Essen. Die Essener Firma European Homecare (EHC) betreibt Flüchtlingsheime und geriet im Sommer in die Kritik, als aus einem Heim in Burbach Fotos misshandelter Asylbewerber auftauchten. EHC-Geschäftsführer Sascha Korte spricht im Interview über den Vorfall und sein Geschäftsmodell.
Der Geschäftsführer von European Homecare (EHC), Sascha Korte, hat im Interview mit uns den Vorwurf zurückgewiesen, dass sich seine Firma auf Kosten von Asylbewerbern bereichere. EHC war im Sommer in die Kritik geraten, als bekannt wurde, dass Wachleute in einem Asylheim in Burbach Bewohner misshandelt hatten. Am vergangenen Freitag hatten Menschenrechts-Aktivisten die Firmenzentrale besetzt und EHC vorgeworfen, systematisch an den Flüchtlingen zu sparen.
Herr Korte, European Homecare ist ein Familienbetrieb, der seit 1989 besteht. Wie kommt man auf die eigentümliche Idee, mit Flüchtlingsunterkünften Geld zu verdienen?
Sascha Korte: Die Idee kam auf meinen Vater zu: Er ist gebürtiger Essener, betrieb aber im Sauerland eine Pension. Gegenüber waren Flüchtlinge untergebracht, die damals über die grüne Grenze kamen, und da hat man ihn gefragt: „Mensch, kannst Du die nicht mit verpflegen?“ Das waren die Anfänge, später ging er in den Osten, wo die Kommunen von Flüchtlingen, etwa aus dem Kosovo, überfordert wurden. Dort begann er mit dem Betrieb kleinerer Unterkünfte.
Welche Expertise brachte Ihr Vater denn dafür mit?
Gastronomie und Beherbergung. Das war anfangs ja nicht viel anders als eine Pension für 30, 40 Leute. Der erste große Schritt für ihn war 1995 die neue Erstaufnahme im sächsischen Chemnitz.
Für die öffentliche Hand sind Flüchtlingsunterkünfte Verlustbringer – wie machen Sie damit Geld?
Wir bewerben uns auf eine öffentliche Ausschreibung, wie es sie auch für andere Dienstleistungen gibt; und da steht neuerdings immer: „Der günstigste Anbieter bekommt den Zuschlag“.
Und was machen Sie besser als der Staat, um günstiger zu sein?
Unsere Entscheidungswege sind nicht so lang wie bei Ämtern oder großen Wohlfahrtsverbänden, weil wir eine schlanke Verwaltung haben. Wir kaufen Einrichtung und Verpflegung per Großorder; wir bekommen Betten schneller und billiger als die Behörden.
Und Sie liefern alles aus einer Hand: Unterkunft, Essen, Sicherheit und Soziales. Als die Stadt Essen im vergangenen Jahr in kürzester Zeit zwei Noteinrichtungen in Dilldorf und Frintrop errichten musste, bekamen Sie – ohne Ausschreibung – den Zuschlag. Jetzt sagen Kritiker: Mit solchen Paketlösungen gibt der Staat jede Kontrolle aus der Hand.
Im Gegenteil: Als Privatfirma werden wir besonders streng kontrolliert. Bei uns sind sofort alle vom Brandschutz bis zum Gesundheitsamt vor Ort. Und: In den städtischen Asylheimen saß nur von 9 bis 16 Uhr ein Unterkunftsverwalter – die Rund-um-die-Uhr-Betreuung haben wir eingeführt.
Die Aktivisten, die dieser Tage Ihre Firmenzentrale besetzt hatten, sagen, Sie sparen dafür am Essen und an der Qualifikation des Personals.
Wir kennen das alle noch aus der Jugendherberge: Wo für viele gekocht wird, heißt es dann oft: „Das Essen schmeckt nicht.“ Nein, wir machen haargenau das, was in der Ausschreibung steht. Wenn da studierte Sozialpädagogen gefordert werden, stellen wir die ein. Andernorts wird das bewusst nicht verlangt, da haben wir zum Beispiel einen ehemaligen Asylbewerber, der sechs Sprachen spricht. Der hat möglicherweise in Afghanistan kein Diplom in Sozialarbeit gemacht, dafür bringt er seine Lebenserfahrung mit.
Den Wachmännern, die in Burbach Flüchtlinge gequält haben, fehlte es offenbar sowohl an Diplomen als auch an Menschlichkeit. Haben Sie da bei der Einstellung nicht so genau hingeschaut?
Ein böser Vorfall, der sich nicht wiederholen darf. Der von uns engagierte Wachdienst hatte einen Subunternehmer beauftragt. Allerdings haben auch dessen Leute allesamt saubere Führungszeugnisse vorgelegt. Im übrigen ist es sehr schwer, geeignete Kräfte zu finden. Damit hat in Burbach jetzt auch das Deutsche Rote Kreuz zu kämpfen, das die Einrichtung übernommen hat. Die Behörden dürfen Mitarbeiter von Sicherheitsfirmen nicht mehr freischalten, wenn sie unzureichend ausgebildet sind oder gar rechtsradikal. Am liebsten wäre uns die Polizei selbst.
