Duisburg-Rheinhausen. Als Russland die Ukraine angriff, floh Oksana Parkhomenko aus Kiew nach Rheinhausen. Traumatisiert ist sie bis heute. Was ihr nun Hoffnung macht.

Manchmal spuckt der Google-Übersetzer völlig verrückte Formulierungen aus. Dann rätselt entweder Oksana Parkhomenko, was ihre Gastgeber wohl sagen wollen. Oder Dagmar und Herbert Beck sind Fragezeichen auf die Stirn geschrieben. Leicht ist es für beide Seiten nicht, sich zu verständigen. „Aber es geht immer besser“, sagt Herbert Beck. Das Ehepaar aus Hochemmerich hat die 56-Jährige aus Kiew zeitnah aufgenommen, nachdem Russland die Ukraine überfallen hat.

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Die liebenswerte Ukrainerin verließ panikartig ihr geliebtes Land und musste nicht in einer Flüchtlingsunterkunft in Duisburg wohnen. Liebevoll aufgenommen wurde sie von den Becks, hat eine eigene Souterrain-Wohnung im Haus. Das ist viel Glück im Unglück. Aber traumatisiert, fremd, alleine und ohne jede Sprachkenntnis ist es schwer, sich das Fünkchen Hoffnung zu erhalten, das man zum Überleben braucht. Die Gedanken kreisen - immer noch - ständig um die Heimat.

Ukrainerin verließ nach Kriegsbeginn fluchtartig die eigene Wohnung

Um den Vater, der 81 Jahre alt und dement ist und um die Schwester, die ihn pflegt. Sie verließ so fluchtartig ihre Wohnung, nachdem pausenlos Raketen über das Haus fegten, dass sie vergessen hatte, den Kühlschrank auszuschalten. „Das hat dann meine Schwester gemacht“, spricht sie auf russisch in das Übersetzungsprogramm. Russisch, das können eigentlich alle Ukrainer. Auch Google kann besser die Sprache des Aggressors als die der Ukrainer. Deshalb machen die Gastgeber Beck und Oksana Parkhomenko aus der Not eine Tugend und lassen russisch als verbales Bindeglied zu. Viel Hilfe hat die 56-Jährige durch das Duisburger Ehepaar.

Das Duisburger Ehepaar Herbert und Dagmar Beck (v.l.) hat die Ukrainerin Oksana Parkhomenko vor rund neun Monaten bei sich in Rheinhausen aufgenommen. Wie funktioniert das Zusammenleben?
Das Duisburger Ehepaar Herbert und Dagmar Beck (v.l.) hat die Ukrainerin Oksana Parkhomenko vor rund neun Monaten bei sich in Rheinhausen aufgenommen. Wie funktioniert das Zusammenleben? © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

„Inzwischen haben wir eine russisch sprechende Ärztin gefunden, zu der ich Oksana begleite“, erzählt Dagmar Beck. Im gesamten sozialen Umfeld steht sie der Ukrainerin bei, ihr Mann Herbert regelt alles, was mit Behörden zusammenhängt. „Ich muss sagen, dass die Stadt Duisburg alles, was mit den Geflüchteten aus der Ukraine zusammenhängt, einfach klasse und sehr positiv geregelt hat“, betont der Gastgeber. Schwer genug ist das Leben in der Fremde für die Ukrainerinnen und Ukrainer ja ohnehin. An Schlaf war in den ersten Monaten überhaupt nicht zu denken.

Ukrainerin in Duisburg: Wann endet wohl der Krieg in der Ukraine?

Auch jetzt, wenn Oksana mit ihrer Schwester telefoniert, sind alle Bilder wieder präsent. „Antistress-Medikamente. Lange nicht schlafen können“, zeigt der Google-Übersetzer an. Eine Szene sitzt ihr immer noch in den Knochen. Sie stand unter der Dusche in ihrer Wohnung in Kiew, als Raketen dicht über das Haus flogen. „Nur weg hier, wenn die einschlagen, stehe ich völlig nackt da“, war ihr einziger Gedanke. Ohne Wasser, Heizung und Licht zu sein, sei in Kiew mittlerweile an der Tagesordnung. „Sie haben mir mein Land gestohlen“, sagt Oksana leise.

