Duisburg/Krefeld. Nach dem Großbrand einer Düngemittelfabrik in Krefeld hängt noch immer eine große, stinkende Rauchwolke in der Luft. Anwohner sollen weiter Türen und Fenster geschlossen halten. In Duisburg bleiben Donnerstag Schulen und Kindergärten in betroffenen Stadtteilen vorsorglich geschlossen. Nach ersten Vermutungen könnte ein technischer Defekt den Brand ausgelöst haben.
Der Großbrand bei dem Krefelder Düngemittelhersteller Compo hält die Menschen in Krefeld und Umgebung weiterhin in Atem. Die Stadt Duisburg trifft nun weitere Sicherheitsvorkehrungen. So sollen am Donnerstag Schulen und Kindergärten in den vom Brandrauch besonders betroffenen Stadtteilen Rumeln-Kaldenhausen, Rheinhausen, Friemersheim und Mündelheim geschlossen bleiben. In den übrigen Stadtteilen finde der Unterricht aber ganz normal statt. Die Stadt wird auch den anderen freien Trägern raten, dies so zu handhaben. In Notfällen werden die Eltern gebeten, sich an die reguläre Kindertageseinrichtung zu wenden, von hier aus werde versucht, einen Notbetreuung zu organisieren, so Stadtsprecherin Susanne Stölting.
Der Krisenstab der Stadt Duisburg hat sich zu dieser Vorsichtsmaßnahme entschieden, weil die Feuerwehr am Mittwochnachmittag mit schwerem Gerät gegen die Glutnester vorgeht, die unter den Trümmern des Hallendaches lagern. "Es wird erwartet, dass die Rauchentwicklung dann noch einmal zunimmt", heißt es aus dem Krisenstab. Es ist nicht abzusehen, wann diese Arbeiten abgeschlossen sind. Sie werden aber wohl mehrere Stunden bis in die Nacht dauern.
Besser kein Obst und Gemüse aus eigenem Anbau mehr verzehren
Die Schadstoffwerte lägen aber weiterhin unterhalb der Toleranzgrenze, das hätten auch die kontinuierlichen, halbstündigen Messungen ergeben. Allerdings seien die Geruchsbelästigungen im Umfeld der Rauchwolke besonders intensiv. Die Bezirksregierung Düsseldorf empfiehlt, vom Verzehr von Obst und Gemüse aus eigenen Gärten und Schrebergärten abzusehen.
Auch interessant
Die Stadt Krefeld hingegen hält weiter an ihrer bisherigen Warnung fest. Dort werden Schulen und Kindergärten auch am Donnerstag regulär geöffnet sein, lediglich östlich der A57 sollten sich die Menschen Türen und Fenster geschlossen halten, erklärte Stadtsprecher Manuel Kölker. Nach wie ergeben diese Messungen keine problematischen Ergebnisse. Auf ihrer Facebook-Seite hat die Stadt Duisburg Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Brand in Krefeld veröffentlicht.
Rauchwolke wird Bürger noch tagelang belästigen
Insbesondere über den Stadtteilen im Duisburger Süden und Südwesten hängt der Geruch nach Verbranntem in der Luft. Im Duisburger Süden fährt das Technische Hilfswerk durch die Straßen und rät den Menschen per Lautsprecher, Türen und Fenster weiter geschlossen zu halten. Die 500 Meter breite und dichte Rauchwolke zieht weiterhin von Krefeld in nördliche Richtung.
Nach oben korrigiert werden musste am Mittwoch die Zahl der Verletzten: sechs Menschen werden derzeit stationär im Krankenhaus behandelt. Darunter drei Feuerwehrleute, zwei Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes und die Mitarbeiterin eines Caterers, der die Feuerwehr während der Löscharbeiten mit Essen versorgt.
Diese Kindergärten und Schulen in Duisburg bleiben vorsorglich geschlossen
Beeinträchtigungen gibt es derzeit für Autofahrer: Die B288 Duisburg / Krefeld ist in Höhe der Uerdinger Rheinbrücke gesperrt. Außerdem gibt es auf der A 57 zwischen Krefeld Gartenstadt und Kreuz Moers Sichtbehinderungen durch den Brandrauch. Mindestens bis zum Donnerstagnachmittag bleibt die A-57-Abfahrt Krefeld-Zentrum in Richtung Uerdingen gesperrt. Ziel sei es, so Bernd Löchter von Straßen-NRW, "vor allem den Lkw-Verkehr aus der betroffenen Region herauszuhalten".