Ein Lonsdale-Shirt oder bestimmte Tattoos können schon Hinweise geben. Zudem gab es Warnungen, dass in Burbach etwas schief läuft.
Bei mir, das versichere ich Ihnen, ist nichts davon angekommen. Wir haben trotzdem die Verantwortung für die Vorfälle übernommen. Wir machen jetzt ein strenges Audit zur Sicherheitskultur in den Einrichtungen über eine internationale Sicherheitsberatung.
Die öffentliche Reaktion haben Sie „zum Teil hysterisch“ genannt. . .
Nicht jeder ist da reinen Herzens. Das Klischee von einer bösen Privatfirma passte zu gut ins Bild. Plötzlich kamen überall neue Vorwürfe auf. . .
. . . auch in der Landeseinrichtung im Essener Opti-Park soll es Körperverletzungen gegeben haben.
Wir begrüßen und unterstützen die Ermittlungen. Zur Wahrheit gehört, dass es auch bei den Asylbewerbern nicht nur friedfertige Situationen gibt. Die Sicherheitsleute müssen auch Bewohner vor einander schützen; wir erörtern das nicht öffentlich, aber es ist keine einfache Aufgabe. Wir verdienen übrigens nichts am Wachdienst, sondern reichen die Rechnung eins zu eins weiter: Der Staat hat da eine hoheitliche Aufgabe aus der Hand gegeben. Wir hören auch Klagen aus den Einrichtungen, dass die Polizei nicht immer sofort kommt, wenn Hilfe gerufen wird.
Ein starker Vorwurf. Fühlen Sie sich vom Staat allein gelassen
Nein, wir haben kein asylpolitisches Mandat. Aber es wird wohl manchmal spät und manchmal nur halbherzig auf die Situation reagiert. Es ist ja unsere Aufgabe, auch im Eiltempo Unterkünfte wie den Opti-Park einzurichten. Hausherr ist dort bis heute das Land. Wir sind froh, dass mittlerweile auch Mitarbeiter der Bezirksregierung vor Ort sind. Das Taschengeld konnten wir in einem Fall nicht an alle Bewohner auszahlen, weil die richtigen Namenslisten fehlten. Aber es sind alle Beteiligten bemüht, ihr Möglichstes zu geben; wir sind dabei nur der Dienstleister.
Herr Korte, Sie weisen darauf hin, dass European Homecare liefert, was die Ausschreibungen verlangen. Haben Sie keine Fehler gemacht?
Das fragen wir uns jeden Morgen neu. Aber wir erbringen das, was für den Preis möglich ist. Ein Beispiel, wie es durch die Presse gegangen ist: Wenn Sie für Unterbringung, Verpflegung und Betreuung zwischen 150 und 350 Euro je Asylbewerber pro Monat bekommen, dann ist das rechnerisch Vollpension für 5 bis 12 Euro pro Tag. Das ist also eine politische Frage: Was wollen wir als Bürger dieses Landes für Asylsuchende ausgeben?
Das hört sich für uns doch eher nach Dumping-Betreuung als nach Fürsorge an. . .
Nochmal: Wir machen, was in der Leistungsbeschreibung steht – und den Zuschlag bekommt immer der günstigste Anbieter.
In der von European Homecare betriebenen Unterkunft im österreichischen Traiskirchen starb im Jahr 2003 ein Bewohner nach einer Massenschlägerei, eine Frau aus Kamerun warf einem Wachmann vor, sie vergewaltigt zu haben. Wegen dieser Vorfälle galt EHC als Wiederholungstäter, als die Misshandlungen in Burbach bekannt wurden.
In Traiskirchen gab es eine Einrichtung mit 1500 bis 2000 Bewohnern, da waren ungefähr 80 Beamte sowie 70 Polizisten auf dem Gelände – aber wir, die von der deutschen Firma, waren am Ende in der österreichischen Öffentlichkeit die Dummen. Dabei hatten wir den Wachdienst sofort geschasst. Es war mein persönlicher Fehler, dass ich damals das Schlagwort von der Wirtshausschlägerei übernommen habe. Aber wo viele Menschen vieler Nationalitäten mit diesem Schicksal zusammenkommen, kann immer etwas passieren. Niemand kann ausschließen, dass es da Konflikte gibt, leider.
Die Stadt Essen will in Zukunft in den Asylunterkünften lieber wieder auf die Wohlfahrtsverbände sowie auf die Stadttochter RGE für die Sicherheit setzen. Schmerzt Sie das?
Wir haben keine Probleme mit den Städten, das sind unsere geschätzten Kunden. Ich denke aber, eine Gebietskörperschaft wird ein vergaberechtliches Problem bekommen, wenn sie zu vergebende Leistungen nicht ausschreibt. Wir selbst haben vielleicht in der linksautonomen Szene ein Imageproblem, aber nicht bei der öffentlichen Hand: Unsere Auftragslage ist gut.