Essen. Kultur und Corona: Essener Studio-Bühne spielt im Theaterfoyer. Publikum sitzt an Tischen auf Abstand. Im Angebot sind Soloabende und Lesungen.

2020 sollte eigentlich ein Festjahr für die Studio-Bühne werden. Im Frühjahr wollten die Akteure nach langer Umbaupause das 30-jährige Bestehen im runderneuerten Krayer Theatergebäude feiern – mit eigenen Jubiläums-Aktionen und befreundeten Gasttheatern. Doch es kam anders. Im Januar erschütterte zunächst der frühe, völlig unerwartete Tod der langjährigen künstlerischen Leiterin Kerstin Plewa-Brodam das Ensemble und die gesamte Essener Kulturszene. Und dann bremste Corona alle weiteren Projekte aus. Dass man ab September nun im Treppenaufgang den Neuanfang wagt, kann man auch symbolisch sehen. Es soll endlich wieder aufwärts gehen!

Das Publikum sitzt an nostalgischen Tischen mit Häkeldeckchen

Auch interessant

Noch allerdings steht hinter vielen Plänen ein Fragezeichen: Wann wird man den Theatersaal wieder für mehr Publikum öffnen können? Wann kann man wieder Stücke mit größerem Ensemble spielen? Und wie wird sich Covid-19 im Herbst generell aufs Kulturleben auswirken? In der Studio-Bühne ist man gefeit und fährt den Betrieb vorsichtig hoch. Zwölf Stühle sind zunächst einmal verteilt und verleihen dem Raum mit seinen Nierentischen und Häkeldeckchen jenen besonderen, etwas nostalgischen Charme, den die Besucher der Studio-Bühne so lieben.

Viele größer besetzte Stücke liegen erst einmal auf Eis

Serviert wird für den Anfang kein neues Stück, sondern szenische Lesungen, Gastspiele und Wiederaufnahmen wie Jörg Menke-Peitzmeyers Fußballstück „Seit wir zwei uns gefunden“ und „Empfänger unbekannt“ nach dem Roman von Kressmann Taylor, die mit kleiner Besetzung zu stemmen sind. Dafür wird der Treppenaufgang zum Bühnenraum. Ende Oktober gibt es dann sogar eine kleine, nachgeholte Premiere des Kinderstücks „Käpten Knitterbart und sein Bande“ vom Cornelia Funke. Autoren und langjährige Mitstreiter der Studio-Bühne wie Markus Behr („Vaterschaftstest“) und Sarah Jäger („Nach vorn, nach Süden“) kommen zu Lesungen an die Korumhöhe.

In Coronazeiten viel zu nah: Die „Komödie im Dunkeln“ mit Ralph Evers, Sebastian Hartmann und Michael Steinhorst (v. links) kann derzeit nicht gespielt werden.
In Coronazeiten viel zu nah: Die „Komödie im Dunkeln“ mit Ralph Evers, Sebastian Hartmann und Michael Steinhorst (v. links) kann derzeit nicht gespielt werden. © Studio Bühne Essen | Alejandro Rodriguez Nava

Die großen Projekte liegen aber zunächst einmal auf Eis. Die Premiere von Genets „Die Zofen“ musste bereits im Frühjahr ausgesetzt werden. Repertoire-Renner wie die „Komödie im Dunkeln“ und „Einer flog über das Kuckucksnest“ können wegen der großen Besetzung bis auf weiteres nicht gespielt werden. Auch „Bernarda Albas Haus“ von Federico García Lorca, mit dem die Spielzeit hätte starten sollen, kann erst einmal nicht einstudiert werden. „Neun Frauen auf einer Bühne, das ist komplett illusorisch“, sagt die Regisseurin und stellvertretende Vorsitzende Stefanie Beckmann.

Viel Personalaufwand für wenig Publikum am Abend

Weil die größeren Produktionen wegfallen, muss ein Großteil des Ensembles derzeit komplett andere Rollen übernehmen: am Einlass, an der Kasse, beim Catering. „Drei Leute plus Technik sind an jedem Abend im Einsatz“, berichtet der Vorsitzende Michael Steinhorst. Ein enormer Personalaufwand bei derzeit gerade mal zwölf Zuschauern. „Aber wir spielen, obwohl es sich nicht rechnet“, gibt sich Steinhorst entschlossen. Immerhin zeigten sich die Theaterverlage entgegenkommend. Die institutionelle Förderung der Stadt und ein Zuschuss aus dem Corona Sonderfonds helfen fürs erste. Unbezahlbar sei das Engagement der vielen Ehrenamtlichen. Auch das Publikum zeige sich mit Spenden und Kartenkäufen solidarisch.

Die ersten Tickets sind jedenfalls schon reserviert. Die Auswahl ist trotz Corona groß, für die nächsten zwei Monate sind rund 20 Veranstaltungen geplant. Es ist ein vorsichtiger Anfang zurück in den Spielbetrieb. Doch dem Amateurtheater fehlt der Vorlauf. Corona, bedauert Steinhorst, „raubt uns unsere künstlerischen Möglichkeiten. Wir können mehr Drama!“ Und das am liebsten ohne Pandemie.