Essen. Mit einschneidenden Maßnahmen wie noch nie signalisiert die Stadt ihren Bürgern schon in den nächsten Tagen: Es ist ernst mit der Energiekrise.
Es ist ein Plan gegen das unbekümmerte „Weiter so“. Acht Seiten gegen das immer noch weit verbreitete Gefühl, man werde sich schon irgendwie durch diese Energiekrise und die anstehende Heizperiode hindurchlavieren. Weit gefehlt: Mit einschneidenden Spar-Maßnahmen, die diese Stadt selbst in einem Vierteljahrhundert Finanz- und Schuldenkrise nicht anfasste, will Essen Millionen von Kilowattstunden und damit auch Millionen Euro einsparen. (Details finden Sie hier.) Die Devise ist simpel: Licht aus, Heizung runter und mehr. Das werden die Bürgerinnen und Bürger spüren.
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Und zwar im Zweifel schon in dieser Woche, denn was der Verwaltungsvorstand unter dem Vorsitz von Oberbürgermeister Thomas Kufen da am Dienstagmorgen beschloss, soll „unverzüglich“ umgesetzt werden. Dann könnte es womöglich schon am Wochenende vorbei sein mit angestrahlten Kirchen und Baudenkmälern und mit Wohlfühl-Temperaturen in den Schwimmbädern. Die „Stadt der Energie“ will leuchtendes Vorbild auch beim Energiesparen sein.
Die Strahler auszuschalten bringt mehr Symbolkraft als es Kilowattstunden spart
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Dabei weiß auch die kleine Arbeitsgruppe, die das Maßnahmen-Paket in den vergangenen Wochen erarbeitete: Das Einsparpotenzial auf städtischer Seite nimmt sich gemessen an der Industrie oder den Privathaushalten überschaubar aus. Es geht neben dem Eigenbeitrag vor allem darum, ein Signal zu setzen, deutlich zu machen, dass für alle in dieser Stadt viel auf dem Spiel steht, wenn etwa die Liefer-Engpässe beim Erdgas weiter anhalten.
Darum etwa dreht man überall in der Stadt den Gebäudestrahlern den Saft ab: „Licht aus“, und zwar nicht erst vom Letzten im Saale – das ist mehr als alles andere eine symbolische Geste, die im Falle der angestrahlten Gebäude gerade mal 60.000 Kilowattstunden pro Jahr spart. Zum Vergleich: Die Wassertemperatur in den Schwimmbädern um nur zwei Grad abzusenken, auf dann immer noch weit über 20 Grad, bringt ein Vielfaches.
Entlanghangeln an der Städtetags-Vorschlägen, um Schieflagen zu verhindern
Im Wesentlichen hangelt sich der Sparkatalog der Stadt an einer „To do“-Liste des Deutschen Städtetages entlang – wohl auch, um zu vermeiden, dass im Falle eines Flickenteppichs an Sparmaßnahmen eine als ungerecht empfundene Schieflage zwischen den Kommunen entsteht, gerade im dicht besiedelten Ruhrgebiet. „Die Nachbarstadt macht aber dies oder jenes, oder sie macht aber dies oder jenes nicht“ – solche Vorwürfe kann man sich damit ersparen.
Gekoppelt sind einige Sparbeschlüsse zudem an den bundesweiten Notfallplan Gas, der drei Eskalationsstufen kennt: Am 30. März dieses Jahres wurde dessen „Frühwarnstufe“ ausgerufen, eine Art Weckruf, um sich Gedanken über eine mögliche Mangellage zu machen. Am 23. Juni folgte die „Alarmstufe“, die für die Sparpläne in Essen maßgeblich ist. Richtig ernst wird es im Falle der dritten, der „Notfallstufe“, die im Winter drohen könnte, sollte die Gasversorgung nicht gewährleistet sein.
In der „Notfallstufe“ soll das Museum Folkwang die Kunstwerke in Depots einlagern
Bundesweit greift dann der Staat in die Versorgung ein, und zwar in Gestalt der Bundesnetzagentur, die dann die Verteilung von Gas in Deutschland regelt. Dabei sind bestimmte Verbrauchergruppen besonders „geschützt“ – und andere können sich schon jetzt mehr oder weniger sicher sein, dass ihnen der Gashahn abgedreht wird.
In Essen ist dann über die jetzt schon beschlossenen Einsparungen hinaus etwa geplant, mobile Luftreinigungsgeräte in Verwaltungen und Büros abzuschalten. In den Sport- und Turnhallen würden die Raumtemperatur noch einmal um ein auf dann 15 Grad verringert und die warmen Duschen abgestellt. Währenddessen müsste das Museum Folkwang den Publikumsbetrieb einstellen, denn die alles in allem milliardenteuren Kunstwerke vertragen es nicht, wenn die Heizung ausfällt, also müssten sie abgehängt und in Depots eingelagert werden. Eine Maßnahme, die manch einer mit Krieg verknüpft und ihn auch ohne Heizungs-Korrekturen frösteln lässt.
Die städtischen Töchter, von der Messe bis zu den Sozialbetrieben, sollen mitsparen
So wie die Stadtverwaltung sind auch die städtischen Beteiligungsunternehmen aufgerufen, spürbare Energie-Einsparungen einzustielen. Von der Messe bis zu Stadtwerken und Sozialbetrieben werden in diesen Tagen Beleuchtungsanlagen optimiert, elektrische Verbraucher gerade über Nacht ausgeschaltet und mancher Standby-Modus korrigiert. Auch dort soll es nur noch kaltes Wasser zum Händewaschen geben sowie verringerte Büro-Temperaturen, um nur zwei Beispiele zu nennen.
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In anderen Bereichen, so registriert die Stadt zufrieden, ist sie auf dem Spar-Tripp schon weit vorangekommen: Durchlaufbegrenzer in Duschen oder hydraulische Abgleiche in Immobilien sind längst üblich, 300 der 670 Ampeln blinken nachts nur noch gelb, und auch bei der Straßenbeleuchtung, einem echten Energiefresser, sieht man sich weit vorn: Ein knappes Drittel ist bereits auf LED umgestellt, bis zum Abschluss der Aktion soll es allerdings noch zehn Jahre dauern.
Fahren auch Busse und Bahnen ihre Heizung oder Klimaanlage spürbar herunter?
Jetzt wird geprüft, ob sich die Umrüstung beschleunigen lässt, denn der Strombedarf für die Erleuchtung im Straßenbild liegt bei 14 Millionen Kilowattstunden. Bei einem kalkulierten Strompreis von 24 Cent je Kilowattstunde ergibt das Kosten von 3,36 Millionen Euro, der Spareffekt dürfte mittelfristig also siebenstellig ausfallen. Auf das grüne Licht für die aktuellen Maßnahmen muss die Stadt nicht warten: Der Rat hatte Ende Juni bereits sein grundsätzliches Okay für weitreichende Einsparungen gegeben. Nur für die Folgejahre muss er noch einmal sein Plazet geben.
Wer die Sparpläne jetzt schon abgefahren findet, sieht sich durch einen letzten Punkt bestätigt: Die Ruhrbahn prüft bereits, ob Heizung und Klimaanlagen in Bussen und Bahnen demnächst auch im Sparmodus laufen können.