Essen. Das Leben wird in Krisenzeiten immer teurer, das merkt man auch bei der Essener Tafel. Deren Chef, Jörg Sartor, sagt: „Jetzt brennt der Baum.“

  • An vielen Stellen sind die Preise gestiegen, die Lebenserhaltungskosten werden immer höher
  • In Essen merkt das auch die Tafel – die Nachfrage ist groß. Aktuell werden nur noch Bestandskunden aufgenommen
  • Der Vorsitzende der Essener Tafel sagt: „Jetzt brennt der Baum“

Die Nachfrage bei der Essener Tafel ist groß. So groß, dass längst nicht alle einen Platz bekommen, die einen wollen. „Ich habe es bereits vor ein paar Monaten gesagt: Im Herbst brennt der Baum“, sagt Tafel-Chef Jörg Sartor. Es sollte eher so weit sein. „Jetzt brennt der Baum, jetzt geht es los“, hieß es auf Anfrage unserer Redaktion. Die an vielen Stellen gestiegenen Preise, unter anderem bei Energie und Lebensmitteln, machen sich spätestens jetzt bemerkbar.

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Allein am Mittwochmorgen (10.8.) hätten 40 Menschen darauf gehofft, Lebensmittel ohne Anmeldung am Wasserturm zu bekommen. „14 Leute haben wir aufgenommen, das waren Bestandskunden. Viele haben wir wegschicken müssen“, erzählt Sartor.

Tafel Essen nimmt nur noch Bestandskunden auf

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Jörg Sartor und die anderen Ehrenamtlichen haben die undankbare Aufgabe, festzulegen, wer eine der begehrten Berechtigungskarten erhält. Der Vorstand habe sich Anfang des Monats darauf geeinigt, die wenigen freien Plätze aktuell nur noch an Bestandskunden zu vergeben – also diejenigen, die bereits in der Vergangenheit zur Essener Tafel gegangen sind. Auf der Webseite heißt es außerdem: „Sollten weitere Plätze frei werden, nehmen wir auch zusätzlich Rentner mit Grundsicherungsbescheid auf.“ Ist das fair?

„Was ist schon gerecht?“, fragt Jörg Sartor rhetorisch. „Wir können nur für uns entscheiden.“ Vergessen dürfte man bei alledem nicht, dass die Tafel keine staatliche Einrichtung ist, sondern ehrenamtlich betrieben wird. Und so ist es aktuell vor allem für die große Gruppe der Flüchtlinge aus der Ukraine ein Problem, berücksichtigt zu werden.

Tafel Essen: Genereller Aufnahmestopp galt bis August

Ein Blick zurück: Anfang Juni hatte man bei der Essener Tafel nach einem ersten generellen Aufnahmestopp im Mai gleich den nächsten verhängt – direkt für acht Wochen, also bis August. Diesen Termin hatten sich offenbar zahlreiche geflüchtete Menschen aus Ukraine gemerkt oder weitergegeben. Und so standen laut Jörg Sartor am 1. August, einem Montag, circa 120 Menschen vor der Tafel – davon 70 bis 80 aus der Ukraine, erzählt der Tafel-Chef. Insgesamt eine zu hohe Anzahl für die Kapazitäten der Einrichtung am Wasserturm an der Steeler Straße, weswegen man sich offenbar gezwungen war, eine andere Regelung zu finden. Und Sartor macht wenig Hoffnung, dass sich 2022 noch etwas an dem Vorgehen ändern wird, nur noch Bestandskunden aufzunehmen: „In diesem Jahr gibt’s wenig Hoffnung.“

Jörg Sartor, 1.Vorsitzender der Essener Tafel dazu, ob in diesem Jahr noch andere Menschen als Bestandskunden aufgenommen werden können: „In diesem Jahr gibt’s wenig Hoffnung.“
Jörg Sartor, 1.Vorsitzender der Essener Tafel dazu, ob in diesem Jahr noch andere Menschen als Bestandskunden aufgenommen werden können: „In diesem Jahr gibt’s wenig Hoffnung.“ © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Was die Frage aufwirft, wie diejenigen reagieren, die in der Schlange abgewiesen werden müssen. „Es gibt keinen Stress“, antwortet Sartor, zumindest nicht aus der großen Gruppe der ukrainischen Flüchtlinge. Diese machten aber durchaus aus Verwunderung große Augen, „obwohl sie gut vernetzt sind“.

Tafel Essen: „Die Neuanmeldungen erfolgen nur nach telefonischer oder schriftlicher Rücksprache“

Bis Ende des Jahres können also vor allem Bestandskunden darauf hoffen, aufgenommen zu werden. „Seit drei bis vier Wochen kommen ganz viele, die lange Zeit nicht bei uns waren“, beschreibt der Tafel-Chef die Situation vor Ort. Er glaubt, dass sich das absehbar auch nicht bessern wird. Er denkt dabei beispielsweise an höhere Nebenkostenabrechnungen die noch kommen werden, und auf dann den Geldbeutel von Betroffenen drücken, sowie an die generelle finanzielle Belastung in Zeiten gestiegener Preise.

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Den Bestandskunden habe man in der Vergangenheit außerdem zugesichert, dass sie nach einem Jahr Pause wieder berechtigt seien, die Tafel zu besuchen. Das Prozedere sei bei der Tafel wie folgt, erklärt Sartor: Ein Jahr lang dürfen Kunden das Angebot wahrnehmen, dann ist ein Jahr Pause. So komme es zustande, dass „vier, fünf oder sechs“ Plätze täglich frei werden. Diese würden nicht vor Ort vergeben, Schlange stehen ohne Berechtigungskarte dürfte sich also kaum lohnen. Auf der Webseite der Essener Tafel steht: „Die Neuanmeldungen erfolgen nur nach telefonischer oder schriftlicher Rücksprache.“