Duisburg-Rheinhausen. Den Krieg in der Ukraine thematisierte die SPD Rheinhausen bei einer Versammlung. Als Redner war Johannes Pflug geladen. Das berichtete er.

Mehr als drei Monate ist es her, dass der russische Präsident Wladimir Putin seinen Angriffskrieg auf die Ukraine startete. Seither reißen die Nachrichten über Zerstörung, Verzweiflung und Tote nicht ab. Wie konnte es dazu kommen? Und wie könnte der Krieg möglicherweise ein Ende finden? Der SPD-Ortsverein Rheinhausen-Mitte suchte bei einer Mitglieder- und Bürgerversammlung nach Antworten. Das Interesse war bescheiden: Nur zwölf Leute fanden den Weg ins Jugendzentrum St. Peter, um den Vortrag des ehemaligen Duisburger Bundestagsabgeordneten Johannes „Hans“ Pflug zu verfolgen.

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Pflug, der bis Ende der 90er Mitglied im Landtag war und von 1998 bis 2013 für die SPD im Bundestag saß, war in dieser Zeit im Auswärtigen Ausschuss tätig, seine inhaltlichen Schwerpunkte lagen auf der Region Süd- und Ostasien. Die Entwicklungen rund um die Ukraine verfolgt er schon lange. Die in diesen Tagen immer lauter werdende Kritik einer über die Jahre katastrophal verfolgten Russlandpolitik seitens der Deutschen teilt er nicht: „Die Außenpolitik der vergangenen 30 Jahre war nicht falsch, besonders nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion“, sagt er.

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Es habe „vernünftige“ Ansätze bei einer Kooperation mit Russland gegeben. „2014 war dann eine Zeitwende.“ Die Annexion der Halbinsel Krim hätte viel mehr alarmieren müssen, ist Pflug überzeugt. „Da hätte man drauf bestehen müssen, dass die Vereinbarungen im Minsker Abkommen auch umgesetzt werden.“ Auch mehr Anstrengungen auf eine gemeinsame europäische Verteidigungsfähigkeit hätte Pflug sich gewünscht, „man hat die Uneinigkeit auf europäischer Seite jedoch laufen lassen.“

Krieg in der Ukraine: Warum passierte der Angriff Russlands jetzt?

Nun der Krieg in der Ukraine. Warum genau jetzt? Dafür gebe es viele Ansätze. Die Wahl in Belarus und die komplette Abhängigkeit des belarussischen Präsidenten Lukaschenko von Putin etwa. Die Annahme Putins, der Westen wäre in seiner Reaktion nicht einig. „Zum Beispiel durch die Uneinigkeit bei der Nato, durch die Politik von Donald Trump“, sagt Pflug. Der ehemalige US-Präsident hat öfter öffentlich damit geliebäugelt, das Verteidigungsbündnis zu verlassen. „Und auch die Uneinigkeit innerhalb der EU hat sicherlich eine Rolle gespielt“, sagt Pflug.

Nur wenige Teilnehmer lauschten den Worten von Hans Pflug: Der SPD-Ortsverein Rheinhausen-Mitte lud zur Mitglieder- und Bürgerversammlung und thematisierte den Krieg in der Ukraine.
Nur wenige Teilnehmer lauschten den Worten von Hans Pflug: Der SPD-Ortsverein Rheinhausen-Mitte lud zur Mitglieder- und Bürgerversammlung und thematisierte den Krieg in der Ukraine. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Ein Umstand, der Putin hinterher überrascht hat: Mit den von der EU beschlossenen Sanktionen habe er nicht gerechnet. „Putin hat zudem geglaubt, dass die Besatzung der Ukraine relativ schnell geschehen würde.“ Pflug ist überzeugt, dass der russische Präsident überrascht von der Wehrfähigkeit der Ukrainer gewesen sein muss. „Und schließlich war dieser Angriff auch der Versuch, von innerrussischen Problemen abzulenken.“ Das Land habe starke wirtschaftliche Probleme, die Opposition in Russland ist trotz aller Bemühungen Putins nicht verstummt.

Duisburger Ex-MdB geht von einem Waffenstillstand noch in diesem Jahr aus

Dass der Krieg anders verläuft als erwartet, habe Putin schnell begriffen, erklärt Pflug weiter. Die Verluste bei den Angriffen im Norden der Ukraine, bei denen die russischen Soldaten über Belarus einmarschiert sind, seien „enorm groß“ gewesen. „Die Russen hatten schlichtweg logistische Probleme. Die Ukraine ist riesig, die Entfernung von Moskau aus enorm. Auf Dauer kann Russland die Ukraine nicht besetzt halten.“ Die Russen hätten hierfür die Großstädte einnehmen und die dortigen Regierungen und Verwaltungen austauschen müssen. Das wäre Putin nicht geglückt.

Was passiert mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin? Bei einer Mitglieder- und Bürgerversammlung der SPD in Rheinhausen suchte Hans Pflug nach Antworten.
Was passiert mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin? Bei einer Mitglieder- und Bürgerversammlung der SPD in Rheinhausen suchte Hans Pflug nach Antworten. © dpa | Alexander Zemlianichenko

Wie also kann der anhaltende Krieg ein Ende finden? Der Außenpolitikexperte gibt eine Einschätzung: „Irgendwann in diesem Jahr wird es einen Waffenstillstand geben“, prognostiziert er. „Dann werden Russland und die Ukraine vereinbaren, dass nicht mehr geschossen wird, dass beide Seiten sich militärisch von der jeweiligen Frontlinie zurück ziehen und dass auch schwere Waffen abgezogen werden.“ Die Ukraine, so ist er überzeugt, wird sich von den Amerikanern eine Sicherheitsgarantie wünschen. „Die sind für die Ukraine die Garantiemacht für einen dauerhaften Waffenstillstand.“

Nach dem Ukraine-Krieg: Wie geht es weiter?

Und Russland? Pflug geht davon aus, dass hier die Großmacht China ins Spiel kommt. Es seien die Chinesen, die Putin anbieten werden, als Garantiemacht für Russland aufzutreten. „Die Chinesen wollen auf Augenhöhe mit den Amerikanern Ordnungsmacht werden.“ Schon jetzt seien sie global in verschiedenen Bereichen mit den Amerikanern gleichauf, etwa bei der Wirtschaft. „Die Amerikaner und die Chinesen werden dann dafür Sorgen, dass es Vereinbarungen gibt“, vermutet Pflug. Etwa bei der Frage, welchen Status die von Russland besetzten Gebiete bekommen. Eine Eingliederung nach Russland schließt Pflug aus, er vermutet einen zukünftigen autonomen Status. „Und auch die Ukraine wird akzeptieren, dass sie einen neutralen Status bekommt und nicht Mitglied der Nato wird.“

Der ehemalige Bundestagsabgeordnete ist überzeugt: Die Ukraine wird nach Ende des Krieges viel Geld für den Wiederaufbau erhalten, wirtschaftlich stärker werden und sich der Europäischen Union weiter annähern. „Putins Tage sind hingegen gezählt“, sagt er. Aussagen über seinen Gesundheitszustand galten lange als Spekulation. „Die Frage wird sein: Wer kommt danach? Da werden die Chinesen schon drauf achten, dass diese Personen chinaorientiert sind.“