Essen. Die Studio-Bühne feiert 25-jähriges Jubiläum mit einem Tag der offenen Tür und dem „Theatermacher“. Das Stück soll auch auf bauliche Mängel hinweisen
Als Thomas Bernhard seine große, 1985 uraufgeführte Künstlerkomödie „Der Theatermacher“ erdachte, da war das auch eine Abrechnung mit den Eitelkeiten des Schauspielerdasein, den Ansprüchen des Bühnenbetriebes und der Kulturlosigkeit in der Provinz.
Dass die Studio-Bühne in Kray-Leithe das Stück zum 25-jährigen Vorort-Jubiläum ausgewählt hat, liegt da nicht ganz fern. Vom Gasthof zum „Schwarzen Hirschen“, in den der einst gefeierte Staatsschauspieler Bruscon eines Tages mit seiner Entourage einfällt, um über die hohe Kunst zu schwafeln und dabei von der Schäbigkeit des muffigen Wirtssaals eingeholt zu werden, bis zum in die Jahre gekommenen Gebäude der Studio-Bühne ist es nicht so weit. Zetern würde einer wie Bruscon auch hier über die „baulichen Unzulänglichkeiten“, die die renovierungsbedürftige Amateurtheater-Bühne seit Jahren aufweist: Abriss, Umzug oder die lange notwendige Sanierung, das ist hier die Frage.
Wer sehen will, wo’s hapert, kann mit Bruscon in diesen Tagen auf Entdeckungsreise durchs Haus gehen. Gespielt wird in Wolfgang Grubers tiefgründiger Inszenierung nämlich zwischen Hausflur, Hausbar und Bühne. Die hat in den vergangenen 25 Jahren mehr als 250.000 Zuschauer gesehen. Kreativität ist in der einfachsten Hütte.
Von Kray bis Nishnij Nowgorod
Den „Theatermacher“ gibt’s im Rahmen der Jubiläumswoche heute (20 Uhr) noch einmal plus Freigetränk. Weitere Vorstellungen: 9. Mai (20 Uhr), 10. Mai (18 Uhr),13. Mai (20 Uhr) sowie am 30. Mai (20 Uhr) u. 31. Mai (18 Uhr). Karten (14/erm. 12 €) unter 55 46 01 und per Mail an info@studio-buehne-essen.de.
Ende Mai geht die Studio-Bühne Essen wieder auf große Fahrt. Dann gastiert das Krayer Off-Theater anlässlich des 70. Jahrestages des Kriegsendes 1945 mit „Mutter Furie“ nach einer Novelle von Guy de Maupassant beim „Theater Vera“ in Essens Partnerstadt Nishnij Nowgorod, Russland.
Shaffer, Gogol, Steinbeck standen hier auf dem Programm und nun also Bernhard. Sein Theatermacher hat in Darsteller Andreas Gruber durchaus ein Bühnen-Scheusal von Format gefunden. Wie dieser selbstbesoffene Menschenschinder und Theater-Despot durchs Haus stolziert, den Mantelsaum braun vom Schlamm der Geschichte, und das „Utzzzzbach“ förmlich in den Saal spuckt, das hat Kraft und langen Atem, sogar einen ziemlich langen.
Ein wenig Straffung hätte dem Abend nicht geschadet, auch wenn das bei Bernhard meist zum beredten Schweigen verdammte Rest-Ensemble den eitlen Dampfplauderer mit munterem Spielwitz umstellt: Kerstin Plewa-Brodam ist als dauergedemütigte Gattin eine wahrlich furchterregend hüstelnde Bernhard-Traviata. Johannes Brinkmanns Wirt hat die holzgetäfelte Behäbigkeit bis ins Hemden-Muster übernommen.
Wo seine Frau (Heidi Matten) feudelt, ist die Ruppigkeit zuhause, während das durchdringende Grau ihrer Tochter (Sandra Mader) schon Thrillerzüge hat. Bruscons Tochter (Ann-Kathrin Hundt) ist ein talentiertes aber freches Ding mit Kaugummi, wobei man kaum glauben mag, dass der Papa diese Flegelei dulden würde, wenn er die Kleine wieder mal mehr als väterlich auf den Schoß zieht. Sebastian Hartmanns Sohnemann ist ein Sonderling im nostalgischen Fliegeroutfit (Kostüme: Noemi Baumblatt).
Applaus zur Premiere und auch die Politik kam, sah – und machte Hoffnung, dass eine Sanierung nun doch in Aussicht steht. Auch wenn sich Bruscon am Ende des Abends das totale Schwarz wünscht, dürfte in der Studio-Bühne das Licht so bald nicht ausgehen.