Essen-Werden. Die Initiative „Gemeinsam für Stadtwandel Werden“ diskutierte mit Experten und Bürgern über die Verkehrsplanung. Es gibt radikale Forderungen.

Das Verkehrskonzept Werden wird nicht wie vorgesehen umgesetzt. Aber ändern soll sich trotzdem etwas. Die Klimainitiative „Gemeinsam für Stadtwandel Werden“ hatte ins Haus Fuhr eingeladen, um mit Fachleuten und Betroffenen über das Thema „Verkehrsplanung Werden – wie erreichen wir den Modal Split?“ zu sprechen.

Initiativen-Sprecherin Martina Schmitz moderierte den Abend und stellte klar: „Wir können nicht abwarten, bis Politik und Wirtschaft endlich reagieren.“ Die Zeit dränge, schnelle Lösungen müssten her. Radikale Forderungen wie eine weitgehend autofreie Werdener City und eine drastische Reduzierung des Individualverkehrs gehen einher mit der Priorisierung des Radwegs von Bredeney nach Velbert.

Es gibt noch immer einen Baubeschluss für das Verkehrskonzept

Rainer Wienke ist Leiter des Amtes für Straßen und Verkehr. Das umstrittene Verkehrskonzept Werden sei vom Verwaltungsgericht ausgebremst, aber nicht zu Grabe getragen worden: „Wir haben einen gültigen Baubeschluss.“ Jedoch müsse aufwendig Planungsrecht geschaffen werden. Anfang 2023 werde die Verwaltung der Politik Vorschläge machen.

Das ruft einen der „Väter“ des Verkehrskonzeptes auf den Plan. Stadtplaner Michael Happe wirft ein, was die Verwaltung wohl nicht offen aussprechen mag: „Das damalige Konzept ist keine geeignete Grundlage mehr. Wenn wir den Autoverkehr um 55 Prozent reduzieren wollen, müssen wir anders vorgehen. Wo bleiben Anreize und Ordnungspolitik? Wir müssen die Leute vom Auto wegbekommen.“

Es wurde heftig diskutiert: Gut 50 Leute waren zur Veranstaltung im Haus Fuhr gekommen.
Es wurde heftig diskutiert: Gut 50 Leute waren zur Veranstaltung im Haus Fuhr gekommen. © Daniel Henschke

Als Ansatzpunkt wird die Parkraumbewirtschaftung genannt

Ein Ansatzpunkt sei die Parkraumbewirtschaftung. Kein freies Parken mehr in Werden, dazu Anwohnervignetten. Die Arbeitgeber mit einbeziehen: „Parken auf dem Firmengelände oder Jobtickets für den ÖPNV.“ Da kann Bürgermeister Rolf Fliß (Grüne) nur zustimmen: „Es muss konkrete Sofortmaßnahmen geben. Die Verkehrsfläche umverteilen, die Schwächsten schützen. Es wäre schön, wenn die Menschen sich den Stadtraum zurück erobern. Da können wir nicht auf Gutachten warten.“ Autos seien zumeist nicht Fahr-, sondern Stehzeuge.

Wolfgang Packmohr vom Lobby-Verein Fuß E.V. sagt: „Alles ein Problem der Bequemlichkeit. Wir wollen Städte für Menschen, nicht für Autos.“ Zugeparkte Gehwege dürften nicht mehr toleriert werden. Amtsleiter Wienke räumt ein: „Der Autoverkehr ist der drittgrößte Verursacher von CO2 nach Industrie und Energieerzeugung.“

Radweg könnte entlang der B 224 von Bredeney bis Velbert führen

Der Modalsplit ist noch weit entfernt. Im Essener Süden werden 60 Prozent aller Wege mit dem Auto zurückgelegt, oft sehr kurze Fahrten. Auf das Fahrrad entfallen gerade einmal sieben Prozent; dies ist auch der Topographie geschuldet.
Der Modalsplit ist noch weit entfernt. Im Essener Süden werden 60 Prozent aller Wege mit dem Auto zurückgelegt, oft sehr kurze Fahrten. Auf das Fahrrad entfallen gerade einmal sieben Prozent; dies ist auch der Topographie geschuldet. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Der Radweg die B 224 entlang bis Velbert soll kommen, sobald die von der Politik zugesagten Stellen besetzt werden können, was schwierig sei in Zeiten des Fachleutemangels. Essen möchten noch in diesem Jahr planen und dann bauen, die Stadt bezahle dies bis Höhe Kamillushaus. Ab da sei der Straßenbetrieb NRW zuständig, bezahle den Streckenteil, den Velbert plant und baut. Das reicht CDU-Ratsherr Ulrich Beul nicht: „Wo bleibt da die Durchstreckung bis Bredeney? Das haben wir im Rat beschlossen.“ Wienke lenkt ein: „Wir könnten rein theoretisch die Verlängerung bis Bredeney aufnehmen.“

Vorwurf: Die Bevölkerung verweigert sich der Verkehrswende

Im Saal sitzen viele Akteure der Werdener Stadtgesellschaft. Günther Mayer wird deutlich: „Wir haben hier drei bis fünf Autos pro Familie. Warum klappt da kein internes Carsharing?“ Der Quartierbus sei eine tolle Sache. Aber er werde nicht genutzt. Die Werdener und Heidhauser Bevölkerung verweigere sich der Verkehrswende. „Warum soll ich auch mit dem Bus nach Werden fahren, wenn ich dort kostenlos parken kann?“

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In der Tat ist der bis 2035 angestrebte Modal-Split von jeweils 25 Prozent Verkehrsanteil für Rad, Fußverkehr, ÖPNV und Auto im Stadtbezirk IX ferner denn je. Eine Umfrage brachte ernüchternde Zahlen. Im Essener Süden werden 60 Prozent aller Wege mit dem Auto zurückgelegt, oft sehr kurze Fahrten. Auf das Fahrrad entfallen gerade einmal sieben Prozent, was auch der hügeligen Topographie geschuldet sein dürfte. Der Durchgangsverkehr macht nur ein Drittel aller Fahrten aus. Peter Bankmann möchte dennoch wissen, ob es rechtliche Möglichkeiten gibt, zumindest den Schwerlastverkehr aus Werden auszusperren?

Vorschlag: Innenstadt sperren für motorisierten Individualverkehr

Rainer Wienke muss da dann doch mal auf die Bremse treten: „Es ist eine Bundesstraße. Den Durchgangsverkehr kann man nicht begrenzen. Auch Lkw nur dann, wenn die Schadstoffwerte steigen.“ Beim Thema Lärm sei das letzte Wort aber noch nicht gesprochen.

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Heino Sahling meint: „Auf der B 224 mit dem Rad zu fahren, ist höchst gefährlich. Die Autofahrer halten viel zu wenig Abstand bei Überholmanövern.“ Einem Anwohner der Abteistraße fehlt die Phantasie, sich auf einer dreispurigen Durchgangsstraße noch einen Radweg hinzuzudenken. Rainer Wienke gibt zu, das sei eine Herausforderung. Man werde einmal mit, einmal ohne planen.

Dem Bürger Tobias Gregor geht das alles nicht weit genug: „Wir müssen die Innenstadt Werden sperren für motorisierten Individualverkehr. Einen mutigen Schritt gehen. Eltern müssen ihre Kinder nicht zur Schule kutschieren.“