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Zu einer Art von Normalität hat sie auch jetzt noch nicht gefunden. Obwohl alles schon viel besser geht als am Anfang. Zehn Tage hat sie in Kiew nur im Keller verbracht. Das zerstört die Seele. Das Dauer-Bombardement hörte einfach nicht auf. Angst hatte sie, dass sie dort unten als Geisel genommen wird. Auf ihrer Flucht verbrachte sie 15 Tage in Warschau. Wann der Krieg wohl beendet sein wird? Sie hat keine Ahnung, wagt keine Prognose. Allerdings hätten sie alle gewusst, dass es Krieg geben wird. Das sei längst allen klar gewesen.

Ukrainerin in Rheinhausen musste lange auf einen Deutschkurs warten

„Die Männer sterben, damit die Nation überlebt“, sagt sie. Der Schmerz sitzt tief. „Manchmal hör ich, dass Oksana nachts nicht schlafen kann, dass sie wieder aufgestanden ist“, erzählt Dagmar Beck. Und natürlich kreuzen sich die Wege des Ehepaares in dem Einfamilienhaus sehr häufig. Aber mit gegenseitiger Rücksichtnahme und Fingerspitzengefühl für Nähe und nötige Distanz haben die Drei es geschafft, das Zusammenleben, das vor neun Monaten so plötzlich begann, harmonisch zu gestalten.

Die Ukrainerin Oksana Parkhomenko floh aus Kiew bis nach Duisburg. Seit neun Monaten wohnt sie bei einem Ehepaar in Rheinhausen. Traumatisiert ist sie noch heute.
Die Ukrainerin Oksana Parkhomenko floh aus Kiew bis nach Duisburg. Seit neun Monaten wohnt sie bei einem Ehepaar in Rheinhausen. Traumatisiert ist sie noch heute. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

„Das ist nicht überall geglückt“, weiß Beck, der mit seiner Frau auf der Plattform „warmes-bett.de“ Hilfe angeboten hatte. Mit der „sehr schweren deutschen Sprache“ klappt es noch nicht gut. „Sie kam erst sehr spät in einen Deutschkursus und die Lehrer wechseln häufig“, bedauert Herbert Beck. Es braucht noch Zeit, bis sich Erfolg einstellt. Oksana liebt die Natur. Sie geht gerne alleine am Rhein spazieren. Ein liebevoller Seelentröster ist für sie auch immer im Haus. Der zweijährige Moritz, ein bildhübscher Mix aus Sheltie Collie und kleinem Husky. Er ist immer da, wenn jedes Wort zu viel ist.

>>> UKRAINERIN WOHNT SEIT NEUN MONATEN IN DUISBURG

  • Seit neun Monaten lebt die Ukrainerin Oksana Parkhomenko jetzt schon bei dem Ehepaar Herbert und Dagmar Beck in Hochemmerich. Alles ist und war neu für sie. Viel Gastfreundschaft erlebt sie, aber auch den rauen Wind von Behörden bekam sie schon zu spüren. Herbert Beck hatte ihr ein Neun-Euro-Ticket geschenkt und eingeschweißt, damit es nicht kaputt geht.
  • Als ihr gültiges Ticket bei einer Kontrolle nicht lesbar ist, bekommt sie einen Bußgeldbescheid,wie unsere Zeitung berichtete. Die DVG verspricht, sich zu kümmern. Doch es passiert – nichts. Von einem Inkasso-Unternehmen flattert dem Ehepaar Beck eine Mahnung ins Haus: 128,21 Euro soll die Ukrainierin bezahlen. Obwohl die Rechnung für das bezahlte Ticket noch vorhanden ist.
  • Letztendlich bezahlen die Becks die horrende Summe für das gültige Ticket.