Rhein war nach Havarie eines Sportbootes gesperrt
Die Fahrt aufnehmen durfte hingegen am Mittwochmorgen wieder der Rhein-Verkehr. Am späten Dienstagnachmittag musste der Strom nämlich noch einmal gesperrt werden, nachdem sich ein niederländisches Sportboot in der Höhe von Mündelheim zwischen zwei Kribben festgefahren hatte. "Bei dem Versuch, dieses Boot zu bergen, fuhr sich dann auch ein Schiff der Wasserschutzpolizei fest", erklärt Polizei-Sprecher Stefan Hausch. Da sich zu diesem Zeitpunkt auch noch der Wind drehte und der Rauch sich wieder in Richtung der beiden Havaristen bewegte, rettete ein Leichtboot der Feuerwehr beide Besatzungen. Da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass sich die Schiffe wieder in Richtung Fahrrinne bewegen, war der Strom bis 7.40 Uhr am Mittwochmorgen gesperrt.
Bis zum späten Vormittag warteten aber immer noch viele Binnenschiffer darauf, losfahren zu können. "Das hängt damit zusammen, dass die Wasserschutzpolizei und das Wasser- und Schifffahrtsamt die Schiffe einzeln ansprechen und zur Weiterfahrt auffordern müssen", erklärt Polizei-Sprecher Stefan Hausch.
Lautsprecherdurchsagen im Duisburger Süden
Auch am Mittwochvormittag fährt das Technische Hilfswerk mit Lautsprecherwagen durch die Straßen des Duisburger Südens und weist die Bevölkerung darauf hin, Türen und Fenster geschlossen zu halten. Denn weiterhin hängt dichter Brandrauch über Mündelheim, Serm, Rahm und den Stadtteilen im Südwesten (Friemersheim, Rumeln). Ähnlich zeigt sich die Situation in Moers.
Klar ist auch, dass die Krefelder Bürger noch eine ganze Weile mit der Rauchwolke und einer starken Geruchsbelästigung leben müssen. "Es stinkt", sagt Feuerwehrsprecher Dohmen, dagegen könne man auch nichts machen. Die Aufforderung, Türen und Fenster geschlossen zu halten, bleibe daher bis auf Weiteres bestehen. Alle Messungen seien bislang aber negativ verlaufen. Es bestehe keine Gesundheitsgefahr.
Wohl kein Löschwasser ins Krefelder Hafenbecken gelaufen
NRW-Umweltminister Johannes Remmel versicherte im Umweltausschuss des Landtages, dem derzeitigen Kenntnisstand nach sei kein Löschwasser ins Hafenbecken gelangt. Der Warndienst Rhein sei vorsorglich informiert worden, das Laborschiff des LANUV habe Wasserproben genommen. Erste Ergebnisse seien unauffällig gewesen.
Die Brandursache ist nach Angaben des Ministers weiter unklar, allerdings deute einiges auf einen technischen Defekt hin. Laut Remmel sind bei dem Brand und den folgenden Löscharbeiten insgesamt zehn Menschen verletzt worden.
Krisenstab mit Vertretern des Ordnungs- und Gesundheitsamtes
Nachdem die Ausmaße des Großbrandes in Krefeld bekannt waren, berief die Stadt Duisburg Dienstagvormittag kurzfristig einen Krisenstab ein. In diesem saßen Vertreter des Ordnungs- und Gesundheitsamtes sowie der Polizei und der Feuerwehr. Dieses Gremium fungiert als Informationssammelstelle – etwa für das städtische Callcenter der Stadt, bei dem im Laufe des Tages die Anfragen hunderter besorgter Bürger eintrafen. Aber auch alle Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser finden hier die nötigen Ansprechpartner.
Wegen der stinkenden Rauchwolke und des lange Zeit nicht geklärten Schadstoffgehalts gab der Krisenstab stadtweit eine Anweisung an alle Schulen und Kindergärten heraus, dass die Kinder und Jugendlichen bis 14 Uhr vorsichtshalber in den Gebäuden verbleiben sollten. Zahlreiche Eltern holten ihre Kinder dennoch ab.
Messwerte liefern bislang keinen Anlass zu Bedenken
Aus Sicht des Krisenstabes gibt es beim Blick auf die Messwerte jedoch keinerlei Bedenken, dass heute Spielplätze genutzt werden können. Vereinzelt sei es aber zu Rußniederschlägen gekommen, etwa in Mündelheim und Serm, so dass das städtische Umweltamt in Absprache mit der Bezirksregierung vorsorglich Proben nehmen und diese analysieren wird.
Auch interessant
Bis zum Abend wurden in Mündelheim als unmittelbarsten Nachbarn der Brandstelle besondere Vorkehrungen getroffen: Dort waren permanent Messtrupps der Feuerwehr unterwegs, die aber ausschließlich Schadstoffe unterhalb kritischer Werte in der Luft feststellte. Fenster und Türen sollten dennoch geschlossen bleiben.
