Essen-Kettwig. Werner Ruhnau hat Elisabeth Stelkens im Testament lebenslanges Wohnrecht in der Villa garantiert. Nun wird um den Abriss des Hauses gerungen.

Werner Ruhnau hat mit seinen Theaterbauten unter anderem in Münster und Gelsenkirchen sowie dem Umbau des Essener Grillo-Theaters architektonische Meilensteine gesetzt. Sein Domizil am Bögelsknappen in Kettwig war ein hoch geschätzter Ort der Kunst und Literatur. Bis zu Ruhnaus Tod im März 2015 immer an seiner Seite: Elisabeth Stelkens. Ihr hat er testamentarisch ein lebenslanges Wohnrecht in der Villa garantiert. Nun bangt sie um ihre Zukunft, denn der Eigentümer der Villa hat bei der Stadt den Abriss angezeigt.

„Ich habe Angst um meine Zukunft“, sagt die 88-Jährige ganz offen im Gespräch mit dieser Zeitung. „Niemals hätte Werner gedacht, dass sein Haus verkauft wird – oder gar abgerissen.“ Der Mann mit der kecken Strickmütze, die ihm im Übrigen Elisabeth Stelkens mehr zum Spaß verpasst hat und die er fortan zu seinem charakteristischen Kleidungsstück erhob, dieser Mann hatte viele Pläne für das Haus, das er 1981 als Mieter bezog und 1995 kaufte.

Hausfeste in der Architekten-Villa standen allen Bürgern offen

An der Wand ein Gemälde, das Elisabeth Stelkens und Werner Ruhnau zeigt. Das Paar fand 1979 zusammen, für Beide die zweite große Liebe.
An der Wand ein Gemälde, das Elisabeth Stelkens und Werner Ruhnau zeigt. Das Paar fand 1979 zusammen, für Beide die zweite große Liebe. © FFS | Vladimir Wegener

Etliches hat er verwirklicht: Kunstschaffenden bot er ein Forum, Literaturkreise gab es, Ausstellungen zogen das Publikum aus der Region nach Kettwig. Regelmäßig fanden Hausfeste und Konzerte statt, die allen Bürgern offen standen. Die Räume im Souterrain stellte Werner Ruhnau für verschiedene Projekte zur Verfügung. Dort tagten das „Philosophische Café“, aber auch etliche Initiativen. In der Architekten-Villa wurde zum Beispiel die „Meile der Künste“ (später „musikalisch-kulinarische Meile“) aus der Taufe gehoben.

Aber nicht aus allen Plänen Werner Ruhnaus wurde etwas: Wie etwa das „Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne“ des Künstlers Hugo Kükelhaus, das der gemeinnützige Verein „Organismus und Technik“ vorangetrieben hat und das auf dem städtischen Grundstück hinter dem Gebäude realisiert werden sollte. Von 1981 bis 2003 befand sich der Vereinssitz in der Villa Ruhnau; Vorsitzende waren Werner Ruhnau, dann seine Lebensgefährtin Elisabeth Stelkens. Ziel war es, Objekte auf dem Grundstück zu installieren. „Dass hinter der Villa ein Jugendhaus und später die private Kita war, hat ihm nicht sehr gefallen“, sagt Elisabeth Stelkens rückblickend und ist voller Sorge.

Forderung nach Erhalt

Die Petition des Nachbarschaftskreises Bögelsknappen haben mehr als 2100 Menschen unterzeichnet. Gefordert wird die Erstellung eines Aufstellungsbeschlusses für einen Bebauungsplan, um Nutzung und Umgebung der Villa städtebaulich steuern zu können.Die Zeichnungsfrist ist verlängert bis mindestens 10. Februar: openpetition.de/!ffhcz.

Eigentümer gab sich freundlich, aber sprach von Abriss

Seitdem die Kita-Container vor zehn Jahren einem Brand zum Opfer fielen, hat sich die Natur das Grundstück zurückerobert. Was Elisabeth Stelkens und die Anwohner am Bögelsknappen zwar freut. Aktuell will die Stadt aber das Areal veräußern. Großes Interesse daran habe der Eigentümer der Villa Ruhnau, weiß Stelkens. „Es ist von großen Bauten die Rede“, sagt die Seniorin. „Die Villa soll abgerissen werden, um dort auch zu bauen.“

Im Sommer 2020 sei der Eigentümer bei ihr zu Besuch gewesen, berichtet sie. „Er war sehr freundlich, hat sich umgeschaut und meine Sammlung von blauen Gläsern bewundert.“ Aber er habe auch davon gesprochen, dass die Bausubstanz der Villa marode sei, er der Stadt den Abriss anzeigen werde. Die Lebensgefährtin von Werner Ruhnau ist geschockt: „Die Mieter sind gekündigt. Meine Zukunft ist ungewiss. Irgendwann sitze ich hier vollkommen allein im Haus.“

Das Gebäude am Bögelsknappen stammt aus dem Jahr 1905. Viele Bürger verbinden damit ein wertvolles Stück Kettwiger Geschichte und wehren sich gegen ein Bauprojekt mit Luxuswohnungen auf dem Grundstück.
Das Gebäude am Bögelsknappen stammt aus dem Jahr 1905. Viele Bürger verbinden damit ein wertvolles Stück Kettwiger Geschichte und wehren sich gegen ein Bauprojekt mit Luxuswohnungen auf dem Grundstück. © FFS | Vladimir Wegener

Sie tritt hinaus auf die sogenannte „Zauberberg“-Terrasse: Hier wurden einst die Kinder in ihren Betten hingeschoben, um den Genesungsprozess an der frischen Luft zu begünstigen. „Wie in Thomas Manns ‘Zauberberg’ war das wohl“, sagt die 88-Jährige lächelnd und fährt fort: „Das Haus hat viel mitgemacht, war Gaststätte, Bürgersaal, Kinderkrankenhaus. Einiges wurde umgebaut. Aber ganz viel ist noch im Originalzustand. Ein Stück Geschichte Kettwigs halt.“

Antrag wird im Ausschuss für Stadtentwicklung beraten

Wie viel wird davon bleiben? Abriss, Teilabriss? Die Fassade nur noch als Makulatur für eine luxuriöse Eigentumswohnanlage? Der Nachbarschaftskreis Bögelsknappen ringt mit Unterstützung des Arbeitskreises Essen 2030, dem Bündnis Grüne Lungen für Essen sowie Naturschutzorganisationen um den Erhalt des Villen-Ensembles.

Ideen aus dem politischen Raum gibt es. Und auch einen Antrag, der im Ausschuss für Stadtentwicklung, -planung und Bauen am 4. Februar behandelt werden soll: einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan. Gleichzeitig soll es in dem Gremium nach Informationen dieser Zeitung allerdings auch um den bislang zurückgestellten Verkauf des städtischen Grundstücks hinter der Villa gehen.

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