Essen. Alle Opfer der Essener Brandkatastrophe haben wieder ein Dach über dem Kopf. Bis sie in neue Wohnungen ziehen, können viele Wochen vergehen.
Sie haben ihr Leben gerettet und sonst alles verloren: Nach der großen Erleichterung am Montagmorgen (21. 2.) wird den 100 Bewohnern des Brandhauses im Essener Univiertel nach und nach bewusst, dass ihre Kleidung, Papiere, Möbel und alle Erinnerungsstücke verloren sind. „Die haben ein weißes Blatt vor sich“, sagt NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach, die am Dienstag (22. 2.) ins Welcome-Hotel in Essen gekommen ist, um sich mit den dort untergebrachten Betroffenen zu unterhalten. „Es stellen sich existenzielle Fragen.“
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Bei der anschließenden Pressekonferenz mit Vertretern von Stadt, Feuerwehr und Wohnungsgesellschaft Vivawest versichert die Ministerin, wie wichtig es der Landesregierung sei, „dass wir jetzt zügig neue Wohnungen besorgen können“. Wie das konkret umgesetzt werden soll, lässt Scharrenbach allerdings offen. Und Vivawest-Chef Uwe Eichner macht klar, dass es sich um Tage, in etlichen Fällen aber auch um viele Wochen handeln werde, bis die Betroffenen in eine neue Wohnung ziehen können. Dabei spiele auch eine Rolle, ob die behindertengerecht sein muss oder für eine Familie geeignet. Ganz grundsätzlich sei es in einem „begrenzten Wohnungsmarkt“ wie in Essen schwierig, 39 Wohnungen zu ersetzen.
Eine Rückkehr in die alten Wohnungen schließt Eichner aus: Das Brandhaus werde aller Wahrscheinlichkeit nach abgerissen. „Die Menschen haben eine große Sehnsucht, noch einmal in das Gebäude zu gehen“, hat Eichner im Gespräch mit den Bewohnern erfahren. Sich selbst ein Bild vom Schaden zu machen, womöglich noch etwas retten zu können, ist ihr Wunsch. Ob das gewährt werden kann, ist fraglich: Das Haus ist einsturzgefährdet, darf nicht betreten werden.
Menschen möchten sich selbst einkleiden und einrichten: Sachspenden sind heikel
Umso wichtiger sei es der Wohnungsgesellschaft gewesen, nach dem Entsetzen der Brandnacht schnell vor Ort zu sein, Gesicht zu zeigen. Sehr erleichtert sei er, dass auch die drei Bewohner mit Rauchgasvergiftung inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen werden konnten. Nun seien alle Mieter entweder bei Freunden oder in den von Vivawest gebuchten Hotelzimmern untergekommen. Nur zwei an Corona Erkrankte hat die Stadt in einer Notunterkunft untergebracht, einen Pflegebedürftigen im Seniorenheim.
Zu den Soforthilfen zählt Ordnungsdezernent Christian Kromberg nicht nur das Dach über dem Kopf: „Wir besorgen den Menschen jetzt auch Geburtsurkunden, Führerscheine und Personalausweise.“ Da viele nur mit Schlafanzug am Leib aus dem Brandhaus geflohen seien, habe man ihnen schon am Montag Geld gegeben, um sich Kleidung zu kaufen. „Die Leute möchten sich selbst einkleiden.“ Von Sachspenden bittet Kromberg, daher abzusehen; verweist auf das Spendenkonto des Bündnisses „Essen hilft“. Dort seien schon hohe Spendensummen eingegangen, bereits am Montag sollen es mehr als 100.000 Euro gewesen.
Sicherheitsgefühl ist verloren gegangen
Die Solidarität sei groß: Nicht nur Hilfsdienste und Verwaltung stünden an der Seite der Menschen, sondern die ganze Stadtgesellschaft, sagt Kromberg. Jetzt gehe es darum, nach dem Obdach ein neues Zuhause für sie zu finden, ergänzt Eichner. Weil sie nicht mal „Messer, Löffel oder Handtuch“ hätten und möblierte Wohnungen rar seien, denke man auch darüber nach, leere Wohnungen für sie zu möblieren.
Noch habe man keinen Überblick, wer von den Betroffenen eine Hausratversicherung hat; er verspreche aber allen anderen Unterstützungsleistungen. Neben dem Mobiliar hätten die Menschen auch Vertrauen verloren, sagt Bauministerin Scharrenbach und erinnert an die Flutkatastrophe, die das Land im vergangenen Jahr erschütterte, da dauere die Verarbeitung noch immer an. Nun frage sie sich: „Was müssen wir also tun, damit sich die Menschen künftig in ihren Wohnungen wieder sicher fühlen?“
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