Essen. Essener Projekt widmet sich künstlerischen Aushängeschildern im Revier: Werner Hannappel, Andreas Golinski und Barbara Köhler sind diesmal dabei.
Von den verbliebenen Weltkriegsbunkern an der dänischen Westküste bis zu den Untertage-Relikten des Steinkohleabbaus im Ruhrgebiet sind es im Kunsthaus Essen derzeit nur wenige Schritte. Mit der Schwarzweiß-Fotoserie „Atlantic Wall“ von Werner Hannappel und der Bergbau-Installation des Essener Künstlers Andreas Golinski präsentiert das Ausstellungshaus an der Rübezahlstraße derzeit namhafte Akteure des Kunstszene im Ruhrgebiet. Ergänzt wird die Gruppenschau von zu Klang gewordener Poesie. Barbara Köhlers CD-Einspielung von „Niemands Frau-Gesänge“, einer Neuinterpretation der Odyssee aus weiblicher Sicht, gibt der Ausstellung auch akustisch die Richtung vor: Es geht um „Orientierungen“.
Schauen, was im Ruhrgebiet geht: Das Kunsthaus Essen hat der „exemplarischen Bestandsaufnahme künstlerischer Produktion in der Metropole Ruhr“ eine fünfteilige Reihe gewidmet: „Home!“. Möglich wurde das von Denis Bury kuratierte Projekt mit Bundesmitteln aus dem „Neustart Kultur“-Programm.
Von den Bismarck-Denkmälern bis zur „Goldenen Madonna“
Mit „Beobachtungen“ ist das Kunsthaus Ende 2021 gestartet. Weitere noch anstehende Projekte kümmern sich um „Identitäten“ und „Interaktionen“. Die jeweilige Ausstellung will dabei Ankerpunkt und Wegweiser einer größeren Assoziations- und Entdeckungsreise sein. Neben der „Bibliothek der Möglichkeiten“, die Recherche-Einladungen ausspricht, werden auch assoziierte Kunstwerke der Umgebung gezielt zur Erkundung vorgeschlagen – von den Bismarck-Denkmälern der Stadt bis zur „Goldenen Madonna“.
Wer den Weg ins Kunsthaus findet, der wird allerdings mit Thema konfrontiert, das noch tiefer in der Geschichte des Ruhrgebiets verankert ist als die älteste erhaltende vollplastische Marienfigur der abendländischen Kunst: der Steinkohlebergbau. Dem Ende der Bergbauära hat auch das Kunstmuseum Bochum 2018 ein Ausstellungsprojekt zum Thema „Kunst und Kohle“ gewidmet, an dem der Essener Künstler Andreas Goliniski mit einer großen Arbeit „In den Tiefen der Erinnerung“ beteiligt war. Im Kunsthaus zeigt Golinski nun eine Rauminstallation, die mit wuchtigen, von Bitumen schwarz überzogenen Vierkanthölzern zur imposanten Erinnerungsstütze der industriellen Vergangenheit wird.
Barbara Köhlers Neuinterpretation von Homers „Odyssee“ aus weiblicher Sicht
Die Auseinandersetzung mit Architektur und ortsbezogener Geschichte setzt der Ruhrgebiets-Fotograf Werner Hannappel in seiner Fotoserie über den „Atlantic Wall“ fort. Die massiven Bunkeranlagen, die im Zweiten Weltkrieg eine Invasion der alliierten Truppen verhindern sollten und bis heute als martialische Mahnmale die dänische Küste überziehen, wirken in den Schwarzweiß-Bildern wie bildhauerische Objekte.
Nicht in Stein oder Beton ist die Geschichte bei Barbara Köhler gegossen. Der 2021 verstorbenen, lange Zeit in Duisburg lebenden Wort-Künstlerin wird im Kunsthaus ein Hörraum gewidmet – mit extra Liegematten zum Eintauchen in das filigrane Sprachgewebe, mit dem Köhler Homers Odyssee mit neuen zeitlichen Bezügen und Sichtweisen vernetzt.
Kunsthaus Essen, „Home! Orientierungen“. bis 13. Februar, Rübezahlstraße 33. Fr bis So 15-18 Uhr.