Duisburg. . Die Lyrikerin, die in Duisburg-Ruhrort wohnt, erinnert in ihrer Installation „Lethe/Wasserlösung“ im Museum DKM an die Fachsprache.

Barbara Köhler ist eine Wort-Künstlerin. Wie die in Ruhrort lebende Lyrikerin Kunst aus Worten macht, zeigt die Ausstellung „Kunst & Kohle – Die schwarze Seite“ im Museum DKM, wo sie in einen Raum rundum mit einem schwarzen Band in ein Wort-Flöz verwandelt hat. Ein Flöz, das sie „Lethe/Wasserlösung“ nennt. Der Name des Flusses ist in Schwarz auf Weiß zu lesen an der Stirnseite in fünf blockartig zusammengeschobenen Großbuchstaben LETHE.

1959 im sächsischen Burgstädt geboren

An den Längsseiten sind in glänzenden Buchstaben vier Texte in Schwarz auf Schwarz zu lesen, in denen man Fachbegriffe aus dem Bergbau entdecken kann; die hat die 1959 im sächsischen Burgstädt geborene Lyrikerin ihrer intensiven Beschäftigung mit der Kohle im Ruhrgebiet zu Tage gefördert.

Je nach Lichteinfall verschwinden die Worte im Schwarz, so wie in der Antike die Menschen ihr Leben vergaßen, wenn sie vom Wasser des Flusses Lethe in der Unterwelt tranken, bevor sie ins Totenreich eintraten. Und so wie auf der Oberfläche des Wassers das Gespiegelte verschwindet, wenn die Sonne untergeht. So schafft Barbara Köhler aus Fachbegriffen ein assoziationsstarkes, vergängliches Denkmal für die versinkende Ära des Steinkohlebergbaus im Ruhrgebiet, der diese Ausstellung gewidmet ist. Was bleibt, ist Erinnerung, geht unter oder wandert vom gelebten Leben in die Geschichtsbücher: „Ewigkeitslasten“ ist so ein starkes Wort.

Häfen über Flöz Sonnenschein

„Wörter treideln bergauf zum Rhein, wo die Ruhr mündet liegen die Häfen tiefer über Flöz Sonnenschein“: Mit diesen Worten erinnert die Lyrikerin an die fast vergessene Geschichte von der kalkulierten Absenkung der Ruhrorter Häfen in den 1950/60er Jahren durch den Abbau der darunter liegenden Kohleflöze; eines davon hieß Flöz Sonnenschein. „Der Hafen drohte zu versanden“, wissen wiederum die Bergbaukenner und DKM-Gründer Klaus Maas und Dirk Krämer um den praktischen Grund, an dieser Stelle mit dem Kohleabbau zu beginnen, „um die Befahrbarkeit für Schiffe wieder herzustellen“.

Barbara Köhler
Barbara Köhler © Patrick Seeger

Im Text, der mit „Baufeld Pluto“ beginnt und in dem Worte wie Strecken, Teufe, gebrächige Gebirge, Versatzberge oder toxische Stäube vorkommen, verbirgt sich der Hinweis auf die Zeche Pluto in Wanne-Eickel, in der sich die zentrale Leitwarte für die Wasserhaltung der Ruhrkohle AG befindet. Pluto – „Reichtum, Fülle“ – wiederum ist in der antiken Mythologie der Name eines Unterweltherrschers; eine andere Spur führt zu Tantalos, der wegen eines Frevels von den Göttern zu dauernden Qualen in der Unterwelt verdammt wurde, wie im Katalog zur Ausstellung nachzulesen ist. Ohne diese Nachhilfe sowohl über den Bergbau als auch über die griechische Mythologie wären die Texte heute kaum noch verständlich. Nicht so der vierte Text, der zurück reicht in die Vorgeschichte und erinnert an die „Meere, Moore und Wälder im Gebirge... die untergingen zum Gebirge wurden“. Er endet mit den Worten: „Der Steiger? Kommt die mehr; die Meere steigen.“

>>LESUNG ZUR FINISSAGE

Zum letzten Mal ist die Ausstellung „Kunst & Kohle – Die schwarze Seite“ am Sonntag, 16. September, von 12 bis 18 Uhr geöffnet. Zur Finissage liest Barbara Köhler um 16.30 Uhr aus der Publikation „42 Ansichten zu Warten auf den Fluss“.

Die Lyrikerin zog im Sommer 2016 im Rahmen der „Emscherkunst“ für zwei Monate in die bewohnbare Skulptur „Warten auf den Fluss“ der Rotterdamer Künstlergruppe Observatorium, um dort auf die seit Jahren nicht mehr vorbeifließende Emscher zu warten. Aus den Eindrücken und Gedanken dieser Zeit ist der Band „42 Ansichten zu Warten auf den Fluss“ entstanden.

Aufbauend auf dieser Publikation hat Barbara Köhler sich für die Ausstellung „Kunst & Kohle – Die schwarze Seite“ mit der Sprache der Bergleute und des Bergbaus befasst.

Die Buchhandlung Scheuermann verkauft am Büchertisch Publikationen von Barbara Köhler.

Barbara Köhler dichtet die Worte des Gomringer-Gedichts „Avenida“ neu 

Barbara Köhler ist vielfach ausgezeichnet worden, etwa 1997 mit dem Förderpreis des Lands NRW, 1999 mit dem Literaturpreis Ruhr, 2016 mit dem Peter-Huchel-Preis und jüngst mit dem Ernst-Meister-Preis für Lyrik. Als sie im vergangenen Jahr mit dem Alice-Salomon-Poetik-Preis ausgezeichnet wurde, konnte sie nicht ahnen, dass um ein Gedicht, das auf die Fassade der nach Alice Salomon benannten Hochschule in Berlin geschrieben wurde, ein Kulturkampf entbrennen würde. Unter die Barbara Köhler jetzt ihre Worte gesetzt hat.

Grund der Auseinandersetzung war das Gedicht „Avenidas“ von Eugen Gomringer. Sechs Worte in Spanisch über Alleen, Blumen, Frauen und einen Bewunderer. Der Asta las darin einen sexistisch-männlichen Blick auf Frauen, weil sie in eine Reihe mit Objekten gestellt worden seien. Das Gedicht sollte entfernt werden, eine heftige Zensur-Debatte entbrannte.

Barbara Köhler hat ein neues Gedicht geschrieben, in dem sie Worte Gomringers neu setzt und ergänzt. In den letzten Zeilen, die der Debatte die Spitze nehmen, lässt sie den „Bewunderer“ weiter ziehen: Bon Dia. Good Luck. Es soll auf die Fassade geschrieben werden.