Essen. Essener Frauenärzte reagieren besorgt auf das Ende der Frauenklinik am Krupp-Krankenhaus. Schon heute würden Schwangere an Kreißsälen abgewiesen.
Mit Bedauern, Unverständnis und teils deutlicher Kritik reagiert Essen auf das überraschende Aus der Frauenklinik am Alfried-Krupp-Krankenhaus. Am Montag (13. Juni) hatte die Geschäftsführung verkündet, die Frauenklinik samt der Geburtshilfe bereits zum Monatsende zu schließen. Damit geht eine über 100-jährige Geschichte mit einem Paukenschlag zu Ende. Die Stadt teilte mit, dass man den Schritt sehr bedauere. Man habe sich aber in intensiven Gesprächen mit allen Beteiligten vergewissert, „dass die Geburtshilfe für alle Frauen in Essen weiterhin gesichert ist“.
Essener Frauenärzte machen sich Sorgen um werdende Mütter
Von einigen Gynäkologen wird das bezweifelt: Zuletzt erlebten sie immer wieder, dass nicht nur das Krupp-Krankenhaus den Kreißsaal tageweise schließen musste, sondern auch die Uniklinik. Der Personalmangel in der Geburtshilfe ließ hochschwangere Frauen verzweifelt nach Last-Minute-Alternativen suchen – oder schon mal vor dem Kreißsaal stranden. „Es wird also die Versorgungslage unserer Patientinnen nun noch dünner werden“, schreibt der Obmann der Essener Frauenärzte, Sven Feldmann, in einer Mail, mit der er am Montagabend (13.6.) seine Kollegen und Kolleginnen über die Schließung der Kruppschen Frauenklinik informiert.
Die Nachricht hatte bei den betroffenen Mitarbeitern am Krupp-Krankenhaus am Montag einen Schock ausgelöst, viele fühlten sich überrumpelt. Auch Patientinnen, werdende Eltern und die Essener Ärzteschaft dürften die Neuigkeit zuerst den Medien entnommen haben. Einen Brief an sie hat das Krupp-Krankenhaus am Montag formuliert, er solle „zeitnah“ verschickt werden. Prof. Dr. Regine Gätje biete darin allen Betroffenen ein Gespräch und Hilfe bei der Suche eines weiterbehandelnden Arztes oder einer Geburtsklinik an. Letzteres ist bereits akut: Aus Personalmangel hat das Krupp-Krankenhaus den Kreißsaal bereits für die kommenden Tage geschlossen.
Fallen Hebammen aus, wird der Kreißsaal geschlossen
Schon das könnte eine erste Belastungsprobe für die verbleibenden beiden Essener Geburtskliniken Elisabeth-Krankenhaus und Uniklinik werden, glaubt die Rüttenscheider Frauenärztin Dr. Bettina Habedank. Regelmäßig müsse sie ihre Patientinnen nach Oberhausen, Bochum oder Düsseldorf verweisen. Schon nach dem Aus des Altenessener Marienhospitals vor zwei Jahren hatte sie Engpässe befürchtet, nun erlebe sie diese in ihrer Praxis immer wieder: „Die Kliniken in der Stadt Essen schaffen nicht alle Geburten.“ Jede habe schon mal eine Hochschwangere abweisen müssen, eine Gebärende allein im Kreißsaal zurückgelassen oder eine werdende Mutter gleich im Zimmer entbinden lassen, weil kein Kreißsaal mehr frei war. „Meine Patientinnen ermahne ich jetzt immer, erst im Kreißsaal anzurufen, bevor sie sich auf den Weg zur Geburtsklinik machen.“ Auch wenn sie angemeldet sind.
Fallen Hebammen aus, wird der Kreißsaal geschlossen
In der Regel ist das Personal der limitierende Faktor: Fallen Hebammen aus, muss der Kreißsaal geschlossen werden. Es wundert darum nicht, dass sowohl Uniklinik als auch Elisabeth-Krankenhaus dem begehrten Fachpersonal aus dem Krupp die Übernahme gleich zum 1. Juli anbieten. „Unser Angebot gilt allen Hebammen, sowie Hebammen in Ausbildung (24 Personen) als auch den Assistenzärzten und -ärztinnen (4 Personen)“, sagt etwa die Sprecherin des Elisabeth-Krankenhauses, Dorothee Renzel. Das Haus wolle sowohl Geburtshilfe als auch Gynäkologie aufstocken.
