Im Sommer 2016 hat die Lyrikerin und Übersetzerin Barbara Köhler auf einen Fluss gewartet, der erst 2020 fließen soll. Ihr Standort war eine Brücke auf dem Trockenen. Ergebnis ist der Text „42 Ansichten zu Warten auf den Fluss“, den sie beim Festival „Autorschafft“ im Ruhrorter Lokal Harmonie vorstellte. Bei dem Fluss, der da kommen soll, handelt es sich um die Emscher, die nach ihrer Renaturierung ab 2020 wieder oberirdisch fließen soll.
Im Sommer 2016 hat die Lyrikerin und Übersetzerin Barbara Köhler auf einen Fluss gewartet, der erst 2020 fließen soll. Ihr Standort war eine Brücke auf dem Trockenen. Ergebnis ist der Text „42 Ansichten zu Warten auf den Fluss“, den sie beim Festival „Autorschafft“ im Ruhrorter Lokal Harmonie vorstellte. Bei dem Fluss, der da kommen soll, handelt es sich um die Emscher, die nach ihrer Renaturierung ab 2020 wieder oberirdisch fließen soll.
„Warten auf den Fluss“ ist ein Kunstwerk der niederländischen Gruppe „Observatorium“ in Form einer Holzbrücke mit drei Pavillons. Diese Arbeit wurde seit 2010 an wechselnden Orten entlang des erwarteten Verlaufs der „neuen“ Emscher aufgebaut. 2016 stand sie in Castrop-Rauxel.
Die mit zahlreichen Preisen geehrte Barbara Köhler lebt seit 1994 in Duisburg. Ihre Beobachtungen, Gedanken und Assoziations-Ketten hat sie in 44 neunzeiligen Texten komprimiert. Diese Texte tauchen ein in die Geschichte der Emscher, erzählen von ihrer Vergangenheit als Fluss und kanalisierte Kloake sowie ihrer Zukunft als Fluss von Menschens Gnaden. Doch einstweilen nimmt Barbara Köhler vor allem einen „Blechfluss“ – die nahe Autobahn – wahr, dessen Grundrauschen die Gegend erfüllt.
Die Grenzen der Muttersprache
Über die Umwälzung der Landschaft hinaus denkt Köhler an die Veränderung der Menschen in der Region. Jenseits von konkretem Raum oder bestimmter Zeit spürt sie zudem dem Klang und den Potenzialen der Sprache nach. Dabei überschreitet sie die Grenzen der Muttersprache, denkt beim Wörtchen „hier“ über die Bedeutung im Französischen („gestern“) nach und stellt Verbindungen her zwischen „hier“ und „gestern“. Manche solcher Entdeckungen mögen wie Pointen wirken, aber sie sind mehr als das. Sie stehen am Anfang neuer Gedanken. Die „42 Ansichten“ lassen sich gut einzeln lesen, aber sie entfalten auch hintereinander einen ungeheuren Sog. Die Texte verbinden auf erstaunliche Weise die Rhythmik und Bildhaftigkeit der Lyrik mit einem beinahe prosahaften „großen Bogen“. Jahre bevor die renaturierte Emscher wirklich fließt, hat Barbara Köhler einen eigenen Fluss aus Sprache geschaffen.