Essen. Eine Essener Frauenärztin hatte viele Patientinnen – und muss doch aufgeben: Das Gesundheitssystem verhindere, dass sich Praxiskliniken tragen.

Edda Gerlach ist eine leidenschaftliche Ärztin mit jahrzehntelanger Erfahrung. Doch Ende Oktober wird die 52-Jährige schweren Herzens ihre gynäkologische Tagesklinik am Bredeneyer Tor schließen. „Es ist ein politisches Problem: Offiziell heißt es immer ,ambulant vor stationär’, doch der Gesetzgeber sorgt nicht dafür, dass sich eine Praxisklinik wie meine auch tragen kann.“

Dabei mangelt es der Gynäkologin und ihrem 15-köpfigen Team keineswegs an Patientinnen: Genau 1860 Operationen haben sie im vergangenen Jahr durchgeführt. Dabei geht es zum Beispiel um die Entfernung von Myomen oder der Gebärmutter; Eingriffe, die nur einen kurzen Klinikaufenthalt nötig machen. Manchmal sind die Frauen nur wenige Stunden in Gerlachs Praxis, in anderen Fällen bleiben sie über Nacht.

„Wir decken mit einer Gebärmutterausschabung nicht mal unsere Kosten“

Die Patientinnen werden von niedergelassenen Kollegen an Gerlach überwiesen und von ihr ausführlich aufgeklärt; nach der OP werden sie von ihrer Frauenärztin weiter betreut. Die ambulante OP sei für die Frauen meist angenehmer als ein stationärer Aufenthalt und komme dazu den Krankenhäusern entgegen, „weil die oft solche Operationen nicht gern übernehmen“, sagt Gerlach.

Obwohl es also viele Vorteile biete, werde das Modell der Praxisklinik im Abrechnungssystem nicht ausreichend berücksichtigt: „Wenn wir nur über die Kassenärztliche Vereinigung abrechnen, können wir nicht auskömmlich arbeiten.“ Zuletzt habe sich die Situation durch „kostenintensive Reglementierungen“ verschärft, sagt die Ärztin. So müsse sie immer mehr Aufwand für Hygiene, Dokumentation, Datenschutz und Qualitätsmanagement betreiben; auch die Haftpflicht für die Operateure schlage zu Buche. „Das führt dazu, dass unsere Erlöse immer geringer wurden. Aktuell decken wir mit einer Gebärmutterausschabung nicht mal unsere Kosten.“

„Ich habe meine Patientinnen immer so behandelt, wie ich selbst behandelt werden möchte“, sagt Frauenärztin Edda Gerlach.
„Ich habe meine Patientinnen immer so behandelt, wie ich selbst behandelt werden möchte“, sagt Frauenärztin Edda Gerlach. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Seit der Eröffnung der Praxisklinik im Jahr 2011 habe sie solche Defizite durch eine „Mischkalkulation“ ausgeglichen. „Doch die funktioniert jetzt nicht mehr, weil die Verträge zur sogenannten integrierten Versorgung auslaufen und nicht verlängert werden. Mit der Folge, dass wir für dieselbe Leistung weniger Geld bekommen. Das hat uns den Garaus gemacht.“

Schließung des Marienhospitals verschärfte die Situation

Aufgrund der schwierigen finanziellen Situation musste die „C3 Kliniken Holding GmbH“, die Gerlachs Klinik betrieben hat, Insolvenz anmelden. Die Gynäkologin hätte trotzdem gern weitergemacht. Doch um die Praxisklinik fortzuführen, hätte sie einen neuen Partner gebraucht. „Leider haben alle Essener Krankenhäuser, die dafür in Frage kamen, eine Kooperation abgelehnt.“ Erschwerend kam hinzu, dass das Marienhospital im Essener Norden, mit dem Edda Gerlach eng zusammengearbeitet hat, geschlossen wird.

Also schließe sie die Praxis am Ende der Woche (31.10.) und hoffe nur, dass ihre Mitarbeiter anderweitig unterkommen: „Es ist schlimm, eine Belegschaft so auseinanderzubrechen.“ Für Gerlachs Praxisklinik gebe es in Essen keinen vergleichbaren Ersatz, sagt die Rüttenscheider Frauenärztin Bettina Habedank: „Ich muss jetzt schauen, wohin ich meine Patientinnen verteilen kann. Die Krankenhäuser laufen alle voll.“ Wenn es um eine bösartige Erkrankung gehe, bekomme sie natürlich einen Platz, „die anderen Frauen landen auf Wartelisten“.

Patientin ist schockiert über das Aus für die Praxis

Außerdem bedauert die 50-jährige Frauenärztin, dass mit Edda Gerlach eine Kollegin aufgeben müsse, die sich stets um die schonendste Behandlung bemüht habe: „Sie hat uns auch mal Patientinnen zurückgeschickt und gesagt, dass eine Operation nicht notwendig sei. Wer einmal im Krankenhaus ist, wird dagegen auch operiert.“ Sie habe zum Beispiel versucht, Gebärmutterentfernungen wenn möglich zu vermeiden, sagt Edda Gerlach. So biete sich in vielen Fällen an, nur die Gebärmutterschleimhaut abzutragen, diese „Endometriumablation“ sei viel schonender. „Ich habe meine Patientinnen immer so behandelt, wie ich selbst behandelt werden möchte.“

Monika Reich-Püttmann ist deshalb „schockiert“, dass die Praxisklinik aufgibt: „Ich hatte da einen Eingriff und bin so gut aufgeklärt und behandelt worden.“ Nach der OP habe sie sich ausgeruht, Edda Gerlach habe sich mit ihr unterhalten und dann sei sie schon nach Hause zurückgekehrt. „Ich habe große Kompetenz erlebt und mich großartig aufgehoben gefühlt – ohne das ganze Theater eines Krankenhausaufenthaltes.“

>> Neue Perspektive: Krankenhaus wünscht sich Zusammenarbeit

Die Essener Krankenhäuser, die Edda Gerlach um eine Kooperation gebeten hatte, loben die Arbeit ihrer Praxisklinik und bedauern das Aus.

So weist Pressesprecherin Dorothee Renzel zwar darauf hin, dass man im Elisabeth-Krankenhaus die meisten gynäkologischen Erkrankungen mit Hilfe der Schlüsselloch-Chirurgie operiere. „Das garantiert eine schnellere Erholung und einen kurzen Krankenhausaufenthalt für die Patientinnen.“ Zu Gerlachs ambulantem Angebot sagt sie jedoch auch: „Das Elisabeth-Krankenhaus bedauert die Schließung der C3 Kliniken am Standort Essen.“

Das Krupp-Krankenhaus betont, dass man mit Edda Gerlach mehrere Gespräche über eine Kooperation geführt habe. Leider hätten die „aber nicht zu einer Realisierung des Projektes geführt“. Dafür hat die Sprecherin des Huyssensstifts, Sabine Loh, am Donnerstag (29.10.) eine Überraschung parat: „Wir wünschen uns eine Kooperation und führen aktuell Gespräche mit Frau Gerlach.“ Das klingt, als könnte es doch noch eine Perspektive für eine Fortsetzung der Praxisklinik geben.

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