Essen. . Die Stadt hat Auskunft über die Verträge mit dem Zeltdorf-Betreiber European Homecare gegeben. Das hat die Bild-Zeitung gerichtlich erstritten.
- Stadt Essen muss Verträge über Flüchtlingsdörfer mit European Homecare offenlegen
- Betreiberfirma hatte je nach Belegung gestaffelte Mieten vereinbart
- Platz im Zeltdorf kostete zwischen 1146 und 3820 Euro pro Monat und Person
Die zehn Zeltdörfer, die die Stadt betrieben hat, waren nicht nur die teuerste Unterbringungsform für Flüchtlinge. Die Verträge mit Betreiber European Homecare (EHC) waren auch so gestaltet, dass bei einer geringeren Belegung jeder Platz immer teurer wurde. Die Pauschalen muss die Stadt nach dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster (OVG) nun offenlegen.
Wie berichtet, hatte die Bild-Zeitung exemplarisch nach den Kosten und Vertragslaufzeiten für die Zeltdörfer am Pläßweidenweg in Horst und am Kappertsiepen in Kray gefragt und die Auskünfte gerichtlich erstritten.
Je nach Belegung 1146,06 bis zu 3819,55 Euro pro Person
Aus der Antwort geht hervor, dass für den Standort Kappertsiepen eine Vergütungspauschale von 401.121 Euro pro Monat bei einer Vollbelegung mit 350 Personen fällig wurde. Das entspricht einem Satz von 1146,06 Euro pro Bewohner. Bei einer Belegung mit 250 Flüchtlingen wäre dieser auf 1255,59 Euro gestiegen.
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Hätten nur 50 Menschen im Zeltdorf gelebt, hätte EHC noch 190.977,50 Euro pro Monat erhalten – stolze 3819,55 Euro pro Person.
Ganz ähnlich gestaffelt sind die Pauschalen für den Pläßweidenweg. Dort berechnete EHC noch eine Pauschale von 595 Euro pro Person und Monat für Ausstattungsmobiliar und Trennwände.
In der Flüchtlingskrise gab es keine Container mehr
Schon Anfang 2016 hatte die Stadt erklärt, dass die Unterbringung eines Flüchtlings im Zeltdorf im Schnitt 2029 Euro pro Monat koste, doppelt so viel wie im Container.
Das Gros davon – 1706 Euro – gehe an EHC für Unterkunft und Verpflegung. Das passt mit den jetzt genannten Zahlen bei Vollbelegung zusammen: In der Pauschale von 1146,50 Euro sind die anteiligen Mietkosten für Zelte und Sanitärcontainer nämlich nicht enthalten: Diese Rechnungen gab EHC an die Stadt weiter, die sie komplett beglich.
Bemerkenswert ist, dass die Stadt dazu noch viel höhere Vergütungspauschalen hätte zahlen müssen, wären die Zelte nicht ausgelastet – das wirtschaftliche Risiko war wohl recht einseitig verteilt.
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„Aber wir hatten ja keine halbleeren Zelte, im Gegenteil: Wir mussten zeitweilig ein Zeltdorf nach dem anderen eröffnen“, sagt der Leiter des Amtes für Soziales und Wohnen, Hartmut Peltz.
In der Krisensituation 2015 habe es auf dem Markt keine Container mehr gegeben, „und andere Städte, die etwa Traglufthallen gekauft haben, mussten wochenlang darauf warten“.
Betreiber wollte Offenlegung der Zahlen verhindern
Dass man in dieser Zeit ein gutes Geschäft gemacht hat, bestreitet nicht mal EHC. Die Veröffentlichung der Zahlen habe man nur verhindern wollen, um der Konkurrenz „keinen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, wenn diese sieht, wie wir unsere Leistungen berechnen“, sagt EHC-Sprecher Klaus Kocks.
Das Oberverwaltungsgericht wertete das Interesse von Medien und Bürgern höher, „die sparsame und sachgerechte Verwendung öffentlicher Mittel“ überprüfen zu können.
Das gelte auch für eine möglicherweise „überlange“ Vertragsdauer. Tatsächlich wurden alle Zeltdörfer für ein Jahr gemietet, bestätigt Peltz. Bei den drei vorzeitig aufgegebenen Standorten habe die Stadt noch Restzahlungen an den Zeltbauer überwiesen, EHC habe dagegen auf weitere Pauschalen verzichtet.
EHC-Chef Ende 2014: "150 bis 350 Euro pro Person und Monat"
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Man darf annehmen, dass die Firma bis dahin bereits recht gut verdient hatte: Vor zwei Jahren hatte EHC-Geschäftsführer Sascha Korte in einem Interview mit uns erklärt, dass Unterbringung, Verpflegung und Betreuung von Flüchtlingen bisweilen mit nur 150 bis 350 Euro pro Person und Monat kalkuliert würden.