Duisburg-Beeckerwerth. Hinter dem Rheindeich in Duisburg sollen gut 300 neue Wohnungen entstehen. Das überfordert das kleine Beeckerwerth. Es ist nicht darauf ausgelegt.
Das kleine Beeckerwerth ist aktuell bei Investoren begehrt. Denn der Stadtteil mit gerade mal 3000 Einwohnern soll durch ein neues Wohnquartier wachsen. Bis zu tausend Zugezogene könnte das Großprojekt „Deichhöfe“ bescheren. Hinterm Deich sind gut 300 Wohneinheiten geplant, besonders locken soll der schöne Rheinblick. Doch die aktuelle Infrastruktur sei für dieses Wachstum gar nicht ausgelegt, mahnen Lokalpolitiker parteiübergreifend.
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Sie sehen die Stadt Duisburg in der Pflicht, sich nicht nur mit der Neubausiedlung zu begnügen, von der sich die Stadtplaner im Rathaus eine Aufwertung für den Ort versprechen. Die Verwaltung müsse auch die Voraussetzungen schaffen, dass überhaupt so viele Menschen zuziehen können.
„Beeckerwerth ist ausgeblutet“: Lokalpolitiker fordern Investitionen in die Infrastruktur
„Beeckerwerth ist ausgeblutet“, bringt Ratsherr Louis Bruns (SPD) auf den Punkt, was auch die Menschen im Stadtteil inzwischen fast tagtäglich kritisieren. Insbesondere seitdem kürzlich auch noch die einzige Apotheke geschlossen wurde. Immerhin bietet Inhaberin Martina Reh noch einen Lieferdienst für Medikamente an. Alteingesessene beklagen aber schon lange den Niedergang von Beeckerwerth.
Ulrich Lüger, der für die CDU im Rat sitzt, ist in den Fünfzigerjahren als kleiner Junge hergezogen. Er kennt Beeckerwerth noch mit einem florierenden, vielfältigen Fachhandel. Doch immer mehr Geschäfte schlossen über die Jahrzehnte. Auch die Sparkasse hat ihre Filiale abgewickelt. Jetzt hält nur noch der Sparkassenbus zweimal pro Woche für je eine Stunde. Geld ziehen die Beeckerwerther meist beim Einkaufen im Discounter Netto an der Kasse. Nur ungern, so Louis Bruns, da zu viele Menschen am Kassenband mitbekommen, welche Summen abgehoben werden. Am Bankschalter fühlten sich die Sparkassenkunden demnach sicherer.
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Tatsächlich gingen viele Beeckerwerther längst zum Einkaufen nach Laar, ergänzt Bezirksvertreterin Rita Kaiser (SPD). Sie seien dort regelmäßig Kunden bei Aldi und Penny, wo viele das Angebot besser fänden als beim heimischen Netto. „Wir brauchen Obst und Gemüse“, bekräftigt Ulrich Lüger und hätte am liebsten wieder frische Ware von Marktbeschickern, doch „es gibt keinen Markt mehr“.
Wenn der Discounter schon nicht für die jetzigen Einwohnerinnen und Einwohner ausreichend Angebote schafft, prophezeien die drei Lokalpolitiker, werde er schon gar nicht ausreichen, wenn das neue Wohnquartier bezugsfertig ist. Projektende ist derzeit für 2030 vorgesehen. Der Investor hat angekündigt, dass noch in diesem Jahr die ersten Bagger für Neubauten an der Ahrstraße rollen sollen. Später soll auch die Rheinklinik für Mietwohnungen abgerissen werden.
Zu wenige Geschäfte, zu wenige Ärzte und eine schlechte Busverbindung
Zwar leben die meisten Beeckerwether noch gerne im Ort und schätzen die Pizzeria, die Bäckerei oder im Sommer die Eisdiele als Treffpunkte. Die Politiker betonen, dass angesichts schrumpfender Infrastruktur immer weniger Faktoren für den Stadtteil sprechen – und dass die Stadt entsprechend gegensteuern müsse. „Hier werden seit Jahren nur noch Mängel verwaltet“, kritisiert Lüger. „Es sollen 35 Millionen Euro in die Innenstadt fließen, um sie wieder in Ordnung zu bringen. Das brauchen wir hier genauso.“ Ob es die Kirche oder die Apotheke ist, zuletzt habe Beeckerwerth immer nur verloren.
