Essen. Kinder aus ganz Essen sprechen darüber, was Armut für sie bedeutet. Manche haben spannende Ideen, wie sich die Situation ändern könnte.
Was bedeutet Armut für Kinder und Jugendliche? Was verbinden sie damit? Wie wirkt sie sich aus? Erkennt man, wenn Mitschüler weniger Geld haben? Wer kann was daran ändern und was könnte das sein? Wir haben Kinder und Jugendliche aus ganz Essen – dem Norden und dem Süden – nach ihrer Meinung gefragt.
Juliana Schmidt, 18, aus Altenessen
„Wenn Menschen die finanziellen Mittel für lebenswichtige Dinge wie Lebensmittel, Kleidung und Heizkosten fehlen, sind sie arm. Statistiken zeigen, ab welchem Einkommen man als arm gilt, aber ich finde, das muss man situationsbedingt betrachten. Menschen sind meiner Meinung nach arm, wenn Angst ein Faktor spielt. Wenn man Angst ums Überleben hat, Angst hat, Geld auszugeben oder Kinder in der Schule Angst haben, für ihre Eltern eine Last zu sein, wenn Kosten für eine Klassenfahrt anfallen zum Beispiel.
Diese Ängste gibt es auf jeden Fall auch bei Kindern in Essen. Es gibt auch hier viele, die unter minimalen Lebensbedingungen leben. Ich kenne definitiv einige. Bei Mitschülern erkennt man das manchmal durch weniger Hygiene oder ältere Kleidung, aber auch durch schlechte Noten, weil, oft sind das Kinder, die mit vielen Leuten auf engem Raum leben und dann nicht lernen können oder keine Privatsphäre haben. Das schlägt dann auf die Psyche, ich merke das bei manchen Mitschülern.
Um das zu ändern, muss eigentlich erstmal den Eltern geholfen werden und dafür ist der Staat verantwortlich. Kindern mit weniger Geld kann man die Möglichkeit der Freizeitgestaltung geben. Ich bin im Jugendwerk aktiv, wir bieten verschiedene Aktivitäten an. Grundlegend etwas an der Situation zu ändern, ist aber auf jeden Fall schwierig.“
Kinderarmut in Essen: 14-Jährige findet, jeder kann etwas daran ändern
Beatrix, 14, aus Stoppenberg
„Ich finde, Armut ist ein Oberbegriff für Menschen, die alles in ihrem Leben verloren haben. Menschen, die vielleicht auch da reingeboren wurden, die es nicht schaffen, sich Essen zu kaufen, weil sie zu wenig Geld haben und total abgehungert sind oder sich keine dem Wetter angemessene Kleidung kaufen können. Arm sind aber auch diejenigen, die keine Familie oder Freunde haben, die sie unterstützen. Dann ist man glücklichkeitsarm.
Bei Mitschülern kann man das nicht wirklich erkennen, aber wenn man richtig hinguckt, könnte man es sehen. Markenklamotten sind zum Beispiel sehr in, und wenn man weiß, dass die welche haben wollen, aber nicht das Geld dazu haben, dann würde man es erkennen, aber man müsste schon explizit darauf achten.
Es müsste etwas an der Kinderarmut geändert werden. Das könnte die Politik tun, aber auch jeder Mensch, der auf dieser Erde lebt. Man muss es wollen und den Mut aufbringen. Man könnte zum Beispiel mehr Essen zur Verfügung stellen, das nicht verkauft wurde. Beim Bäcker wird oft so viel weggeschmissen. Das könnte man einfach draußen hinstellen und Obdachlose und Leute, die nicht so viel Geld haben könnten sich das für sich, ihre Kinder oder auch ihre Tiere nehmen.
Viele Menschen spenden ja auch schon, aber oft ist das Kleidung, die sie sonst wegschmeißen würden. Es wäre schlauer, nicht den eigenen Müll abzuladen, sondern sinnvolle Sachen wie warme Decken zu spenden. Die Politik sollte da mehr hinterstehen und den Menschen helfen.“
Kinderarmut in Essen: Neunjährige findet, die Reichen sollten mehr teilen
Lucia, 9, aus Heisingen
„Menschen, die kein Geld haben, sind arm. Man merkt das, wenn die betteln gehen oder wenn sie keine Wohnung haben. Bei Kindern merkt man das eigentlich nicht. Manchmal ist es ungerecht, wenn eine Familie zum Beispiel ganz wenig Geld hat, obwohl sie viel arbeitet und dann nicht ins Schwimmbad gehen kann. Man kann das aber ändern, wenn die Reichen den Armen Geld abgeben würden. Weil, neues Geld druckt die Regierung meistens nicht. Das machen die ja nicht einfach, weil manche wenig Geld haben.“
Lasse, 8, aus Stadtwald
„Armut bedeutet, dass man sehr sehr wenig Geld und nicht so ein tolles Leben hat. Die Menschen haben nicht viel zu essen und können nicht so viel unternehmen. Reiche Kinder können viel mehr als arme unternehmen, aber ob sie glücklicher sind, das weiß man nicht. Ich kann es mir aber nicht vorstellen. Vielleicht hat jemand aus meiner Klasse oder Freunde von mir weniger Geld als wir, aber ich sehe es nicht direkt. Ein Kind nimmt bei uns in der Schule nur an einem Tag am Mittagessen teil. Ich weiß aber nicht, ob er das Essen sonst nicht mag, oder ob die Mama sich das nicht leisten kann.“
Kinderarmut in Essen: Elfjähriger findet, man merkt es am Aussehen
Levi, 11 (Name geändert)
„Armut ist, wenn Leute nicht genug Geld haben, vernünftiges Essen zu kaufen, in ordentlichen und sauberen Wohnungen zu leben und nicht genug Geld haben, sich Wünsche zu erfüllen. Dazu gehören zum Beispiel Ausflüge oder Geschenke oder ins Kino zu gehen oder in die Trampolinhalle. Man merkt das am Aussehen, weil, wenn man nicht so viel Geld hat, kauft man Essen mit Sattmachern und manchmal sind die Leute deswegen übergewichtig.
