Essen-Werden. Carsten Linck und Manfred Schunk vom Werdener Bürgermeisterhaus berichten über den Neustart nach langer Pandemie-Pause und finanzielle Nöte.
Das Kulturwohnzimmer des Ruhrgebietes darf wieder fürs Publikum öffnen. Carsten Linck und Manfred Schunk, der eine Geschäftsführer des Bürgermeisterhauses, der andere Vorsitzender des gemeinnützigen Fördervereins des Hauses, beratschlagen. Ungewöhnliche Lösungen sind das Gebot der Stunde. Welche Formen von Konzert kann man anbieten?
Umjubelter Boogie-Woogie-Abend
Erster Versuchsballon war ein umjubelter Boogie-Woogie-Abend mit dem Pianisten Jörg Hegemann Anfang Juni: „Der Künstler war seit Mitte März nicht mehr aufgetreten und ganz heiß darauf. Das Publikum ebenfalls“, resümiert Carsten Linck. Alle Gäste seien sehr diszipliniert gewesen: „Es lief wunderbar. Wir wussten um das Risiko, wollten aber ein Zeichen setzen. Doch bei aller Euphorie müssen wir auch schauen, dass sich das rechnet und über Gagen neu verhandeln. Die Programme sind jetzt kürzer, da wir ohne Pausen spielen.“
Auch beim ersten Literaturcafé nach der Zwangspause sah Linck dieses Leuchten in den Augen der Gäste: „Endlich wieder Normalität. Die Leute sind wie ausgehungert.“
Bislang sind nur kurzfristige Planungen möglich
Geschäftsführer Linck ist dennoch ungeduldig: „Dieses Warten macht mich wahnsinnig. Meinen üblichen Halbjahreskalender kann ich knicken. Ich plane gerade einmal bis September. Und zwar sehr vorsichtig, mit lokalen Künstlern. Ich kann schlecht im August jemanden aus München kommen lassen.“ Es könne ja durchaus wieder zu Verschärfungen kommen. „Wer weiß, was im Herbst wieder möglich ist. Alles ist so vage.“
Linck wird grundsätzlich: „Selbst in Kriegszeiten oder schlimmsten Wirtschaftskrisen war es nie so, dass du nirgendwo hingehen konntest. Gerade für die Kulturschaffenden ist Corona eine historisch nie dagewesene Situation.“ Die freie Kulturszene stehe mit dem Rücken an der Wand, viele Künstlerkollegen müssten Grundsicherung beantragen: „Ich finde es einfach erniedrigend, das sie da gleich in Hartz IV rutschen.“
Unterstützung beim Sonderfonds Kultur der Stadt
Öffentliche Hilfe sei aber im Anmarsch: „Der Kultur-Notfonds der Stadt Essen ist interessant für uns. Ich habe das mal überschlagen. Wenn ich die weggebrochenen Einnahmen gegen die eingesparten Ausgaben verrechne, haben wir bisher einen Verlust von 11.000 Euro eingefahren.“ Das sei schon ein happiger Betrag. Beim Sonderfonds Kultur der Stadt könnte die Werdener Kultureinrichtung Einnahmeausfälle geltend machen. „Natürlich ist das Volumen von 500.000 Euro zu klein für eine Großstadt, aber grundsätzlich toll, das überhaupt sowas angeboten wird.“
Da nickt Fördervereinsvorsitzender Schunk: „In Spanien, Italien oder den USA heißt es da nur: Pech gehabt.“ Carsten Linck betont: „Es geht um Kulturreichtum. Nicht umsonst sind in der klassischen Musik die meisten Top-Künstler hier und nicht in Amerika.“
Bürgermeisterhaus schwimmt auf einer Welle der Solidarität
Was denkt Linck eigentlich über den Trend, in YouTube-Clips zu konzertieren? „Ich kann das verstehen. Sich in Erinnerung bringen. Den Leuten eine Freude machen. Aber es ist auch ein fatales Signal. Kein Weinhändler würde die Kartons mit den Flaschen einfach so vor die Tür stellen. Außerdem sind 90 Prozent der Videos qualitativ nicht gut. Das ist kontraproduktiv.“
Viel spannender seien doch „echte“ Veranstaltungen. Das Bürgermeisterhaus schwimmt auf einer Welle der Solidarität: „Was in diesen Zeiten auch einfach mal gut tut.“ Es gab großzügige Spenden: „Wohl auch, weil wir im Haus eine persönliche Schiene fahren.“ Studierende und Professoren der nahe gelegenen Folkwang Universität der Künste bieten ihre Unterstützung an, zum Beispiel Pianist Till Engel.
Auch interessant
Bestuhlung im Haus kann frei gestellt werden
Manfred Schunk strahlt: „Ich fand das total klasse, als sich Till Engel gemeldet hat.“ Engel wird am 19. und 20. Juni Mozart-Werke wie die Sonate Nr. 11 A-Dur mit dem „Alla Turca“ vorstellen: „Die Karten wurden uns aus den Händen gerissen.“ Es geht noch weiter: „La Cellissima“ Maria Kliegel und ihr jahrelanger Duo-Partner Ludger Maxsein haben ebenso angeboten, zu helfen.
Mundschutzpflicht
Reservierungen sollen möglichst per E-Mail unter buergermeisterhaus@t-online.de vorgenommen werden: „Das behalten wir bei, solange wir nur weniger Plätze anbieten können“, so Carsten Linck.
Im Haus besteht Mundschutzpflicht. Erst am Platz darf der Mundschutz abgenommen werden. Es gibt nur eine eingeschränkte Getränkeausgabe auf Bestellung am Sitzplatz. Das komplette Erdgeschoss ist Kassenbereich und darf nicht zum Verweilen genutzt werden.
Carsten Linck weist auf die Vorteile des Bürgermeisterhauses hin: „Wir haben hier zwei separate Räume und können die Bestuhlung frei stellen. Ich habe ausgemessen und dann am Rechner die 34 Stühle virtuell hin und her gerückt, bis es passte. Das war im Grunde wie Tetris zu spielen.“
Auf einem Stuhlplan können sich die Besucher orientieren. Kleine Beistelltische runden das Ganze ab und machen das Ambiente noch „wohnzimmeriger“ als sonst.
Auch interessant