. Hauer bleibt daher bei seiner Ansicht, dass die Sachlage unverändert für Essen spricht.

Versagt haben aus Hauers Sicht vor allem die in Essen und im Ruhrgebiet gewählten Bundestagsabgeordneten von SPD und Grünen, die auf Entscheidungen der Bundesregierung schon im Vorfeld ganz anders hätten Einfluss nehmen können als Politiker der oppositionellen CDU. „Im Haushalt des Bundes, den die Ampelkoalition verabschiedet hat, steht nun jedenfalls leider, dass das Fotoinstitut nach Düsseldorf kommt“, so Hauer. Er habe auch wegen dieser sachlich verfehlten Festlegung gegen den Haushalt gestimmt, was aber an dessen Verbindlichkeit nichts ändere.

Allerdings darf nicht ganz in Vergessenheit geraten, dass der duellhafte Prozess zur Gründung des Instituts noch unter einer CDU-geführten Bundesregierung begann, nicht zuletzt soll bereits der frühere NRW-Ministerpräsident Armin Laschet Düsseldorf aufs Gleis gesetzt haben. Und Roths Vorgängerin als Kulturstaatsministern, Monika Grütters (CDU), hat es eben auch nicht vermocht, Essen frühzeitig ins Ziel zu hieven, obwohl sie die Stadt auf Basis der Gutachten für geeigneter hielt. So köchelte die Angelegenheit lange ungeklärt vor sich hin.

Bürgerinitiative wirft Roth Verletzung der Amtspflichten vor

Schwere Vorwürfe gegen Staatsministerin Claudia Roth erhebt die Essener „Bürgerinitiative Deutsches Fotoinstitut“. Roth habe schlicht ihre Amtspflichten verletzt, als sie in Kenntnis der Gutachten pro Essen und unter Nichtbefassung des Bundestags-Kulturausschusses dennoch Düsseldorf als Standort forcierte. Nun versuche Roth mit wechselnden Begründungen nachträglich eine Entscheidung zu rechtfertigen, die unsachgemäß sei und es auch bleibe, so Initiativen-Sprecher Axel Wiesener. „Bedauerlicherweise sitzen selbst Berufspolitiker dieser Finte auf.“

Bei aller Kritik: CDU-Politiker Hauer sieht anders als die Bürgerinitiative keine realistische Chance, den Bundestagstagsbeschluss nachträglich noch einmal umzudrehen. Vielmehr müsse es im weiteren Prozess jetzt vor allem darum gehen, dass Essen substanziell beteiligt wird und nicht nur als Lieferant von Fotografien aus den großen hiesigen Archiven und Sammlungen diene. „Es sollte uns in Essen nicht genügen, nur Expertise beizusteuern für etwas, das dann ausschließlich in Düsseldorf stattfindet“, so Hauer. Nirgendwo stehe geschrieben, dass Institutsgebäude und Ausstellungsflächen nur in der Landeshauptstadt entstehen könnten. Hier müsse auch Essen beteiligt werden.