Essen. Eine Ausstellung im Museum Folkwang zeigt Pläne und Werdegang von Kulturbauten, von der Mercatorhalle übers Grillo zum Musiktheater im Revier.
Joan Crawford hat ihr Strahlelächeln angeknipst und blickt entzückt auf ein Modell des Gelsenkirchener Musiktheaters im Revier (MiR). Die Szene spielt sich Anfang der 60er-Jahre an der New Yorker Park Avenue ab, im Hauptquartier von Pepsi Cola, wo es eine Ausstellung über moderne deutsche Architektur gab. Das war die Zeit, da auch das Ruhrgebiet eine Art „Labor für die demokratische Stadt im Deutschland nach dem Krieg“ war, sagt Barbara Welzel, Professorin für Kunstgeschichte an der TU Dortmund.
Und nirgendwo spiegelt sich der Wunsch nach Offenheit, Transparenz und gleichberechtigtem Miteinander so sehr wie in den Kulturbauten der Zeit. Es sollten keine Musentempel zur ehrfürchtigen Anbetung von Musik, Theater, Oper und Tanz sein, sondern Menschen kultiviert zusammen und in einen Austausch bringen, für den die Kunst der zündende Funke sein sollte.
Joan Crawford war vom Musiktheater Gelsenkirchen begeistert
Eine Ausstellung im Essener Folkwang-Museum zeigt nun die Pläne für zehn der neuen Bauten, von der Duisburger Mercatorhalle (die trotz Denkmalschutzes schon abgerissen ist) bis zum Ostwall- und dem Naturkundemuseum in Dortmund. Die Ausstellung ist ein Gemeinschaftsprojekt des Folkwang mit der TU Dortmund und dem Baukunstarchiv, die im Projekt „Stadt Bauten Ruhr“ gemeinsam noch bis 2021 architektonische Besonderheiten des Reviers erkunden, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Dass man im Folkwang nun in die Werkstatt der Architekten, aber auch in die zeitgenössischen Debatten um diese Kulturbauten blicken kann, ist dem noch jungen NRW-Baukunstarchiv in Dortmund zu verdanken, das in eben jenem einstigen Landesoberbergamt eine Heimat gefunden hat, aus dem das Ostwall-Museum vor zehn Jahren ausgezogen ist, um in den U-Turm zu wechseln.
Werner Ruhnau und die Wiedergeburt der mittelalterlichen Bauhütte
Dutzende von Architekten-Nachlässen beherbergt das Archiv bereits, darunter auch den von Werner Ruhnau, dem Architekten des Musiktheaters im Revier. Ruhnaus Arbeitsweise, mit Künstlern und Handwerkern in Gelsenkirchen eine Art Bauhütte zu errichten, um Hände und Köpfe des Bauens gemeinsam wirken zu lassen, um die spektakuläre Schönheit der Entwürfe Wirklichkeit werden zu lassen. In der Ausstellung lassen sich Dokumente wie Ruhnaus Typoskript zu seiner pathetischen Eröffnungsrede in Archivschubladen entdecken, Zeitungsartikel, Skizzen und mehr.
Wie die Essener Aalto-Oper, die erst drei Jahrzehnte nach dem Sieg Alvar Aaltos im Architekten-Wettbewerb von 1959 fertiggestellt wurde, ist auch das MiR ein ikonischer Neubau. Aber die weitaus meisten Kultur-Einrichtungen im Revier sind An-, Um-, Rück- oder Erweiterungsbauten, etwa das Essener Grillo-Theater, das Kunstmuseum Gelsenkirchen in Buer (dessen zweiter Teil aus Geldmangel nie gebaut wurde) oder das Bottroper Schmuckstück Quadrat, das im Herbst kommenden Jahres mit mehr Fläche neu eröffnen soll.
David Chipperfield und sein Folkwang-Neubau
Oder auch das Gebäude, in dem diese Ausstellung unter dem Titel „Und wo etwas steht in Gelsenkirchen“: Das Folkwang-Museum, das erst in den 80er-Jahren einen Erweiterungsbau bekam, der aber keine drei Jahrzehnte später schon so marode war, dass David Chipperfield die Chance bekam, das zu bauen, was man sich schon in den 50er-Jahren erhofft hatte: Ein Museum, das sich zur Stadt und ihrer Gesellschaft hin öffnet und mehr ist als ein Tresor für Kunstschätze.