Essen. Kulturszene steckt im Lockdown fest. Auch der neue Stufenplan könnte daran wenig ändern. Vieles sei unausgegoren, sagen Essener Veranstalter.
Für drei „Kerle im Herbst“ des Lebens könnte der Bühnenalltag in diesem Frühjahr wieder als erste beginnen. Max Schautzer, Christian Wolff und Horst Janson sind in einem Alter, in dem der Impftermin in nicht mehr allzu weiter Ferne scheint. Die drei Schauspieler sollen die ersten sein, die im Mai wieder im Rathaus-Theater das Publikum begrüßen.
Den Starttermin hat Theaterchef René Heinersdorff schon vor dem jüngsten Bund-Länder-Gipfel festgelegt. Bei manchem Kollegen habe das Abwarten bis Mai für Verwunderung gesorgt, sagt Heinersdorff. Doch trotz der in Aussicht gestellten Lockerungen in dem nun festgelegten Stufenplan, der in der vierten Phase erste mögliche Öffnungen von Kino, Theater und Oper bei entsprechender Inzidenz Ende März vorsieht, scheint es alles andere als sicher, dass die Vorhänge in den Theatern der Stadt in den nächsten Wochen hochgehen. Denn vieles ist nach wie vor ungeklärt. Vor allem die Frage der geforderten Schnell- und Selbsttests bei einer Inzidenz von 50 bis 100 sorgt in der freien Theaterszene für Ratlosigkeit.
Geltende Kontaktbeschränkungen machen Proben unmöglich
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Muss das Publikum das Testergebnis mitbringen oder müssen die Häuser Testungen am Ende selbst organisieren, womöglich sogar das Material zur Verfügung stellen? „Wir können das nicht leisten“, sagt Petra Broszeit vom Kleinen Theater am Gänsemarkt. Dort wartet man nun seit einem Jahr auf die Chance, wieder spielen zu können. Im Oktober gab es einen kleinen Zeit-Korridor, doch ausgerechnet zur Premiere von „Therapie“ ging die Klimaanlage kaputt.
Um das Stück nach Monaten nun endlich auf die kleine Bühne zu bringen, müsste aber erst einmal wieder geprobt werden. Doch nicht einmal das sei angesichts der aktuellen Kontaktbeschränkungen ja möglich, bemerkt Broszeit, zumindest nicht im Amateurtheater. Drei Schauspieler, Regie und Technik - fünf Erwachsene aus fünf verschiedenen Haushalten sieht die Coronaschutzverordnung derzeit nicht vor. Ein Problem von vielen. „Wir brauchen vier Wochen Vorlaufzeit“, sagt Petra Broszeit.
Doch wer weiß, ob die Inzidenzzahlen dann nicht schon wieder in die Höhe schnellen. „Die Notbremse schwebt über allem“, weiß Michael Steinhorst von der Studio-Bühne in Kray und spricht von „großer Unsicherheit“. „Tür auf, Tür zu ist auf der Bühne ein großer Spaß, aber für den laufenden Bühnenbetrieb ein Unding“, sagt der Vorsitzende. Trotzdem sei es „höchste Zeit, dass wieder aufgemacht wird. Wir sehen Licht am Ende des Tunnels“. Passende Stücke sind in Vorbereitung, am Wochenende nach Ostern könnte es mit dem Ein-Personen-Stück „Judas“ wieder losgehen. Auch der Theaterdialog „Love Letters“ ist fast startklar. „Wie es dann weitergeht, müssten wir wochen- und regelaktuell überlegen“, sagt Steinhorst.
„Höchste Zeit, dass wieder aufgemacht wird“
Künstler engagieren, Programme planen und veröffentlichen, das braucht seine Zeit. Im Werdener Bürgermeisterhaus schaut man deshalb vorsichtig in den April. Das Ostermontagkonzert könnte ein möglicher Auftakt sein, sagt Geschäftsführer Carsten Linck. Der jüngste Stufenplan signalisiere auf den ersten Blick Perspektiven, doch für Veranstalter biete die neue Corona-Schutzverordnung keine echte Lösung. Die Pläne seinen schlichtweg „unausgegoren, es stellen sich immer neue Fragen“.
Mit oder ohne Schnell- oder Selbsttest bliebe außerdem die Frage, wie viele Besucher sich derzeit überhaupt wieder ins Werdener Kulturwohnzimmer wagen würden. Möglicherweise würde mancher jetzt noch bis zum erhofften Impftermin abwarten, mutmaßt Linck. Trotzdem soll es im Bürgermeisterhaus bald wieder Angebote geben, schon allein um herauszufinden, ob die Nachfrage wieder anzieht. Der Ostermontag soll ein Testlauf sein. „Es kann aber auch sein, dass das Konzert wieder abgesagt wird.“
René Heinersdorff: „Wiedereröffnung muss auch wirtschaftlich verantwortbar sein“
Planen, hoffen und wieder verschieben: René Heinersdorff hat sich dagegen entschieden. „Wir haben uns, um weitere Kosten und Verunsicherungen zu vermeiden, in diesem Chaos entschlossen, vor allem aber, um es wirtschaftlich verantwortlich darstellbar zu halten, unser Theater erst wieder am 6. Mai zu öffnen“, heißt es auf der Homepage des Rathaus-Theaters.
Heinersdorff teilt mit vielen anderen Kollegen der Branche den Unmut darüber, dass ausgerechnet Theater, Kinos und Konzerthäuser trotz ihrer TÜV-geprüften Frischluftumsätze und umfangreichen Hygienekonzepte als „gefährliche Ansteckungsorte“ abgestempelt worden sind. Dabei wären gerade diese Kulturinstitute „ideale Orte, um der sozialen Vereinsamung in der Pandemie zu begegnen“, findet Heinersdorff und erklärt weiter: „Man hätte so Kultur auch anderen Bürgerschichten näherbringen können, was dann wiederum die Förderungen hätte begründen können. Schade, dass die Politik die Zeit im Sommer für diesen Weg nicht genutzt hat.“
Auch ab Mai rechnet Heinersdorff mit keinen besonders guten Zahlen. Doch man wolle noch vor den Sommerferien etwas zeigen, allein schon, „um die Geduld der Abonnenten zu belohnen“. Der Theaterchef glaubt auch, dass man im Mai mit den Impfungen schon viel weiter sei. Und das soll dann nicht nur für ein paar „Kerle im Herbst“ gelten.
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