Allerdings muss auch Essens größte Geburtsklinik „die Kapazität der Ambulanz sowie die Anzahl der Kreißsäle erweitern“, um weitere Patientinnen aufnehmen zu können. Immerhin um die 750 Kinder im Jahr kamen zuletzt noch im Krupp-Krankenhaus zur Welt. Und so plant das Elisabeth-Krankenhaus in Abstimmung mit dem Landesgesundheitsministerium eine „langfristige Vergrößerung der Geburtshilfe“. Man habe aber – wie schon bei den früheren, zeitweiligen Krupp-Schließungen – schon am Montag (13.6.) begonnen, „Frauen zu übernehmen“.
Dr. Daniela Reitz, der Chefärztin der Frauenklinik am „Elli“ ist dabei klar, dass „die Wünsche der Schwangeren an die Begleitung während der Geburt ganz unterschiedlich“ sind. Schließlich sei die Geburt ein einzigartiges Ereignis. „Wichtig ist für mich nicht die Anzahl der Geburtskliniken, sondern dass die Kliniken so ausgestattet sind, dass sie auf die Wünsche und Bedürfnisse der Frauen unter der Geburt eingehen können.“ Man solle dabei allerdings nicht außer Acht lassen, dass auch bei gesunden Frauen mit normal verlaufenden Schwangerschaften in etwa zehn Prozent der Geburten eine Versorgung des Kindes durch einen Kinderarzt notwendig sei. „Für solche Fälle ist ein Perinatalzentrum wichtig und richtig“, betont Daniela Reitz.
Viele werdende Mütter schätzten die persönliche Atmosphäre im Krupp-Krankenhaus
Ein solches Perinatalzentrum hat das Krupp-Krankenhaus – anders als das „Elli“ und die Uniklinik – nicht: Für Risikoschwangerschaften, Früh- und Mehrlingsgeburten war es daher tatsächlich nicht die richtige Adresse. Frauenärztin Habedank mag das nicht als bloßen Makel sehen: „Die meisten Geburten verlaufen problemlos, da wird der ganz große Apparat nicht benötigt. Meine Patientinnen sind gern ins Krupp gegangen, wo sie sehr persönlich betreut wurden.“ Auch viele Mitarbeiterinnen hätten bewusst ein Haus mit familiärer Atmosphäre gewählt: „Man kann nicht erwarten, dass die jetzt sofort an ein Haus mit Perinatalmedizin und entsprechend vielen Risikogeburten wechseln.“
Die Uniklinik, die ebenfalls gerne Ärzte, Hebammen und Pflegekräfte übernehmen möchte, um die vorhandenen Kapazitäten der Frauenklinik besser nutzen zu können, betont daher: „Wichtig ist, dass die Mitarbeitenden des Krupp-Krankenhauses diesen Schritt von sich aus gehen wollen.“ Man erwarte aktuell keine Engpässe und traue sich zu, die Zahl der Geburten wieder hochzufahren; schließlich seien es im Jahr 2016 schon einmal 1726 gewesen. Die Infrastruktur sei also da, und dann reichten auch zwei Geburtskliniken für Essen – „sofern beide entsprechend gut personell ausgestattet sind“.
Bessere Vergütung für Geburten gefordert
Die Ratsfraktion der Linken mag darauf nicht allein vertrauen: „Mit der Schließung des Marienhospitals vor zwei Jahren in Altenessen wurde ausdrücklich auf die drei anderen Geburtskliniken in Essen verwiesen – jetzt sind es nur noch zwei“, beklagt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Heike Kretschmer. Die Geburtsklinik im Krupp sei Vertragspartner für Hausgeburtshebammen und ein gezieltes Angebot für komplikationslose Geburten. Im nächsten Gesundheitsausschuss will man die Verwaltung befragen, wie eine Versorgungslücke verhindert werden solle.
Oberbürgermeister Thomas Kufen fordert unterdessen schon Bund und Land auf, das Problem grundsätzlicher anzugehen: „Der medizinische Bereich der Frauenheilkunde und Geburtshilfe muss auf einen finanziell verlässlichen Sockel gestellt werden. Das bisherige Vergütungssystem ist für Geburtshilfe- und auch für Kinderkliniken nicht ausreichend.“ Beide Fachrichtungen müssten raus aus dem System der Fallpauschalen. Es sei kein Wunder, wenn sich Krankenhäuser von der Geburtshilfe trennen, sagt auch Frauenärztin Bettina Habedank: „Geburten sind zeitintensiv und schlecht bezahlt. Eine Hüfte bringt mehr.“