Doch welche Infrastruktur brauchen die Menschen im Stadtteil tatsächlich? Wie soll die Bestehende erhalten und Neue geschaffen werden? Das solle eine städtische Bedarfsanalyse klären, auf deren Grundlage dann ein örtliches Konzept erarbeitet werden müsse.
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Dabei sind einige Missstände bereits offenkundig. So findet Lüger den Nahverkehr angesichts zu weniger Geschäfte, Ärzte und Jobs zu schlecht. „Man kommt hier nicht weg und braucht ein Auto, um zu arbeiten oder einzukaufen“, ordnet der Christdemokrat ein. Die Busse fahren ihm zu selten. Insbesondere die Rückkehr der seit Oktober 2019 gekappten „Direktverbindung nach Meiderich ist unerlässlich“.
Zwar plant die Stadt, diese Verbindung mit dem neuen Bezirkskonzept wieder einzuführen. Noch im Frühjahr hieß es aus dem Rathaus, dass die Maßnahme, einen politischen Beschluss bis zum Jahresende vorausgesetzt, frühestens 2023 von der DVG umgesetzt werden könne. Erst kürzlich wagte ein Stadtsprecher aber schon keine zeitliche Prognose mehr, verwies aber darauf, dass das Konzept noch nicht fertig sei, ebenso wenig wie die Konzepte für die Bezirke Mitte und Süd.
Die Neubausiedlung hinterm Rheindeich soll kein Dorf im Dorf werden
Als weitere Problemfelder macht Rita Kaiser außerdem Plätze in Kindergärten, Schulen und bei der Altenpflege aus. Sie sollten gelöst werden, bevor die ersten Mieter in die Neubausiedlung ziehen. Ohnehin wünscht sich die örtliche Politik mehr Transparenz seitens der Stadtverwaltung und des Duisburger Investors, der Projekt Rheinblick GmbH zu Details der Planung, zum genauen Zeitplan und den Folgen der Großbaustelle für die Anwohner. Vorgesehen ist eine öffentliche Bürgerversammlung durchaus, aber vom Investor noch nicht terminiert.
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Die künftig zuziehenden Familien sollen sich möglichst am Gemeinschaftsleben und am Vereinsleben im dörflichen Beeckerwerth beteiligen, finden die Lokalpolitiker, hinterm Rheindeich solle kein „eigenes Dorf im Dorf“ entstehen. Doch auch dafür müsse die Stadt Duisburg erst die Voraussetzungen schaffen, beginnend bei neuen Kitas, über mehr Geschäften und Ärzte, bessere Sportstätten einen besseren ÖPNV bis zu mehr Parkplätzen.
>> WIEDERBELEBUNG DES WOCHENMARKTS
● Als großen Verlust sieht CDU-Ratsherr Ulrich Lüger, dass Beeckerwerth keinen Wochenmarkt mehr hat. Aufgrund einer Baustelle an der Ahrstraße parkten 2018 Baufahrzeuge auf dem Marktplatz, der im Stadtteil Schwalbenplatz heißt. Die Baufirmen stellten dort auch Materialien ab, andere Flächen waren von Pkw und Lastwagen zugeparkt. Die letzten Händler sahen ihre Kunden vergrault, der Markt wurde ausgesetzt.
● Als die Bezirksvertretung den Wochenmarkt per Beschluss 2019 wiederbeleben wollte, sagte das städtische Duisburg Kontor als Veranstalter einen Neustart zu. Eine medienwirksame Ausschreibung sollte erfolgen, auch eine „direkte Ansprache“ von Interessenten. Zudem wollte Duisburg Kontor neue Händler über sein Netzwerk gewinnen. „Gar nichts haben sie gemacht. Es gibt keinen Markt mehr“, so Lüger.
● Er fordert einen neuen Wiederbelebungsversuch, wobei jedoch der Schwerpunkt auf Lebensmittel liegen sollte und nicht auf Kleidung.