Essen. Essener Rathaus-Theater startet mit prominenter Besetzung in die neue Saison: Hugo Egon Balder und Jochen Busse glänzen im Stück „Komplexe Väter“
Küssen gilt in der indischen Öffentlichkeit als anstößig und unerwünscht. Und so gehört es dort auf den Bühnen zur Tradition, dass ein Gong ertönt, wenn zwei Liebende knutschen. Ab sofort gehört es auch zu den Darstellungsmitteln im Theater im Rathaus.
Den Trick mit dem Gong hat sich Heinersdorff von den Indern abgeguckt
Statt Wie ließe sich auch ein zärtlicher Kuss mit den üblichen Infektionsschutzmaßnahmen auf der Bühne vereinbaren? Und so erläutert Regisseur René Heinersdorff in einer Einleitung kurz das Corona-ABC und das Improvisationsprinzip des Gongs: „Zwei mal heißt mit Zunge.“ Den lautmalerischen Ersatz nahmen sie im Boulevardtheater gerne in Kauf. Schließlich musste der Bühnenvorhang seit März unten bleiben. Für den Start in die neue Saison lockt Theaterchef René Heinersdorff das Publikum gleich mit zwei Promis ins Rathaus: Hugo Egon Balder, bekannt durch die Erotik-Spielshow „Tutti Frutti“ und Jochen Busse, der einst an der Seite von Rudi Carrell das TV-Comedy-Format „7 Tage, 7 Köpfe“ etablierte.
Beiden hat René Heinersdorff die Rollen auf den Leib geschrieben: zwei Herren mittleren Alters, die nicht so wirklich mit ihrer Vaterrolle zurechtkommen. Eric (Balder) und Anton (Busse) haben sich zudem vor langer Zeit zerstritten und wollen sich nun wieder versöhnen. Doch die Ausgangslage lädt dazu nicht gerade ein: Anton ist mittlerweile mit Ute (gespielt von Maike Bollow) liiert, mit der Eric einst die gemeinsame Tochter Nadine (Josepha Grünberg) zeugte. Es herrscht also das übliche Patchwork-Familien-Chaos.
Kurzweiliges Boulevardstück mit frechen Wortwechseln und flotter Situationskomik
Übersichtlicher wird es auch nicht, als Nadine ihren neuen Freund nach Hause bringt. Denn der entpuppt sich nicht nur als ihr Therapeut, sondern ist genauso alt wie ihre beiden Väter. René Heinersdorff spielt diesen Björn als legeren Intellektuellen, der mit teurem Champagner hineinplatzt und ausgiebig über Habermas philosophiert. Nun vereinen sich die einstigen Rivalen. Ihr Ziel: dieser unüblichen Beziehung ein Ende setzen. Doch Björn nimmt die beiden Männer in einen therapeutischen Schwitzkasten.
Während die Frauen besonnen im Hintergrund agieren, poltern die drei gealterten Herren um die Deutungshoheit. Heinersdorff verpackt diesen Konflikt als kurzweiliges Boulevardstück mit frechen Wortwechseln und flotter Situationskomik. Vor allem schneiderte der Autor zwei Väter-Rollen, in denen Hugo Egon Balder und Jochen Bussean diesem Abend glänzen können. Als ihre Tochter vom neuen Freund umgarnt wird, ist ihnen das Entsetzen ins Gesicht geschrieben: zwei Gongs, zwei Grimassen. Dafür braucht es an diesem Abend gar keinen echten Kuss.
Die Komödie „Komplexe Väter“ läuft bis zum 18. Oktober im Theater im Rathaus, Porscheplatz 1, Essen.
Vorstellungen: Mi, Do, Fr, 19.30 Uhr (außer 14./15.10.; zusätzl. Di, 6.10.), Sa+So wechselnde Zeiten.
Tickets und Infos gibt es online auf www.theater-im-rathaus.de und telefonisch unter 0201-24 555 55.