Essen. Kupferdreh zählt zu den am stärksten betroffenen Stadtteilen. Der Deilbach wurde zum Strom, der bislang unmessbaren Schaden hinterließ.
Der Deilbach heißt Deilbach, weil er ein Bach ist, eigentlich. Er kommt aus Velbert und fließt an Kupferdrehs Hinterhöfen vorbei, bis unter die Bahn- und Autobahnbrücke im Zentrum des Stadtteils, und dort plätschert er in den Baldeneysee. Normalerweise. Doch der Deilbach wuchs auf das mindestens Dreifache seiner Größe, und deshalb zählt Kupferdreh zu den am stärksten betroffenen Stadtteilen.
Der reißende, schlammfarbene Strom, der gut und gern zehn Meter breit war, drang in alle Keller der Häuser ein, die am südlichen Teil der Kupferdreher Straße stehen. Er spülte Tiefgaragen bis unter den Rand voll, zerstörte Werkstätten, Souterrain- und Erdgeschosswohnungen.
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Deilbach nahm sogar Baucontainer mit
Das Wasser versetzte Autos, Baumstämme, Baucontainer. Der Bach fraß sich durch den Boden, so dass der komplette Laster einer Spedition in einem gigantischen Loch versank, und er legte sogar das mächtige Fundament der Bahnbrücke frei.
Die Brücke ist keine zehn Jahre alt und hat Betonpfeiler, die so dick sind wie Leuchttürme. Kein Mensch weiß, ob die Brücke noch hält, und wann die S 9 wieder fahren darf.
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Werkstatt-Besitzer Olaf Görke steht am Donnerstagmorgen vor seiner Kfz-Werkstatt, die direkt an der Deilbachbrücke im südlichen Kupferdreh liegt, er zeigt auf ein Meer aus Schlamm und Müll: „Alles Fratze.“ Nur ein Auto habe man am Vorabend retten können, kein Wunder: es stand zwei Meter hoch aufgebockt auf einer Hebebühne; der Rest: abgesoffen. „Allein mein Prüfgerät“, sagt Görke und zeigt auf ein Teil, das aussieht wie ein normaler Computer, „kostet 25.000 Euro. Ist Schrott.“ Bis unter die Decke habe sein Büro am Abend voller Wasser gestanden, „auf den Festplatten waren Kundendaten aus 26 Jahren. Ich kann bei null anfangen.“
Oberbürgermeister kündigt Hilfe an
Gleich um die Ecke, Kupferdreher Straße, stehen quaderförmige Neubauten, mehrgeschossige Wohnungen, errichtet um 2015, mit Tiefgarage. Doch die ist randvoll mit Wasser. „Ein Auto ist noch drin, die anderen konnten wir rechtzeitig retten“, sagt ein erschöpfter Anwohner in Gummistiefeln. Ein anderer klagt, der Boden seiner Erdgeschosswohnung sei ruiniert; es dauert nicht lang an diesem Vormittag, bis Oberbürgermeister Thomas Kufen ankommt, auch Ordnungsdezernent Christian Kromberg macht sich ein Bild vor Ort; Kufen sagt sofort: „Die Menschen können bis auf weiteres ins Hotel ziehen, die Kosten übernehmen wir.“
Mehr als 100 Bürgerinnen und Bürger mussten in Kupferdreh evakuiert werden, teilweise mit Booten, weil die Kupferdreher Straße zeitweise nicht mehr befahrbar war. An der Bahnstraße, die direkt zum Marktplatz führt, ist am nächsten Vormittag in der kompletten Häuserzeile der Strom weg, die Post bleibt zu, alle anderen Geschäfte auch. Eine Asiatin zieht nasse Decken aus dem Kofferraum ihres Kombis und will sie zum Trocknen aufhängen – nur wohin? Der China-Imbiss bleibt heute auch geschlossen; im Keller steht noch knietief das Wasser.
„Wahnsinn“, raunen die Menschen, zücken ihre Handys und sehen dem Deilbach beim Tosen zu. Mittlerweile sind meterlange, sehr dicke Holzbalken in Kupferdreh angekommen; die lagen bis zum Vorabend noch am Deilbachhammer an der Nierenhofer Straße; das historische Industriedenkmal wird derzeit saniert. Die Balken sollten dort eigentlich eingebaut werden. Wie groß der Schaden auch dort ist, kann – wie überall – derzeit noch niemand beziffern. Doch die Spur am historisch korrekt rekonstruierten Außenputz eines Arbeiterhauses zeigt deutlich: Mannshoch stand das Wasser hier; man erzählt sich auch von Fußgängerbrücken, die nicht mehr existieren, und unterdessen kommt immer weiteres Wasser von oben: Es fließt die Deile herab, eine schmale Straße aus den Höhen Byfangs.
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