Von einem der auszog, um Bauingenieur zu werden – und dann Theaterleiter wurde: Das Leben von Siegfried Plewa ist bühnenreif. Nicht zuletzt, weil er selbst den Großteil seines Lebens den Brettern, die die Welt bedeuten, gewidmet hat: Am 28. Februar ist es genau 65 Jahre her, seitdem der Vorsitzende der Studio-Bühne in Kray vom Theater-Virus infiziert wurde.
Na ja, wenn man es ganz genau nimmt, kam die Initialzündung einige Monate früher, denn der Virus packte ihn nicht auf der Bühne, sondern bereits, als er als Halbstarker, wie man Teenager damals gerne nannte, im Publikum saß. Dort, genauer gesagt im Schauburg-Theater in Heide, Schleswig-Holstein, sah er das Stück „Der Strom“ von Max Halbe. Seine Augen glänzen noch heute, wenn der 81-Jährige daran denkt. „Das war ein emotionales Erlebnis, das mich total gepackt hat“, erinnert er sich. „Da wusste ich: Ich will Schauspieler werden.“
Doch wie das immer so ist: Seine Mutter hatte andere Pläne, wollte, dass er etwas vernünftiges lernt. Immerhin fand der damals 16-Jährige schnell eine Truppe, bei der er nebenbei seiner Passion nachgehen konnte: „Das waren professionelle Theatermacher, die durch den Krieg in Holstein hängengeblieben sind und eine Gruppe gründen wollten.“ Er bewarb sich für eine Rolle – ausgerechnet in dem Stück „Der Strom“. „Ich habe mich beim Vorsprechen gegen einen professionellen Schauspieler durchgesetzt“, lächelt Plewa verschmitzt.
So feierte er am 28. Februar 1948 seine Bühnenpremiere. Drei Jahre lang spielte er beim Laienspielkreis Ost, während er beruflich zunächst in die Fußstapfen seines Vaters trat und eine Maurerlehrer machte. „Dann bin ich nach Essen gezogen, weil ich hier Bauingenieurswesen studieren wollte.“ Und natürlich fand er auch hier eine Amateurtheatertruppe – die gefiel ihm jedoch erst mal so gar nicht, denn die Laienspielschar Essen-West, aus der knapp 40 Jahre später die Studio-Bühne werden sollte, machte Theater auf die Weise, auf die Laien nun mal Theater machen, wenn sie von der Materie selbst nichts verstehen. „Die haben nicht vernünftig gesprochen und konnten die Bühne nicht ausfüllen. Ich habe denen, nicht zuletzt geprägt von meiner Erfahrung mit den Profis, gesagt: Das muss besser gehen – und die haben geantwortet: Dann mach es doch besser!“ Ein Jahr später übernahm er die Spielleitung. Seinen Anspruch, dass Theaterspielen nicht nur Spaß machen soll, sondern dass dabei auch Dinge vermittelt werden müssen, die der Persönlichkeitsbildung dienen, hat er sich bis heute erhalten.
Damals wurde schnell klar: Plewas Leidenschaft fürs Theater war zu groß, als dass da Platz für ein Bauingenieurs-Studium in seinem Leben war. „Mein Bruder hat mich überredet, wie er Postbeamter zu werden.“ Dank flexibler Arbeitszeiten ermöglichte ihm dieser Schritt einerseits eine Beamtenlaufbahn im mittleren Dienst, andererseits eine beachtliche Amateurschauspiel-Karriere: In uber 100 verschiedene Rollen ist er seitdem geschlüpft, ebenso viele Stücke hat er inszeniert. Welche Rolle ihm am meisten ans Herz gewachsen ist, könne er gar nicht sagen: „Es waren jedoch immer Figuren mit Problemen, die mich fasziniert haben“, sagt er.
Aktuell ist er auf seiner Studio-Bühne nicht zu sehen – aber zu hören: In „Von Mäusen und Menschen“ spricht er die Rolle des Farmers vom Off aus. „Mein körperlicher Zustand macht es mir schwer, mich auf die Bühne zu bewegen“, bedauert er. „Und ich würde unglücklich werden, wenn mich das Publikum nur noch mitleidig anblickt.“ Ein Profi muss auch wissen, wann es an der Zeit ist, aufzuhören.
Das Ende einer Ära
Gut 60 Jahre hat Siegfried Plewa die Geschicke des Amateurtheaters gelenkt, das heute unter dem Namen „Studio-Bühne“ bekannt ist. Im April soll diese Ära zu Ende gehen: Dann will er den Vorsitz des Trägervereins abgeben. Theater müsse sich verändern, um lebendig zu bleiben, sagt er und räumt dabei ein, nicht mehr jede Entwicklung inhaltlich nachvollziehen zu können.
Dass sich sein Nachfolger, der bei der nächsten Vereinsversammlung gewählt werden soll, gut einfinden wird, daran zweifelt er nicht: „Bei uns hat nie alles an einer Person gehangen, es war immer eine ganze Reihe, die sich engagiert hat.“
Sorgen bereitet ihm allerdings das Haus: 1990 bekam die Laienspieltruppe mit der alten Leither Schule an der Korumhöhe erstmals eigene vier Wände von der Stadt zur Verfügung gestellt. Doch vor zwei Jahren beschied ein Gutachten der Stadt dem Gebäude einen baufälligen Zustand. Viel Sympathiebekundungen von Seiten der Politik habe man seitdem erhalten, eine endgültige Lösung gibt es bis heute allerdings nicht: „So lange die Fenster nicht rausfallen, lässt man uns hier wohl spielen“, folgert Plewa.
Dass die Studio-Bühne irgendwann doch schließen muss, falls die Stadt nicht notwendiges Geld in die Hand nimmt, will Plewa nicht akzeptieren: „Wir haben viel wichtige Kultur- und Jugendarbeit für Kray geleistet. Wenn die Studio-Bühne nicht mehr hier wäre, entstünde eine große Lücke.