Essen. Bei der Caritas Essen sind die Frauen in der klarer Überzahl, haben aber kaum Chefposten. Der Caritasdirektor erklärt, wie man das ändern will.

Unter dem Dach des Caritasverbandes Essen firmieren 21 verschiedene Träger und Vereine von der Flüchtlingshilfe über den Malteser Hilfsdienst bis zur Contilia, die Krankenhäuser und Seniorenheime betreibt. Allen Bereichen gemein ist, dass dort überwiegend Frauen arbeiten – doch an der Spitze finden sich vor allem Männer.

Zuletzt spiegelte sich das beim 125-jährigen Bestehen: Fünf Männer in Leitungsfunktionen zeigt das Bild zum Jubiläum. Im Ringen um Fachkräfte sendet es die Botschaft: Bei uns kannst Du pflegen, kümmern, erziehen – Chefin wirst Du eher nicht. „Das Foto spitzt die Realität unglücklich in eine Richtung zu“, sagt Caritasdirektor Björn Enno Hermans dazu. „Aber es stimmt, dass wir da dranbleiben müssen.“

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Die Zahlen sprechen für sich: Von den 15.000 Beschäftigten bei den 21 „korporativen Mitgliedern“ des Caritasverbandes sind rund 80 Prozent Frauen. Bei der Contilia sind es 76 Prozent, beim Sozialträger CSE 79 Prozent, „unter 70 Prozent hat kaum jemand“, fasst Hermans zusammen. Trotzdem hat nur knapp ein Drittel der Träger eine weibliche Führung: Bei zweien sind Frauen zumindest mit im Leitungsteam, bei lediglich fünf haben ausschließlich Frauen die Chefposten. Zum Beispiel im Kita-Zweckverband, bei dem allerdings auch stolze 95 Prozent der Angestellten weiblich sind.

Auch beim Sozialdienst katholischer Frauen ist ein Mann Geschäftsführer

Das für die Außenwirkung womöglich fatale Foto hätte also etwas anders ausgesehen, wenn die komplette Führungsriege an dem Termin hätte teilnehmen können, argumentiert Hermans. Eine Etage tiefer, bei den Prokuristen und Fachbereichsleitungen gebe es schon ein Geschlechterverhältnis von 50:50. „Und die dritte Leitungsebene ist deutlich weiblicher“, sagt Hermans. „Da ist schon viel in Bewegung.“ So werde die Stiftung St. Ludgeri seit einiger Zeit von einer Frau geleitet, die den Posten mit 27 Jahren antrat.

Ob diese Personalie als ermutigendes Signal an junge Frauen reicht? Schließlich kann auch Hermans die aktuelle männliche Übermacht nicht bestreiten: Er selbst ist nicht nur Caritasdirektor, sondern auch Geschäftsführer des Sozialdienstes katholischer Frauen (!). Der SKF habe immerhin einen rein weiblichen Vorstand: „Und die drei Frauen haben mich ausgesucht.“

30 Männer und eine Frau bewarben sich auf den Chefposten

Dass auch an anderen Stellen immer noch Männer das Rennen machen, liege auch an den Bewerbungen: „Wir hatten bei der CSE 30 Männer und eine Frau, die sich beworben haben.“ Bei gleicher Eignung hätte man die Geschäftsführer-Stelle gern mit einer Frau besetzt, so kam es anders. Generell gebe es auch für Spitzenpositionen im sozialen Bereich viel mehr Bewerbungen von Männern. „Wir müssen uns die Frage stellen, warum so wenige Frauen ihren Hut in den Ring werfen.“

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Vielleicht seien auch sie zum Teil gedanklich noch in alten Strukturen verhaftet, fragt sich Hermans. Vielfach liege es vermutlich an der fehlenden Vereinbarkeit „von Familie und Spitzenjob“. Hier könnten der Caritasverband und seine Träger konkret etwas tun, indem man auch bei hohen Positionen Jobsharing anbiete. „Vielleicht sollten wir offensiv in Bewerbungen schreiben: ,Auch in Teilzeit besetzbar’.“

Eine Frauenquote hat der Caritasverband nicht

Die Bereitschaft zum Wandel gebe es, betont Hermans. Eine Quote gibt es dagegen nicht. Und dass die Frauen beim Foto zum 130-jährigen Caritas-Bestehen schon in der Mehrheit sind, ist eher unwahrscheinlich. „So schnell geht das natürlich nicht: Diejenigen, die die Positionen jetzt inne haben, werden wohl noch länger bleiben.“