Essen. Theaterspielen, um die Trauer zu überwinden: Studio-Bühne zeigt die „Komödie im Dunkeln“, das erste Stück nach dem Tod von Kerstin Plewa-Brodam.
„Komödie im Dunkeln“ heißt die kommende Premiere der Studio-Bühne. Aber noch scheint das Lachen schwer zu fallen, liegt seit dem überraschenden Tod von Kerstin Plewa-Brodam doch tiefe Nachtschwärze über dem Krayer Theater. Jahrzehnte lang hat die Schauspielerin und Regisseurin das Haus künstlerisch geführt, war Herz und Kopf des hochambitionierten Amateurtheaters und nebenbei noch eine unermüdliche Netzwerkerin und Impulsgeberin der freien Szene.
„Das Lebenswerk von Kerstin Plewa-Brodam ist für uns Auftrag und Verpflichtung“
Dass man nach dem plötzlichen Tod der erst 59-Jährigen am 9. Januar nun an der Korumhöhe weitermacht, ist für den Vorsitzenden der Studio-Bühne, Michael Steinhorst, trotzdem keine Frage: „Ihr Lebenswerk ist für uns Auftrag und Verpflichtung zugleich.“ Und so feilt er an diesem grauen Nachmittag mit immer noch dunkel verschatteten Augen an Peter Shaffers rasanten Pointen und versucht wie so viele andere in der Essener Theaterszene, das Unglaubliche zu begreifen.
„Da ist diese Lücke, diese unglaubliche Lücke“, seufzt Andreas Gruber, der schon viele Produktionen in der Studio-Bühne begleitet hat und für die „Komödie im Dunkeln“ nun Regie führt. „Ich widme diese Komödie Kerstin“, sagt Gruber in einer Probenpause. Für ihn und viele andere sei diese Vollblut-Künstlerin eben nicht nur Kollegin, sondern Freundin gewesen. Geschätzt, gemocht, geliebt: Viele, die sich dem Essener Kulturleben verbunden fühlen, erwiesen Kerstin Plewa-Brodam bei der Beerdigung die letzte Ehre.
Am Tag des Abschieds war auch von all der Arbeit die Rede, die Kunst nun mal bedeutet. 26 Theaterproduktionen von „Anne Franks Tagebuch“ bis zur „Loriots Dramatischen Werken“ hat die Regisseurin seit der Eröffnung der Studiobühne auf der Korumhöhe inszeniert, nicht minder herausfordernde Rollen gespielt und sich für das Kinder- und Jugendtheater engagiert. Zuletzt ging es vor allem um den Erhalt der sanierungsbedürftigen Theaterimmobilie. Hunderte ehrenamtlicher Arbeitsstunden waren in den Umzug und in die vielen organisatorischen Aufgaben geflossen. Erst im vergangenen Jahr konnte die feierliche Wiedereröffnung gefeiert werden. Dass Kerstin Plewa-Brodam nun, wo die Früchte der vielen Arbeit doch endlich einmal zu genießen gewesen wären, das frisch sanierte Haus nicht mehr in Aktion erleben kann, schmerzt das gesamte Ensemble.
Die Energie, ihre Herzlichkeit und die hohe Professionalität bleiben in Erinnerung
Spiel mit hell und dunkel
Hell ist dunkel, dunkel ist hell: Mit seiner „Komödie im Dunkeln“ stellt Peter Shaffer die Sehgewohnheiten auf den Kopf. Denn während die Schauspieler nach dem Kurzschluss im Stück vermeintlich im Dunkeln tappen und auch so spielen müssen, bleibt das Bühnenlicht natürlich eingeschaltet. Um den Effekt des Nachtwandelns zu trainieren, habe man einen Großteil des Stücks mit Schlafmaske probiert, verrät Regisseur Andreas Gruber.
Wer sich den turbulenten Bühnenspaß nicht entgehen lassen möchte: Die Premiere am 1. Februar ist bereits ausverkauft, für den 2. Februar gibt es nur noch Restkarten. Weitere Termine: 7., 8., 21. und 22. Februar, 20 Uhr, sowie 23. Februar, 18 Uhr.
Tickets unter Tel. 55 46 01 (14-17 Uhr) und 55 15 05 (Anrufbeantworter) sowie per Mail an info@studio-buehne-essen.de.
Trotzdem sei die Bereitschaft groß, dass es weitergeht, betont Steinhorst. Ihre Energie, die Lust am Spiel, die Herzlichkeit und hohe Professionalität seien das Erbe von Kerstin Plewa-Brodam. „Ich spüre ihre Seele und dass sie immer noch die Fäden zieht“, sagt Sebastian Hartmann, der im neuen Stück von Altmeister Peter Shaffer den Bildhauer Brindsley Miller spielt, der seinen Schwiegervater in spe mit lauter Einrichtungsbluffs beeindrucken will. Bis ein Kurzschluss die schönen Pläne durcheinanderwirft.
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Auf dem Spielplan der Studio-Bühne indes ist auf lange Sicht noch alles wohlsortiert. Zum Welttheatertag im März werden sie „Die Zofen“ spielen, ein neues Projekt für den Stadtbezirk ist in Planung. Die „Mühen der Ebene“ wie Verwendungsnachweise schreiben und Förderanträge stellen, die werden sie wohl erst später spüren, fürchtet Steinhorst: „Da werden wir uns einarbeiten.“ Er weiß, dass irgendwann auch neue Menschen im Vorstand Verantwortung übernehmen müssen. Doch noch ist so vieles vorbereitet. Sogar die Eröffnungspremiere der nächsten Spielzeit hat Kerstin Plewa-Brodam längst geplant.
Für einen Vollblut-Theatermenschen wie sie ging es schließlich immer weiter. Nur Stunden vor ihrem unerwarteten Tod hatte die engagierte Bühnenfrau noch über neue Kooperationspläne mit der Theater und Philharmonie gesprochen. Am Tschechow-Abend des Aalto-Balletts hätte Plewa-Brodam – der die Verzahnung von Profi- und Amateurtheater-Strukturen am Herzen lag – wohl so gerne mitgewirkt wie am geplanten Handke-Stück zum zehnten Jubiläum der „Theaterhäppchen“ in diesem Herbst. Auch so ein Herzensprojekt.
Reaktion aus Russland und den USA
„Immer in Aktion für ihre Lebenspassion“, hat der Bund Deutscher Amateurtheater über seinen Nachruf geschrieben. Langjährige Kooperationspartner wie das russische Theater Vera reagierten bestürzt auf die Todesnachricht. Es gab sogar Beileidsbekundungen aus den USA und Kanada, wo Kerstin Plewa-Brodam in den vergangenen Jahren auf Gastspielreise unterwegs war. 2014 wurde sie beim Treffen der American Association of Community Theatre Florida zur „Outstanding Actress“ gekürt. In diesem Jahr hätte Plewa-Brodam, die mit fünf Jahren zum ersten mal als Hahn in „Frau Holle“ auf der Bühne stand, ihr 55-jähriges Bühnenjubiläum feiern können. „Siggi wäre stolz auf mich gewesen!“, soll sie zuletzt gesagt haben. Erst im vergangenen Jahr war ihr Vater Siegfried, Gründer und langjähriger Leiter der Studio-Bühne gestorben.
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„Somewhere over the Rainbow“ haben sie bei der Beerdigung gespielt. Und für manche ist es keine Frage, das Tochter und Vater Plewa irgendwo hinterm Regenbogen schon gemeinsam an einer neuen Produktion arbeiten.