Es gibt viele arme Kinder in Essen. Einer ist ein sehr guter Freund von mir. Als ich dort war, gab es einfach nur Pommes mit Ketchup und kein Gemüse oder leckeres Fleisch. Arme Kinder tragen oft die gleichen Klamotten. Manche haben auch Probleme in der Schule und die Eltern können keine Nachhilfe bezahlen. Kinder, deren Eltern Geld haben, bekommen sofort die Förderung, die sie benötigen.
An der Situation etwas ändern können hauptsächlich die Eltern. Die müssen vernünftig arbeiten gehen und Geld verdienen. Dafür müssen die Eltern aber auch Deutsch sprechen. Bei meinem Freund ist es so, dass die Mutter nicht arbeiten gehen kann, weil sie nur Arabisch spricht.“
Inja 11 aus Werden
„Man merkt, dass jemand arm ist, wenn er oft die gleichen Klamotten trägt und sich nicht so viel kaufen kann. Ich kenne keine armen Kinder in Essen, bin mir aber ziemlich sicher, dass es welche gibt. Reiche Kinder sind aber nicht unbedingt glücklicher, es kommt ja drauf an, was man aus seinem Leben macht. Die Eltern müsste man aber unterstützen, damit es nicht so viele arme Kinder gibt.“
Kinderarmut in Essen: 16-Jähriger glaubt, es wird immer Spaltung der Gesellschaft geben
Noah,17, aus Heisingen
„Wenn ich an Armut denke, dann denke ich als erstes an Menschen, die kein Obdach mehr haben. Aber natürlich ist das viel mehr wie zum Beispiel Menschen, die einfach nicht mehr hinterher kommen mit dem Bezahlen, weil sie vielleicht nicht genug Zeit haben, um fulltime zu arbeiten und vielleicht auch noch Kinder haben und alleinerziehend sind. Ich bin mir sicher, dass es in Essen Armut gibt. Ich wohne allerdings im Süden von Essen, wo das sehr wenig ist. Eine Möglichkeit zu finden, dass Menschen nicht in Armut leben müssen, ist eine sehr schwierige Sache. Der Staat müsste Menschen, die vielleicht in der Arbeit eingeschränkt sind, besser unterstützen.“
Miguel Beck, 17
„Ich kenne einen achtjährigen Jungen, der ein Therapiezentrum besucht. Ein Arzt dieser Einrichtung ist ein Bekannter von mir welcher mir erzählt hat, dass der Junge aus der Küche von Zeit zu Zeit Lebensmittel mitnimmt, weil seine Familie nicht genügend Geld für Lebensmittel besitzt. Als ihm das Angebot unterbreitet wurde offen Essen mit nach Hause zu nehmen, weigerte der Junge sich. Es war ihm unangenehm offen zuzugeben dass seine Familie nicht genügend Geld für etwas zu Essen zu Hause hat. Nun legt die Einrichtung eine Art Lunchpaket für den Jungen bereit welches er dann unbeobachtet mitnehmen kann.“
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Tu Linh Tong (Name geändert), 16
„Kinder aus wohlhabenderen Familien können sich mehr materielle Dinge leisten und dadurch für einen geringen Zeitraum glücklich sein. Doch meistens machen materielle Dinge nicht für einen langen Zeitraum glücklich. Niemand kann wirklich etwas daran ändern, dass es ärmere Kinder gibt. Es wird immer eine Spaltung der Gesellschaft geben. Was man ändern könnte wäre eventuell, dass man nicht sofort Vorurteile gegen andere Personen äußert, ohne sie wirklich zu kennen.“
Kinderarmut in Essen: 16-Jähriger beobachtet, dass Betroffene Scham empfinden
Jan Hermes (Foto)
„Ich finde, dass es leider zu viele arme Kinder in Essen gibt. Manchmal verhalten sich Kinder, die in Armut leben, anders als ihre Mitschüler, zum Beispiel indem sie schüchtern oder zurückhaltend sind oder sich aus sozialen Aktivitäten zurückziehen, weil sie sich finanziell nicht leisten können, daran teilzunehmen. Allerdings sollte man bei solchen Anzeichen vorsichtig sein und nicht voreilige Schlüsse ziehen, da es auch andere Gründe für dieses Verhalten geben kann.
Karl Johanning, 16
„Ich glaube, dass der Anteil armer Schüler an unserer Schule klein ist und gerade deshalb Betroffene oft nicht um Hilfe bitten. Sie empfinden Scham. So kommt es dazu, dass eher gesagt wird, man habe keinen Hunger, anstatt, dass man das Essen nicht bezahlen kann. Wichtig ist, Offenheit zu schaffen. Wenig Geld zu haben darf kein Tabuthema mehr sein. Geld und Einkommen muss zu einem in der Gesellschaft zentralen Thema werden. Der Spruch „Über Geld redet man nicht“ muss aussterben.“
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