Rüttenscheid. Die „intelligente Ampelschaltung“ an der B 224 in Essen wird nachgerüstet. Das Ziel: saubere Luft. Ein Test führt nun aber erst einmal zu Staus.

„Luftreinhaltung – Alfredstraße meiden!“ So stand es in den vergangenen Tagen auf den großen Hinweistafeln zu lesen. Die intelligente Ampelschaltung, die immer dann anspringt, wenn sich die Schadstoffbelastung der Luft dem kritischen Grenzwert nähert, war aktiv. Nur handelte es sich diesmal um einen Probelauf.

Für Autofahrer machte das allerdings keinen Unterschied. Sie mussten in Echtzeit vor den „Pförtnerampeln“ deutlich länger warten als sonst üblich. An insgesamt acht Kreuzungen und Zufahrtsstraßen sollen kürzere Grünphasen dafür sorgen, dass der Verkehr auf der Alfredstraße weiter fließt, so dass die Luft nicht noch stärker durch Stickstoffdioxid und Feinstaub belastet wird. Und zwar insbesondere dort, wo die Bebauung zu beiden Seiten bis an die Alfredstraße heran reicht. Die Folge: Auf den Zufahrtsstraßen wie beispielsweise der Norbertstraße staute sich der Verkehr deutlich mehr als sonst üblich.

Stadt Essen: Verkehrsrechner und Pförtnerampeln wurden bis jetzt manuell bedient

Wie die Stadt Essen mitteilt, diente der Testlauf der Automatisierung der Ampelschaltungen. Denn so intelligent, wie es bislang den Anschein erweckte, ist das System nicht. Zur Erinnerung: Die Luftbelastung wird ständig gemessen, Verkehrs- und Wetterdaten werden rund um die Uhr erfasst. Anhand der vorliegenden Daten entscheidet die Stadt, ob die Pförtnerampeln am folgenden Tag aktiviert werden. Acht Hinweistafeln weisen Verkehrsteilnehmer im Fall der Fälle darauf hin.

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Bis dato war es nach Angaben der Stadt erforderlich, dass die Abläufe dieses „sehr komplexen Projektes“ manuell durchgeführt werden. Droht eine Grenzwertüberschreitung, müssen die entsprechenden Programme im Verkehrsrechner per Hand gestartet werden. Künftig soll dies automatisch geschehen. Gleiches gilt für die Schaltungen der Pförtnerprogramme und für der Aktivierung der Verkehrsinformationstafeln. Soll heißen: Die künstliche Intelligenz übernimmt komplett.

Leiter des Essener Straßenverkehrsamtes: Zwei Schwachstellen festgestellt

„Wir haben noch Schwachstellen ausgemacht“, sagt Rainer Wienke, Leiter des Stadtamtes für Straßen und Verkehr. Zwei Ampelanlagen sprachen nicht auf den Verkehrsrechner an. Das Problem soll innerhalb der nächsten Wochen behoben werden, so Wienke. Dann läuft das System vollautomatisch.

„Alternativen nutzen“ ist gut, aber es gibt sie eigentlich nicht.
„Alternativen nutzen“ ist gut, aber es gibt sie eigentlich nicht. © F.S.

Nach Angaben der Stadt handelt es sich bei dem Testlauf um eine „geringfügige Regulierung“ der Ampelphasen. Auf der Alfredstraße wurden Autofahrer in Fahrtrichtung Innenstadt in Höhe Martinstraße durch Hinweistafeln außerdem aufgefordert, nach links oder rechts abzubiegen und die Alfredstraße zu verlassen.

Wie es dann weitergeht? Dafür bedarf es Ortskenntnis oder eines Navigationsgeräts. In jedem Fall dürfte der Fahrtweg länger und zeitraubender werden, und über die Rüttenscheider Straße soll ja der Durchgangsverkehr am besten gar nicht fahren. Wenn die Beobachtungen nicht täuschen, hat deshalb kaum jemand den Rat beherzigt.

Sensitive Ampelschaltung auf der Essener Alfredstraße 2020 installiert

Die sogenannte sensitive Ampelschaltung war Mitte 2020 auf der Alfredstraße installiert worden in Folge eines Kompromisses, auf den sich die Stadt Essen und das Land NRW in einem Rechtsstreit mit der Deutschen Umwelthilfe geeinigt hatten. Der Verein hatte zuvor den für Essen geltenden Luftreinhalteplan bemängelt, weil an mehreren Stellen im Stadtgebiet die Grenzwerte für saubere Luft nicht eingehalten wurden, unter anderem an der Alfredstraße. Die Deutsche Umwelthilfe forderte daraufhin Fahrverbote für Dieselfahrzeuge und ältere Benziner. Seitdem hat sich die Luftqualität deutlich verbessert. Aktiviert wurden die Pförtnerampeln lediglich an drei Tagen.

Im vergangenen Jahr lag die Belastung durch Stickstoffdioxid an der Alfredstraße wieder unterhalb des Grenzwertes von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. In den ersten elf Monaten des Jahres betrug sie durchschnittlich 31,3 Mikrogramm. Den Wert für Dezember 2021 hat das Landesumweltamt noch nicht veröffentlicht.

Von Januar bis November 2021 wurde der Grenzwert im Monatsdurchschnitt stets unterschritten. Am höchsten war die Belastung im September, mit durchschnittlich 38 Mikrogramm kam sie dem Grenzwert von 40 Mikrogramm am nächsten.

Kritischer Wert auf der Essener Alfredstraße zuletzt 2018 überschritten

Pförtnerampeln an acht Kreuzungen

An diesen Kreuzungen wird der Verkehr im Falle einer drohenden Überschreitung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid an „Pförtnerampeln“ zurückgehalten: Bismarckstraße/Friedrichstraße/Alfredstraße, Haumannplatz, Martinstraße/Alfredstraße, Norbertstraße/Zufahrt Grugahalle, Norbertstraße/Grugabad-Parkplatz, Alfredstraße/A 52, Alfredstraße/Einigkeitsstraße, Bredeneyer Kreuz

Das System ist dann in der Zeit von 5.30 Uhr bis 19 Uhr aktiv. Davon ausgenommen sind Wochenenden.

2020 waren im Jahresdurchschnitt 31,2 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft gemessen worden. Laut Landesumweltamt ist dieser vergleichsweise niedrige Wert nicht allein dadurch zu erklären, dass das Verkehrsaufkommen in der Coronakrise zurückgegangen ist. Bekanntermaßen beeinflusst das Wetter die Luftqualität. Moderne Motoren stoßen zudem weniger Schadstoffe aus.

Überschritten wurde der kritische Wert für Stickstoffdioxid an der Alfredstraße zuletzt 2018 mit einer Belastung von 48 Mikrogramm im Jahresdurchschnitt. Die Installation der intelligenten Ampelschaltung hat nach Angaben der Stadt 2,4 Millionen Euro kostet. Veranschlagt worden waren anfangs gar vier Millionen Euro.