Polizei war im Süden im Einsatz
Die Polizei Duisburg war mit insgesamt 13 Streifenwagen und fünf Motorrädern im Süden im Einsatz, um die Bürger mit Lautsprecherdurchsagen zu informieren und Straßensperren durchzuführen. Auch Wagen des THW und des Ordnungsamtes halfen bei der Bürgerinformation mit. Laut Polizeisprechersprecher Stefan Hausch, der in Krefeld vor Ort war, wurden „tausende Tonnen Düngemittel zerstört“.
Der Inhaber der Firma Compo, die insgesamt rund 200 Beschäftigte hat, wurde bereits befragt. Die Brandursache stand bis zum Abend aber noch nicht fest. Die Ermittlungen der Kripo dauern an.
Nur Notfälle konnten operiert werden
Auch die Krankenhäuser waren vom Großbrand betroffen – vor allem die Kliniken im Duisburger Süden. Türen und Fenster schließen, die Lüftung abstellen, bis zur Entwarnung kein Risiko eingehen: So lautete auch hier das Gebot der Stunde. Die Folge: „Wir konnten dadurch im OP keine sterile Luft gewährleisten und in der Zeit nur Notfälle operieren“, erklärte Anja Schmid, die Sprecherin des Malteser-Krankenhauses St. Anna in Huckingen. Gleiches berichten die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik in Buchholz und die Wedau-Kliniken.
Unruhe oder gar Panik habe es unter den Patienten aber nicht gegeben, nur ein paar uneinsichtige Raucher, die ihrer Sucht trotz Warnung im Freien frönten.
Löscharbeiten werden noch einige Tage dauern
Auch wenn das Feuer größenteils gelöscht ist, werden die Arbeiten noch einige Tage andauern. "Wahrscheinlich werden wir noch mehrere Tage im Einsatz sein", sagte ein Sprecher der Feuerwehr auf dapd-Nachfrage am Mittwochmorgen. Er sprach von anhaltend starker Rauchentwicklung durch Schwelbrände in zahlreichen Brandnestern.
Das Feuer war aus unbekannter Ursache am Dienstagmorgen in einer Lagerhalle im Rheinhafen ausgebrochen. Nach Angaben des Unternehmens waren dort etwa 20.000 Tonnen Dünger und 13.000 Tonnen Rohstoffe gelagert. Vier Menschen wurden durch das Feuer leicht verletzt, darunter zwei Feuerwehrleute.
Einsturzgefahr behindert Löscharbeiten massiv
Insgesamt waren bei dem nächtlichen Großeinsatz Hunderte Feuerwehrleute aus Krefeld und Umgebung auf den Beinen. Am Mittwochmorgen seien es noch etwa 60 Einsatzkräfte gewesen. Im Laufe des Tages werde die Zahl voraussichtlich nochmals erhöht, sagte der Feuerwehrsprecher. "Die Halle ist an einigen Stellen stark einsturzgefährdet. Das erschwert die Löscharbeiten massiv, weil wir uns erst mit schwerem Gerät den Weg zu den Brandnestern bahnen müssen", erklärte er.
Auch interessant
Der Betreiber des brennenden Lagers schätzte die Gefahr für die Bevölkerung als gering ein. Es entstünden zwar beim Verbrennen der Düngemittel "gewisse Dämpfe", sagte der Geschäftsführer des in Münster ansässigen Unternehmens Compo, Jens Averdiek, dem TV-Sender N24 am Dienstag. Die brennenden Materialien seien aber "allesamt keine Gefahrgutstoffe".
Nach Angaben von Compo befand sich Zeitpunkt des Brandes Dünger auf Basis der folgenden Stoffe in der Lagerhalle: Ammoniumnitrat, Ammoniumphosphate, Magnesiumsulfat, Kaliumsulfat, Calciumsulfat, sowie Spurenelementverbindungen. Darüber hinaus waren folgende Rohstoffe in der Halle gelagert: Kaliumchlorid, Kaliumsulfat, Rohphosphat und Kieserit (Magnesiumsulfat).
Flugbetrieb ohne Einschränkungen
Auf der Spurensuche nach der Ursache des Großbrands befragte die Polizei Zeugen. Nach Angaben der Ermittler gibt es keine Hinweise auf vorsätzliche Brandstiftung oder Fahrlässigkeit. Der Brandort könne erst untersucht werden, wenn das Feuer komplett gelöscht sei, sagte der Polizeisprecher.
Am Flughafen Düsseldorf laufe der Flugbetrieb wieder gänzlich ohne Einschränkungen, sagte der Sprecher der Deutschen Flugsicherung in Nordrhein-Westfalen, Michael Fuhrmann, auf dapd-Nachfrage. Bereits am Dienstag konnten zwar alle Flüge rechtzeitig starten und landen. Mehrere Dutzend Maschinen mit Kurs auf Skandinavien und Norddeutschland mussten ihre Flugroute jedoch leicht ändern, um der Rauchwolke zu entgehen. Diese Routenänderung sei am heutigen Mittwoch vermutlich nicht mehr erforderlich. (mit dapd)