Essen-Rüttenscheid. Die Klimaanalyse der Stadt warnt vor hohen Temperaturen in Rüttenscheid. Grund: Hohe Versiegelung und wenig Grün. Es gibt aber auch Lösungsideen.
- Die aktuelle Klimaanalyse der Stadt Essen liest sich wenig rosig für Rüttenscheid: Es ist die Rede von großen Grünraumdefiziten und starker Versiegelung.
- Auch der Grugapark hat laut Analyse keine nennenswerten Auswirkungen auf das Klima in Rüttenscheid.
- Es gibt aber auch konkrete Lösungsvorschläge – zum Beispiel für Orte, an denen man Bäume pflanzen könnte.
Die Vorlage aus dem Beschwerdeausschuss mutet etwas kurios an. Eine Bürgerin fordert die Stadt auf zu untersuchen, ob man die Verbindung zwischen Messeparkplatz P2 und Grugapark – heute ein Fahrradweg – zu einer „Luftleitbahn“ umgestalten könnte, um die Klimaverhältnisse in Rüttenscheid zu verbessern. Nach langer Ausführung kommt die Stadt in ihrer Stellungnahme zu dem nicht weniger bemerkenswerten Fazit: „Der Stadtteil Rüttenscheid ist insgesamt so dicht bebaut, dass eine klimatische Aufwertung nur in Verbindung mit Abrissen von Häusern geschehen kann.“
Diese zugegebenermaßen eher theoretische Diskussion wirft ein Schlaglicht auf die Debatte über das Klima in Rüttenscheid. Nicht zuletzt der Protest gegen den Neubau eines Schulgebäudes an der Rosastraße/Von-Einem-Straße zeigt, dass sich Bürgerinnen und Bürger zunehmend Sorgen machen, ihr Stadtteil könnte zu einer riesigen Hitzeinsel werden. Auch die jüngst erschienene Klimaanalyse, die die Stadt Essen beim Regionalverband Ruhr (RVR) in Auftrag gegeben hatte, bescheinigt Rüttenscheid einen hohen Versiegelungsgrad und geringen Grünanteil.
Analyse: Kaltluft aus dem Grugapark fließt nicht nach Rüttenscheid
Besonders dramatisch sieht es laut Analyse im Norden von Rüttenscheid aus. Diesem Bereich wird ein „großes Grünraumdefizit“ attestiert, „da dort keinerlei öffentlich zugängliche Park- und Grünflächen bestehen, die als lokale Klimaoasen von der Wohnbevölkerung aufgesucht werden können“. Unberücksichtigt bleibt hier allerdings offenbar der Stadtgarten, der sich unweit der nördlichen Stadtteilgrenze im Südviertel befindet.
Obwohl die Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtteilsüdens den Grugapark und den Stadtwald fußläufig erreichen können, gibt es auch für sie schlechte Nachrichten. Beiden großen Grünflächen könne keine „relevante thermische Ausgleichswirkung für die hochverdichteten Bebauungsstrukturen in Rüttenscheid zugesprochen werden“, so die Analyse. Denn kühle Luft aus dem Stadtwald dringe nicht nach Rüttenscheid vor, weil die Autobahn A52 das verhindere. Hier gibt es also auch keine ausreichende Luftleitbahn. Die Kaltluft aus dem Grugapark dagegen fließe Richtung Uniklinikum.
Wie kann man das Klima in Rüttenscheid verbessern? Analyse: Keine Bebauung mehr
Stadt: Luftleitbahn müsste 50 Meter breit sein
Laut Stadt Essen müssen klimarelevante Luftleitbahnen in Anlehnung an den heute noch anerkannten Richtwert von Mayer et al. (1994) eine Breite von mindestens 50 Metern und eine Länge von mindestens 1000 Metern aufweisen. Der Grugaradweg sei aber nur circa fünf Meter breit.
Dementsprechend müsste der Radweg nach Angaben der Verwaltung deutlich ausgeweitet und von Barrieren befreit werden, um eine klimarelevante Luftleitbahn herzustellen. Hierfür müssten aber zwischen Messeparkplatz P2 und Grugapark viele Bäume gefällt werden. Dies sei nach stadtklimatischer Einschätzung nicht zielführend.
Fazit der Analyse: Rüttenscheid leidet unter erhöhten bioklimatischen Belastungen und hohen bis sehr hohen nächtlichen Wärmeinseleffekten. Von einer Wärmeinsel spricht man, wenn die Temperaturen in der wärmeren Stadt und dem kühleren Umland auseinanderdriften. Ihr Maximum erreicht sie bei wolkenfreien und windschwachen Wetterbedingungen während der Nacht. Es handelt sich dabei um ein typisches Merkmal des Stadtklimas. Im Umfeld der Hauptverkehrsstraßen wie der Alfredstraße und der A52 können laut Analyse zudem erhöhte Immissionen von Luftschadstoffen und Lärm auftreten.
Was kann man also tun, um das Stadtklima in Rüttenscheid zu verbessern? Zu erst einmal: „Keine weitere Bebauung und Versiegelung“, empfiehlt die Analyse. Stattdessen solle man Rückbaumaßnahmen – wenn es denn einmal dazu kommt – als Chance begreifen, um mehr Grün ins Stadtbild zu bringen. Außerdem wird angeregt, insbesondere im Norden von Rüttenscheid „öffentlich zugängliche Klimaoasen“ entstehen zu lassen. Eine Empfehlung, die allerdings angesichts kaum verfügbarer Flächen nur schwer umzusetzen sein dürfte.
Stadt Essen: Messeparkplatz P2 kann nicht zur Luftleitbahn umgestaltet werden
Doch die Analyse hat auch Vorschläge parat, die im Kleinen zu verwirklichen sind. Dazu gehört die Ausweitung der Innenhofbegrünungen. Wenn es in verdichteten Innenhöfen keine Rückbaumöglichkeiten gebe, so die Autoren der Klimaanalyse, könne man Dächer und Fassaden begrünen. Für ein besseres Mikroklima könne man außerdem Schattenzonen schaffen – konkret zum Beispiel, in dem man Bäume auf dem Rüttenscheider Markt, dem Platz zwischen der Giradet- und der Wittekindstraße, den Messeparklätzen P1 und P3 und auf Schulhöfen pflanzt. Auch entlang der Alfredstraße könne man neue Straßenbäume pflanzen.
Eine Luftleitbahn vom Messeparkplatz P2 bis zum Grugapark zählt dagegen nicht zu den Vorschlägen. In ihrer Stellungnahme zur Beschwerde der Bürgerin erklärt die Stadt, dass dem Grugaradweg aktuell schon eine gewisse Funktion als Luftleitbahn zugesprochen werden könne. Verbreitern könne man ihn aber nicht sinnvoll, denn dafür müsste man wiederum Bäume fällen. Außerdem benötige die Messe ihren Parkplatz in Zukunft, was eine grundsätzliche Umgestaltung des Areals unmöglich mache. „Hinsichtlich stadtklimatischer Belange sollte das Ziel der Erhalt der bestehenden Grünflächen sein“, erklärt die Verwaltung.