Essen. Einkäufe im Supermarkt werden teurer, Energiepreise steigen. Wie hart das diejenigen in Essen trifft, die am Existenzminimum leben.

Die Preise für Strom, Gas und Lebensmittel steigen – zu spüren bekommen das in Essen zuerst diejenigen, die ohnehin am Existenzminimum leben. Trotz Dauerregen und Kälte ist die Schlange vor der Ausgabe der Tafel im Wasserturm lang. Kurz nach dem Jahreswechsel ist das Angebot groß, neben Grundnahrungsmitteln gibt es Weihnachtsprodukte wie Schokoladenfiguren und Lebkuchen sowie kistenweise Mandarinen. Die würde sich sonst nicht jeder hier erlauben.

„Bei Lebensmitteln merkt man die Preissteigerung schon extrem“, sagt ein Essener, der gerade mit gefüllten Tüten aus dem Erdgeschoss des Wasserturms tritt. „Ohne die Tafel wäre es schon schlimm. Ich komme jede Woche her.“ Seine Frau sei herzkrank und ein großer Teil des ohnehin knappen Geldes fließe in Zuzahlungen für Medikamente. Schwere und chronische Krankheiten sind ein häufiger Grund, warum es Menschen zur Tafel treibt.

Essener Tafel muss selbst die Preise erhöhen

Andere haben ihren Job aus anderen Gründen verloren. „Ich habe durch die Pandemie meinen Job in der Gastronomie verloren und bin seitdem hier Kundin“, sagt eine junge Frau, die mit Kopfhörern und Kapuze auf dem Kopf sowie Taschen voller Lebensmittel wieder hinaus in den Regen tritt.

Schon seit mehreren Jahren ist ein Essener Kunde, der mit seinem Einkaufstrolley noch in der Schlange wartet. „Mit 62 Jahren hat man nicht mehr viele Chancen auf einen neuen Job“, sagt er. Deshalb sei er ohnehin auf die Lebensmittelausgabe angewiesen, nun erschweren ihm die gestiegenen Energiekosten das Leben. „Die Abschläge für Strom wurden mir um 20 Euro erhöht“, sagt er. In einer Analyse hatte das Vergleichsportal Check 24 gewarnt, dass für Hartz-IV-Empfänger die Lücke zwischen Energiepauschale und tatsächlichen Stromkosten größer wird.

Fast alle Kundinnen und Kunden der Essener Tafel tragen mehrere schwere Tüten nach Hause, um möglichst die ganze Woche damit auszukommen.
Fast alle Kundinnen und Kunden der Essener Tafel tragen mehrere schwere Tüten nach Hause, um möglichst die ganze Woche damit auszukommen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Weil das auch die Tafel selbst trifft, hat das Team zum Jahreswechsel handeln müssen. Bisher zahlte die Kundschaft einen Euro pro Erwachsenem und Einkauf. 15 Jahre lang war der Preis stabil. „Aufgrund der hohen Benzin- und Energiepreise mussten wir um 50 Cent erhöhen“, sagt Jörg Sartor, Vorsitzender der Essener Tafel. Damit sei Essen aber immer noch günstig, viele andere Tafeln verlangten bereits zwei Euro.

  • Die Essener Tafel gibt Lebensmittel im Steeler Wasserturm und an zehn weiteren Stellen im Stadtgebiet aus, zudem beliefert sie knapp 100 soziale und karitative Einrichtungen.
  • Rund 120 Ehrenamtliche sind im Einsatz und versorgen rund 16.000 Menschen mit Lebensmitteln.
  • Als gemeinnütziger Verein trägt sich die Essener Tafel ausschließlich durch Geld- und Sachspenden.
  • Mehr Informationen gibt es unteressener-tafel.de

Etwa 1500 Berechtigte können derzeit Lebensmittel von der Tafel beziehen. Maximal könnten knapp 1800 Berechtigungskarten ausgegeben werden. Die Zahl der Kundinnen und Kunden schwanke jeden Monat etwas, erklärt Sartor, denn wer ein Jahr lang Lebensmittel von der Tafel bezogen hat, muss dann ein Jahr pausieren.

Salat aus dem Supermarkt ist vielen zu teuer

Jede Woche kommt Doris zum Wasserturm. Wie viele andere Kundinnen und Kunden ist sie mit dem Team längst per Du, ein kurzer Plausch gehört zum Einkauf hier dazu. Das sorgt hin und wieder für ein Lächeln, doch die Alltagssorgen ganz vergessen kann hier niemand. „Im Supermarkt ist vieles teurer geworden, vor allem Obst und Gemüse“, sagt Doris. Einen Salatkopf für 1,50 Euro, das erlaube sie sich nicht. Dann gebe es eben etwas anderes auf den Teller, obwohl sie eigentlich so gerne Salat esse.

Wie hoch die Preise aktuell seien, wisse sie gar nicht, sagt eine andere Kundin. Sie komme durch die Unterstützung der Tafel ganz ohne Supermarktbesuch aus und sei enorm dankbar dafür. „Ich bekomme hier genug für eine Woche“, sagt sie mit Blick auf die prall gefüllten Tüten mit Obst, Gemüse, Brot, Blumen und mehr. „Ich bin auch nicht wählerisch, ich freue mich über alles, was ich bekomme.“ Doch bald dürfe sie nicht mehr zum Wasserturm kommen – weil sie aus der Grundsicherung in die Rente übergehe, verliere sie die Berechtigung. Dabei habe sie dann nicht wirklich mehr Geld zur Verfügung. „Dann wird mir die Tafel sehr fehlen.“