Oberhausen. Als die giftige Wolke vom Krefelder Düngemittelwerk über den Duisburger Westen zog, stand das öffentliche Leben kurzzeitig still. Leere Straßen, verschlossene Fenster und Türen - wir haben bei den Betroffenen nachgefragt, wie sie die Ausnahmesituation erlebt haben.
Für ein paar Stunden stand in Rumeln und Friemersheim das öffentliche Leben still. Als die Wolke vom brennenden Krefelder-Düngemittelwerk vormittags in Richtung Duisburg zog, ging nichts mehr. Leere Straßen, verschlossene Fenster und Türen - man wähnte sich in einer Geisterstadt. Auf dem Markt in Friemersheim packten die Händler schnell zusammen - angesichts des vorsorglich ausgelösten Alarms kamen eh keine Kunden.
Krankenhäuser, etwa das Johanniter-Krankenhaus in Bergheim, wurden aufgefordert, die Klimaanlagen auszuschalten. Da die Gefährlichkeit der Wolke am frühen Morgen noch nicht abschätzbar war, gab es außerdem die Anweisungen, Intensiv-Betten für Rauchgas-Opfer frei zu halten.
Ausnahmezustand auch an den Schulen: Gemäß Anweisung aus dem Krisenstab mussten Fenster und Türen geschlossen und die Schüler in den Pausen drin bleiben. „Gott sei Dank waren wir nur peripher betroffen“, berichtet Karl-Heinz Weber, Leiter des Rumelner Albert-Einstein-Gymnasiums. am Mittag. „Inzwischen bemerkt man auch leichten Brandgeruch. Heute Vormittag konnte man die Wolke zwar deutlich sehen, aber sie ist nördlich der Düsseldorfer Straße an uns vorbei gezogen.“
Betreuung bis 14 Uhr
Bis 14 Uhr mussten auch Weber und sein Team außerplanmäßig Betreuung für die Schüler sicher stellen, denn erst dann sollten die Kinder nach draußen entlassen werden. „Dafür sind natürlich die Räume der Mittagsbetreuung geöffnet, und außerdem verzichten die Mitarbeiter der Stadtbücherei-Zweigstelle in unserem Gebäude auf ihre Mittagspause, damit sich dort Schüler aufhalten und beschäftigen können.“
Mehr Kinder als üblich saßen bei der Evangelischen Kindertagesstätte an der Friemersheimer Clarenbachstraße am Mittagstisch. „Wir sind von der Stadt informiert worden, dass wir die Kinder bis 14 Uhr betreuen sollten“, sagt die stellvertretende Leiterin Waltraud Wiemer-Görtz. So blieben auch die, die sonst zu Hause essen. Man habe Kinder vor dem offiziellen Betreuungsende um 16.30 Uhr nur auf eigene Gefahr und auch nur von Eltern mit Autos abholen lassen.
Keine Entwarnung
Da von der Stadt zunächst keine Entwarnung kam, ließen die Verantwortlichen Fenster und Türen geschlossen. Die Informationspolitik der Verwaltung könnte laut Wiemer-Görtz besser sein. Man sei als kirchliche Einrichtung nicht im Verteiler der Stadt, daher habe man sich auf Aussagen von Eltern oder auf Nachrichten im Radio und Internet verlassen müssen. In den Verteiler aufgenommen zu werden, sei bisher nicht möglich gewesen.
Was zudem Beobachtern in Friemersheim auffiel, war das neue Sirenensystem in der Stadt. Die Kritik: Der Brand sei gegen 7 Uhr ausgebrochen und erst um 8.45 Uhr sei Alarm ausgelöst worden.
"Wir halten uns an die Vorgaben der Stadt"
Mitten in der Qualmwolke, die vom Hafen über den Rheinbogen bei Uerdingen in Richtung Stadtgrenze zog, lagen Teile des „Chemparks“, des ehemaligen Bayerwerkes. Auch dort war Aufenthalt im Freien tabu: „Wir halten uns an die Vorgaben der Stadt“, erklärt Sprecherin Bettina Pöhler. „Die Mitarbeiter sind angewiesen, geschlossene Räume aufzusuchen. Jetzt warten wir auf die Entwarnung.“ In den Werkshallen lief die Arbeit weiter - und ein Teil der Chempark-Belegschaft musste auch draußen ans Werk: Die Werksfeuerwehr unterstützte vor Ort die Löscharbeiten.
Seit Jahren warnen Umweltverbände wie die Rheinhauser Bürgerinitiative „Saubere Luft“ vor dem, was die Industrieanlagen in Krefeld-Uerdingen in die Luft pusten. Vieles, was aus den Schornsteinen herauskomme, trage der Wind bis in den Duisburger Westen. „Das ist natürlich auch bei einem Brand nicht anders“, sagt der Vorsitzende Norbert Bömer. Wichtig sei eine funktionierende Störfallverordnung, ganz unabhängig vom gestrigen Brand.