Marl. Die Ausstellung kritisiert die negativen Auswirkungen für das Klima, die sich aus einem übertriebenen Leistungsdenken ergeben.
Im Keller des Rathauses von Marl tummeln sich Clowns, Pantomimen und Zauberer, auf einer Wiese sitzen Menschengruppen, die musizieren und lachen. Es sind Videoaufnahmen, die auf Wände projiziert werden und einen Eindruck vermitteln, wie die Olympische Spielstraße 1972 in München aussah. Steht man davor, fühlt man sich schnell als Teil des Gewusels.
Die Schau „Die Spielstraße München 1972“ im Skulpturenmuseum Glaskasten Marl, das sich im Erdgeschoss und Keller des Rathauses befindet, ist ein Kooperationsprojekt mit den Urbanen Künsten Ruhr. Sie gehört zum Projekt „Ruhr Ding: Klima“. Die Ausstellung zeigt viele Werke, die Künstler während der Olympischen Spielstraße hergestellt haben, Dokumente und unveröffentlichte Videoaufnahmen.
Doch was hat die Münchener Spielstraße in Marl verloren? Was hat das mit Klima zu tun? Und was ist überhaupt die Spielstraße?
Skulpturenmuseum Marl zeigt Ausstellung über historische „Spielstraße München 1972“
Die Olympische Spielstraße in München lag unweit des Olympiastadions und war die Idee des 2015 verstorbenen Essener Theaterarchitekten Werner Ruhnau. Parallel zu den olympischen Wettkämpfen 1972 haben dort auf einem Areal Künstler zusammen mit Besuchern Theater gespielt, musiziert, gemalt.
Der Direktor des Glaskasten, Georg Elben, sagt: „Die Olympischen Spiele in München wurden in Kontrast zu Nazideutschland konzipiert.“ Was die Veranstalter auch durch die partizipative und klamaukige Spielstraße zu erreichen versuchten. Zudem sollte sie Sportler, Künstler und Bürger zusammenbringen. Spielregeln: Schiedsrichter gibt es nicht, auf messbare Ergebnisse kommt es nicht an.
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Das Prinzip Partizipation ist Museumsdirektor Elben auch für die Ausstellung wichtig. Im Eingang des Museums, zugleich der Eingang in die Ausstellung, können Besucher mit dem Künstler Béla Pablo Janssen Siebdrucke anfertigen – und mit nach Hause nehmen. Zuvor muss man sich per E-Mail anmelden.
Neben der Siebdruckmaschine steht ein menschengroßes Hamsterrad, genannt „Olympische Tretmühle“, des Künstlers Timm Ulrichs, in dem er auf der Spielstraße in München jeden Tag in Straßenkleidung die Distanz eines Marathon gelaufen sei, wie Elben sagt.
Deformierte Puppen verdeutlichen Auswüchse eines übertriebenen Leistungsgedanken
Womit wir beim zweiten Thema der Schau sind: Klima. Laut Elben kritisiert Timm Ulrichs mit dem Hamsterrad den im Wirtschaftssystem angelegten Fortschrittsgedanken, der sich im Privaten in die Maxime „immer größer, schneller, weiter“ übersetzt.
Sie führe dazu, dass wir mehr konsumieren, als wir benötigen – was nicht nur den Planeten ruiniere, sondern auch das gesellschaftliche Klima ins Wanken bringe. Das Problem verdeutlichen auch menschengroße Puppen im Keller der Ausstellung – vom Doping aufgedunsene und kränklich-deformierte Körper. „Hier sehen wir eine Kritik an diesem unbedingten Leistungswillen“, sagt Elben.
Relevant für das Ruhrgebiet ist die Spielstraße vor allem auch, weil viele der Exponate der Ausstellung im Archiv „Werner und Anita Ruhnau“ in Essen befunden haben. Nach dem Anschlag auf die jüdischen Mannschaft bei der Olympiade in München wurde die Spielstraße geschlossen und im Nachgang kaum rezipiert.