Duisburg-Beeckerwerth. Überraschend hat Duisburg-Beeckerwerth seine einzige Apotheke verloren. Die Inhaberin schließt, hat aber auch eine gute Nachricht für die Kunden.

Das kleine Beeckerwerth hat seine einzige Apotheke verloren. Martina Reh gibt ihr dortiges Geschäft nach mehr als zwei Jahrzehnten auf. „Nach hartem Kampf“, wie sie es beschreibt. Dabei hatte es die 59-Jährige ganz anders geplant. Sie wollte ihre Apotheke an der Haus-Knipp-Straße an einen jungen Kollegen abgeben, der erfolgreich sein Studium beendet hatte. Mit der städtischen Amtsapothekerin sei auch schon alles besprochen gewesen. Doch dann habe der Nachfolger unerwartet und kurzfristig zurückgezogen. Die geordnete Übergabe war damit gescheitert.

„Das tut mir sehr weh“, sagt Martina Reh im Gespräch mit der Redaktion. Denn diese Apotheke wird ihrer Ansicht nach niemals wieder eröffnen. Die baulichen Voraussetzungen und gesetzlichen Bestimmungen für eine Neueröffnung seien zu groß und zu kostspielig. Der Bestandsschutz ist durch die gescheiterte Übergabe erloschen. Die Umsätze seien zwar so hoch, dass man gut davon leben könne. Sie reichen aber nicht an den „sechsstelligen Jahresgewinn vor Steuern“ heran, den manch andere Apotheke neben großen Ärztehäusern heutzutage machen. Es werde, sagt sie voraus, deshalb künftig keine Interessenten mehr geben.

Inhaberin der Haus-Knipp-Apotheke in Beeckerwerth seit April 2000

Zwar hätte sie ihren Entschluss zurücknehmen können, räumt sie ein. Selbst in Beeckerwerth weitermachen. „Aber man muss wissen, wann’s zu Ende ist.“ Die Entscheidung habe sie sich nicht leicht gemacht, auch weil sie sehr an dem Standort hänge. Nachdem sie zunächst in der Löwenapotheke am alten Meidericher Markt gearbeitet hatte, wagte sie den Schritt in die Selbstständigkeit und übernahm im April 2000 die Haus-Knipp-Apotheke. Bereut habe sie es nie. Wenige Jahre später expandierte sie nach Wedau und übernahm zusätzlich die lukrative Regatta-Apotheke.

Die Regale in Beeckerwerth sind schon leer. Inhaberin Martina Reh zieht mit den gepackten Kisten in den Duisburger Süden, wo sie ihre Regatta-Apotheke weiterführt.
Die Regale in Beeckerwerth sind schon leer. Inhaberin Martina Reh zieht mit den gepackten Kisten in den Duisburger Süden, wo sie ihre Regatta-Apotheke weiterführt. © FUNKE Foto Services | Oliver Mueller

Dort will sie bis zum Ruhestand, noch eine Handvoll Jahre, arbeiten. Ihre verbleibenden zwei Mitarbeiterinnen von der der Haus-Knipp-Straße hat sie dorthin mitgenommen und arbeitet jetzt mit einem fünfköpfigen Team. Das hatte sie bereits zum Jahresbeginn entschieden und seither im Duisburger Norden einen Nachfolger gesucht.

In der aktuellen Situation doch wieder spontan beide Standorte parallel zu führen, wäre für sie nicht möglich gewesen, wie sie erläutert. Zumal eine ihrer Apothekerinnen im Sommer wegen Krankheit dauerhaft ausschied. Sie und ihr Team mussten den Ausfall monatelang kompensieren, was aber auf die Knochen der Belegschaft gegangen sei. Eine neue Mitarbeiterin hatte die Chefin wegen der geplanten Übergabe nicht mehr gesucht und hätte jetzt, ist sie sich sicher, angesichts des auch in ihrer Branche herrschenden Fachkräftemangels für die Stelle auch lange niemanden gefunden.

Online-Versandhandel setzt kleinen Vorortapotheken zu

Doch nicht nur Personalmangel habe die Situation in Beeckerwerth schwierig gemacht. „Der Online-Versandhandel macht alles platt“, bedauert sie den Verlust vieler kleiner Vorortapotheken. „Wir können nicht die Preise anbieten wie im Internet.“ Gerade im Duisburger Norden achten die Menschen bei Medikamenten sehr aufs Geld, sagt die erfahrene Pharmazeutin ohne Vorwurf. Wenn sie die Preise um ein, zwei Euro erhöhen musste, seien einige Kunden bereits zu Versandapotheken gewechselt oder nach Hamborn oder Beeck gefahren, falls dort einzelne Medikamente billiger waren. Andererseits gab es auch Kunden, die einzig für ein günstiges Nasenspray zu Martina Reh an die Haus-Knipp-Straße gekommen sind.

