Essen. . Die Zahl fehlender Plätze in der Kinderbetreuung erreicht in Essen einen neuen Höchststand. Die Versorgungsquote (Ü3) sinkt unter 90 Prozent.
Die Zahl fehlender Betreuungsplätze für Kinder hat einen neuen Höchststand erreicht. Im laufenden Kindergartenjahr gibt es im Stadtgebiet rund 3000 Plätze zu wenig. Die Versorgungsquote bei den Kindern zwischen drei und sechs Jahren sinkt erstmals unter 90 Prozent, obwohl sie eigentlich bei annähernd 100 Prozent liegen müsste.
Diese Daten gehen aus einer aktuellen Vorlage des Jugendamtes hervor, mit der sich der Jugendhilfeausschuss in der kommenden Woche beschäftigt.
In den Zahlen sind schon Tagespflege-Plätze eingerechnet
Lag die Zahl fehlender Plätze in den letzten Jahren bei rund 2500, erreicht sie jetzt erstmals knapp die 3000er-Marke: 2912 Plätze fehlen derzeit. Um zu ermitteln, wie viele Plätze fehlen, geht man bei kleinen Kindern bis zu drei Jahren von einer Versorgungsquote von 40 Prozent aus, bei Kindern zwischen drei und sechs Jahren von 100 Prozent. In diese Zahlen eingerechnet sind nicht nur Kita-Plätze, sondern auch die Betreuungsmöglichkeiten, die Tagesmütter und -väter anbieten.
Essener Eltern reagieren entsetzt auf die neuesten Zahlen: Mit „Erschrecken und Fassungslosigkeit“ habe man die Vorlage zur Kenntnis genommen, teilt der Jugendamtselternbeirat (JAEB) mit, das offizielle Gremium in Essen für Väter und Mütter von Kindern im Vorschulalter. Die Entwicklung, die weiter nach unten zeige, sei „kaum noch nachzuvollziehen“, wenn man bedenke, dass die Prognosen seit Jahren bekannt sind.
Rund 600 Kita-Plätze wurden nicht eingerichtet
Die Stadt begründet die immer größer werdende Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei der Kinderbetreuung mit einem erneuten Zuwachs der Zahl von Kindern – bedingt durch Geburten und Zuzüge. Außerdem seien längst nicht alle Plätze, die für dieses Jahr in Aussicht gestellt wurden, tatsächlich realisiert worden. Knapp die Hälfte der 1500 zusätzlichen Betreuungsplätze, die es seit dem Sommer 2018 eigentlich geben müsste, gibt es noch gar nicht – entweder, weil sich Bauarbeiten neuer Kitas verzögern. Oder, weil Plätze – die Rede ist von 130 – gar nicht, wie angekündigt, eingerichtet werden können.
„Katastrophale Versorgungslage“
Entsprechend scharf fällt die Kritik der Eltern aus: „Die Beteuerungen der Stadt der letzten Jahre, alles Erdenkliche für den Kita-Ausbau zu tun, müssen mittlerweile erheblich in Zweifel gezogen werden“, sagen die JAEB-Vorsitzenden Carolin Claas und Matthias Neufeld. Stadt und Land müssten jetzt die Genehmigungsverfahren für neue Kitas oder Erweiterungsmaßnahmen massiv beschleunigen. „Anders ist von einem Ende der katastrophalen Versorgungslage in den nächsten Jahren nicht abzusehen.“
1055 neue, zusätzliche Plätze ab Sommer
Die Stadt prognostiziert unterdessen für das nächste Kita-Jahr, das im Sommer beginnt, eine leichte Entspannung: Dann soll angesichts von 1055 neuen, zusätzlichen Plätzen die Versorgungsquote bei den Kindern zwischen drei und sechs Jahren wieder bei 93,3 % liegen. „Der Ausbau hängt dem Bedarf weiter erheblich hinterher“, entgegnet der JAEB, „die Ergebnisse sind aus Elternsicht mehr als frustrierend.“
>>> ELTERN KÖNNEN KLAGEN
- Eltern von Kindern, die älter als ein Jahr sind, haben einen gesetzlichen Anspruch auf einen Betreuungsplatz.
- Dieser Platz kann eingeklagt werden.
- Die Klagen können aber nicht einrichtungsscharf gestellt werden, sondern nur allgemein.
- Beobachter gehen derzeit davon aus, dass die Zahl der anhängigen Klagen in Essen einen mittleren, zweistelligen Betrag ausmachen. „Viele halten die Füße still aus Angst, schlecht behandelt zu werden“, heißt es.