Essen-Kettwig. Die Interessengemeinschaft Ickten hatte zur Besichtigung des Bachtals eingeladen. Die Politiker sollten sich zu Umwelt-Themen positionieren
Welche Haltung haben die Kandidaten für das Oberbürgermeisteramt in Essen zu den Themen Umweltschutz, Erhaltung von Freiflächen und Wohnbebauung? Die Interessengemeinschaft (IG) Ickten hatte fünf von ihnen zu einem Ortstermin auf die ehemalige Tennisanlage an der Icktener Straße eingeladen. Vier von ihnen kamen – und ließen sich durch das Icktener Bachtal führen.
Den Menschen in Ickten ist der Erhalt des Landschaftsschutzes entlang des kleinen Bachtals ein großes Anliegen. Lange haben sie gekämpft – und konnten doch den Ratsbeschluss vom Dezember 2019 zur Umwidmung in Bauland im Regionalen Flächennutzungsplan nicht verhindern. Hinnehmen wollen sie dies aber nicht.
Initiative will verstärkt Austausch mit den Bürgern fördern
Stattdessen engagiert sich die Interessengemeinschaft im Bündnis „Grüne Lungen für Essen“, in dem unter anderem auch Initiativen aus den Stadtteilen Katernberg, Bochold, Bredeney und Rüttenscheid vertreten sind. Die Themen Umwelt-, Natur- und Klimaschutz seien präsenter denn je, sagt Gunter Zimmermeyer von der IG Ickten. Die politischen Entscheidungen der aktuellen Legislaturperiode ließen jedoch häufig zu wünschen übrig, wie die aktuelle Umwidmung des Landschaftsschutzgebietes Ickten in Bauland zeige. „Unser Anliegen ist es, aufzuklären und den Austausch mit den Bürgern zu fördern.“ Die lokalen Erfordernisse sollten wieder in den Vordergrund gerückt werden, so Zimmermeyer.
Gerade im Kommunalwahlkampf gibt sich das Bündnis „Grüne Lungen für Essen“ daher kämpferisch. Wie sehr die Stadt Essen Grünflächen und vor allem den Wald als Ort brauche, um den aufgeheizten versiegelten Flächen etwas entgegen zu setzen, zeige dieser Sommer, verdeutlichte Estelle Fritz vom „Bündnis Grüne Lungen Essen“ in ihrem Statement – und forderte die Politiker auf, ihrerseits Stellung zu beziehen. Vier taten dies: Oliver Kern (SPD), Mehrdad Mostofizadeh (Grüne), Karlgeorg Krüger (FDP) und Daniel Kerekes (Linke). Amtsinhaber Thomas Kufen (CDU) kam nicht nach Ickten.
Baulücken schließen und den Altbestand erneuern
Letzterer hätte wohl keinen leichten Stand gehabt. Denn mehr oder weniger sehen die anderen OB-Kandidaten eine Bebauung des ehemaligen Tennisplatzes als nicht notwendig an, ja prangern sogar den Beschluss an, den Landschaftsschutz für eine mehr als vage Hoffnung auf bezahlbaren Wohnraum gekippt zu haben.
„Zunächst einmal die Baulücken im innerstädtischen Bereich zu schließen, ist unser Ziel“, erklärte Karlgeorg Krüger, Kandidat der Liberalen für das Amt des Oberbürgermeisters. Außerdem böte sich beispielsweise mit dem neuen Stadtteil Essen 51 eine gute Möglichkeit, nicht nur attraktiven und bezahlbaren, sondern ebenso umweltgerechten Wohnraum zu schaffen.
Wald erhalten und Bachlauf renaturieren
Bei der Führung durch das Icktener Bachtal (übrigens seit kurzem Teil des Kettwiger Panoramasteigs) machten die Icktener Bürger auf einen schon seit Jahren schlimmen Missstand aufmerksam: In den Bach mündet der Überlauf eines Regenrückhaltebeckens.
Dessen Versickerungsflächen reichten bei Starkregen nicht aus. So gelangten Fäkalien, Abfälle sowie Reinigungsmittel aus den Haushalten ungeklärt in den Bach. Ziel der IG Ickten sei es daher, nicht nur den Wald zu erhalten, sondern auf die Renaturierung des Baches zu drängen.
Für die SPD entschuldigte sich Spitzenkandidat Oliver Kern: Seine Partei habe die Entscheidung, den Regionalen Flächennutzungsplan für den Bereich Ickten zu ändern, mitgetragen. Statt Grünflächen mit neuen, unter Umständen viel zu teuren Wohnungen, zu bebauen, sei es doch wichtiger, das Augenmerk auf die Erneuerung des alten Wohnungsbestandes zu legen. Viele Immobilien seien „runtergerockt“, förderten dadurch soziale Missstände. Neubauten sollten dort realisiert werden, wo sie Naturraum nicht zerstörten. Das Icktener Bachtal bezeichnete er als „kleine Oase“.
Bündnis will die Politiker-Aussagen weiter kritisch begleiten
Sehr genau schauen, wo man neu bauen kann in der Stadt und wie man bauen kann, forderte Grünen-Kandidat Mehrdad Mostofizadeh. Wohnungsneubauten bedeuteten auch immer versiegelte Verkehrswege. Das Vorhaben der Grünen sei dagegen, weitere Flächen im Stadtgebiet zu entsiegeln, um den Folgen des Klimawandels auch in Essen entgegen zu wirken.
Dies hat auch die Linke im Blick: Seine Partei wende sich gegen die Bebauung von Grünzügen, sagte Daniel Kerekes. Er plädierte dafür, Bürger mehr in Planungen für Neubauten einzubeziehen. Die Erstellung eines Brachflächenkatasters sei dringend notwendig, um geeignetes Potenzial für Neubauten zu erkennen und klimatisch wichtige Grünschneisen besser zu schützen.
Für das Bündnis „Grüne Lungen für Essen“ ist klar: Welche Partei auch immer den Oberbürgermeister künftig stellt, man werde das Verhalten der Politiker anhand ihrer Aussagen kritisch begleiten – falls nötig, den Finger in die Wund legen.
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