Auch interessant

Dass die kleine Apotheke dort geschlossen wurde, ist keine zwei Wochen her. Aber die Chefin, die in Mülheim wohnt, vermisst bereits den Stadtteil. „Beeckerwerth ist ein Dorf mit einem schönen, guten Familienzusammenhalt“, schwärmt sie und erinnert sich gerne an ihre Mittagspausen „am schönen Deich, die waren immer wie Urlaub“. Besonders ans Herz gewachsen sind ihr aber die Menschen, weil sie „ihr Herz auf der Zunge“ tragen, sie „hart aber herzlich“ und „offen und fair“ sind. Ihnen wolle sie immer verbunden bleiben und weiterhin der Fußballjugendmannschaft vom SV Beeckerwerth die Daumen drücken.

Natürlich mag sie auch ihre Kundschaft in Wedau, doch das sei ein anderer Menschenschlag, zurückhaltender und mehr um Privatsphäre bedacht. Allerdings hofft sie, dass sie möglichst viele Beeckerwerther auch in der Wedauer Regatta-Apotheke als Kundinnen und Kunden behält.

Lieferdienst soll die Medikamentenversorgung gewährleisten

Sie möchte auch weiterhin zur medizinischen Versorgung im Dorf beitragen und hat deshalb einen Lieferdienst eingerichtet, der auch vom Süden in den Norden fährt. Bei Bedarf auch nach Laar oder Beeck. „Viele Ärzte spielen mit und schicken uns die Rezepte“, freut sich Reh. Schon etliche Kunden, gerade die älteren, haben bei ihrem Team angerufen und lassen sich ab sofort beliefern.

Leider befürchtet Martina Reh, dass die geschlossene Apotheke den Niedergang von Beeckerwerth beschleunigen wird. So habe sie bereits erfahren, dass einige Einwohner nun auch den Hausarzt wechseln wollen, dorthin wo sie nach dem Arztbesuch nebenan noch unkompliziert ihre Medikamente bekommen können.

[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]

„Es ist erschreckend, was alles schon weggebrochen ist“, bedauert Martina Reh, vor gut 20 Jahren sei es dagegen „noch ein super Stadtteil“ gewesen, mit eigener Post, einem Metzger, Friseur, einer Sparkasse, einem „richtig großen Wochenmarkt“. Auch Ulrich Lüger beobachtet diese Entwicklung. Der 70-Jährige ist in Beeckerwerth aufgewachsen.

Als Kunde und als CDU-Ratsherr bewertet er das Aus für die Apotheke als „Riesenverlust“. Dieser treffe vor allem die Älteren, aber auch die Einwohner mit Migrationshintergrund. Denn bei Reh waren türkischsprachige Aushilfen angestellt, die aber nicht im Duisburger Süden weiterarbeiten werden. „Wir brauchen dringend eine neue Apotheke“, sagt Lüger und ärgert sich, dass die Stadt Duisburg beim geplanten neuen Wohnquartier Deichhöfe „von der aufgehenden Sonne“ rede, aber die Infrastruktur im kleinen Stadtteil vernachlässige. Natürlich begrüßt er den Lieferdienst, der Senioren versorgt, die nicht so ohne weiteres für ihre Medikamente nach Beeck oder Ruhrort fahren können.

Für Apothekerin Martina Reh ist ihr Medikamentenlieferdienst eine Herzensangelegenheit. „Jeder Beeckerwerther kann ihn gerne wahrnehmen“, betont sie, „und ich freue mich über jeden.“

>> APOTHEKE IN WEDAU BELIEFERT AUCH DEN DUISBURGER NORDEN

● Die Regatta-Apotheke von Inhaberin Martina Reh liegt in Wedau an der Wedauer Straße 389. Geöffnet hat sie montags, dienstags, donnerstags und freitags von 8.30 bis 13 Uhr, 15 bis 18.30 Uhr; mittwochs von 8.30 bis 13 Uhr und samstags von 9 bis 13 Uhr.

● Weitere Informationen gibt es auf www.regatta-apotheke.de; dort können auch Rezepte online hochgeladen werden. Zudem gibt es einen Online-Shop. Von der Internet-Konkurrenz hat sich Martina Reh zusätzlich das kontaktlose Bezahlen abgeschaut; ihr Geschäft akzeptiert auch den Online-Bezahldienst Paypal.

● Kontakt: 0203 720600 und