Essen-Kettwig. Eindeutige Entscheidung im Planungsausschuss: Das Icktener Bachtal soll bebaut werden. Warum die SPD dafür stimmt und wie die IG Ickten reagiert.

Gekämpft, über Jahre hinweg, und dann dieses Ergebnis: Die Interessengemeinschaft (IG) Ickten musste am Donnerstag (15. September) auf der Zuhörerempore im Essener Ratssaal miterleben, wie die Mitglieder des Ausschusses für Stadtentwicklung, -planung und Bauen (ASPB) dem Bebauungsplan „Icktener Straße (ehemals Tennisanlage)“ zugestimmt haben. Lediglich die Tierschutzpartei und die Linken votierten dagegen, die AfD enthielt sich der Stimme.

„Eine Katastrophe“, kommentiert Gunter Zimmermeyer, erster Vorsitzender der IG Ickten, den Beschluss, der nun als Empfehlung an den Stadtrat geht. Dieser entscheidet am 28. September über die Sachlage.

Demonstration mit Megafon vor dem Rathaus

Einige Mitglieder der IG Ickten und Estelle Fritz, Sprecherin des Bündnisses Grüne Lungen Essen, hatten vor der Sitzung des Fachgremiums am frühen Nachmittag nochmals Flagge gezeigt: mit Plakaten und Bannern vor dem Rathaus. Mit dem Steigerlied und per Megafon machten sie ihrem Unmut Luft: „Die Grünen und die CDU, betonieren Ickten zu!“

Da waren die Icktener noch davon ausgegangen, dass ihnen zumindest die Sozialdemokraten den Rücken stärken würden. Immerhin hatte die SPD-Fraktion bei der vorhergehenden ASPB-Sitzung Anfang September wegen Beratungsbedarfs eine Vertagung des Tagesordnungspunktes „B-Plan ehemalige Tennisanlage“ beantragt.

Im Laufe von zwölf Jahren zugewachsen: das Gelände des ehemaligen Tennisplatzes in Kettwig-Ickten.
Im Laufe von zwölf Jahren zugewachsen: das Gelände des ehemaligen Tennisplatzes in Kettwig-Ickten. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Der Grund: Die Genossen aus der Bezirksvertretung IX hatten sich gegen den Bebauungsplan ausgesprochen. SPD-Vertreter Heinz Schnetger hatte damals auf die Vielzahl der Einsprüche gegen eine Bebauung hingewiesen. Auch fehle die Verhältnismäßigkeit: „Für höchstens 30 Wohnungen wurde hier ein unerträglicher Aufwand getrieben. Man muss vorgenutzte Flächen nicht weiternutzen, man kann den Icktener Bach renaturieren.“

Das war selbst für den Vorsitzenden überraschend

Am Donnerstag im Rathaus ergriff hingegen keiner aus der SPD-Fraktion das Wort. Während Holger Ackermann (Tierschutzpartei) und Wolfgang Freye (Die Linke) Plädoyers für den Erhalt des auf der Brache entstandenen Grünzuges hielten, auf vier Dürresommer, Klimaveränderungen und „den unschätzbaren Wert eines solchen Bachtals für den Stadtteil Kettwig“ hinwiesen, schwieg sich die SPD aus.

Am Gelände, auf dem inzwischen ein richtiger Wald entstanden ist, führt der Kettwiger Panoramasteig vorbei.
Am Gelände, auf dem inzwischen ein richtiger Wald entstanden ist, führt der Kettwiger Panoramasteig vorbei. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Das fiel selbst dem Ausschussvorsitzenden Guntmar Kipphardt (CDU) auf. „Angesichts der Bedenken, die die SPD in der BV vorgetragen hatte, habe ich anderes erwartet.“ Überaus überrascht sei er dann auch gewesen, dass die SPD anschließend mit CDU und Grünen für den Bebauungsplan stimmte.

SPD stellte Argumente auf den Prüfstand

Wie kommt das zustande? Philipp Rosenau, planungspolitischer Sprecher der SPD-Ratsfraktion, ist sich des „etwas schiefen Eindrucks“ bewusst. Die ablehnende Haltung der SPD-Fraktion in der BV habe sich nicht geändert, wohl aber die Bewertung der SPD auf Ratsebene. „Wir haben nach der Verschiebung des Themas im ASPB nochmals eingehend über das Thema gesprochen und die Argumente auf den Prüfstand gestellt.“

Einbezogen worden sei auch das Klimagutachten, das die Stadt Essen in Auftrag gegeben hatte und dessen Ergebnisse kürzlich bekannt gemacht wurden. „Gerade diese Klimaanalyse hat für das Icktener Bachtal nämlich festgestellt, dass dies für Kettwig eines der wenigen Gebiete ist, wo aus rechtlicher Sicht eine maßvolle Nachverdichtung möglich ist“, erklärt Rosenau und widerspricht damit der Argumentation der IG Ickten.

Änderung des Flächennutzungsplanes ausschlaggebend

Anders habe es ausgesehen, als das Gebiet noch Landschaftsschutzgebiet gewesen sei. Doch durch die Änderung des Regionalen Flächennutzungsplanes im Dezember 2019 sei die Fläche der ehemaligen Tennisanlage neu zu bewerten gewesen, so Rosenau.

Zur Erinnerung: Der Rat der Stadt, damals bestehend aus einer CDU-SPD-Koalition, hatte mehrheitlich die Änderung des Flächennutzungsplanes beschlossen. Die Grünen, damals noch in der Opposition, stimmten dagegen. Inzwischen sind die Grünen im Stadtrat in der Verantwortung und sprechen sich für eine Bebauung in Ickten aus – auch mit Hinweis darauf, dass die Fläche durch eine Nutzung bereits versiegelt sei.

IG Ickten verweist auf den Rechtsweg

Doch zurück zur SPD: „Wir müssen die gesamtstädtischen Belange im Blick haben“, argumentiert Philipp Rosenau und weist eine oft unterstellte unterschiedliche Bewertung von „Nord und Süd“ im Stadtgebiet zurück. „Natürlich gibt es innerhalb der Partei unterschiedliche Meinungen zum Icktener Bachtal, aber als Fraktion müssen wir ein einheitliches Bild abgeben.“ Mehrheitlich sei abgestimmt worden: Die Entscheidung fiel für eine positive Annahme des von der Bauverwaltung der Stadt vorgestellten Bebauungsplanes.

Für die IG Ickten, die sich seit 2017 für den Erhalt der Brachfläche einsetzt, ist dies und auch die damit abzusehende Entscheidung im Rat nicht das Ende. „Die Bürger werden nie vergessen, wie man mit ihrer Umwelt umgeht und wie in den Programmen der Parteien gelogen wird. Der Rechtsweg steht uns offen“, erklärt Gunter Zimmermeyer.