Duisburg. Viele Duisburger pendeln täglich mit Bus und Bahn, immer mehr machen ihrem Ärger Luft. Doch wie kann man den Nahverkehr in der Stadt verbessern?

So sehr hat sich Jülide Celenk über den Duisburger Nahverkehr geärgert, insbesondere über die Straßenbahnen und die Ersatzbusse, dass sie sich jetzt Luft macht. Die Situation der Straßenbahnlinien sei „nicht mehr tragbar“, „nur noch katastrophal und unentschuldbar“, ist es aus der Duisburger SPD-Vize und Beecker Ratsfrau jetzt herausgebrochen. Da sie zur rot-schwarzen Ratsmehrheit gehört, keimt bei ihr die Hoffnung auf, aktiv am Nahverkehr etwas verbessern zu können.

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Dass der ÖPNV dringend verbessert werden muss, daran hat sie als regelmäßiger Fahrgast keine Zweifel. So schildert sie bei Facebook ihren alltäglichen Frust als Pendlerin, die als Erzieherin beruflich von Beeck in die Innenstand muss und zuletzt auch viele private Termine in Hamborn hatte.

„Nur noch katastrophal und unentschuldbar“: Berufspendlerin und SPD-Ratsfrau Jülide Celenk aus Beeck ärgert sich über den Duisburger ÖPNV. Die schlimme Situation will sie schnellstmöglich in ihrer Fraktion ansprechen.
„Nur noch katastrophal und unentschuldbar“: Berufspendlerin und SPD-Ratsfrau Jülide Celenk aus Beeck ärgert sich über den Duisburger ÖPNV. Die schlimme Situation will sie schnellstmöglich in ihrer Fraktion ansprechen. © FFS | Kai Kitschenberg

Auf dem Heimweg brauche sie mit der 903 oder der U79 oft eine Dreiviertelstunde vom Hauptbahnhof bis zum Meidericher Bahnhof, schildert die Sozialdemokratin. Planmäßig dauert die Fahrtzeit für die drei U-Bahnhaltestellen nur sechs Minuten. Straßenbahnen entfallen demnach oft oder bleiben in Tunneln stehen, teils weil sich während der Fahrt die Türen öffnen würden. „Abgesehen davon sind die Bahnen bis zum äußersten Rand voll mit Passagieren.“

Natürlich ist sie mit diesem Ärger nicht allein, zunehmend führe sie Gespräche mit anderen verärgerten Fahrgästen. Gerade Senioren mit Rollatoren, Rollstuhlfahrer, Familien mit Kinderwagen und Schülerinnen und Schüler fänden keinen Platz mehr.

Duisburgs SPD-Vize und Ratsfrau Jülide Celenk fordert ein besseres Konzept für den Nahverkehr

Beim Schienenersatzverkehr der 903 (zwischen Meiderich und Hamborn) und der 901 (zwischen Laar und Röttgersbach) hingegen kritisiert Celenk, dass die Anschlüsse nicht funktionieren, sobald die Ersatzbusse sich verspäten – was häufig passiere. „Von Beeck brauche ich so oft anderthalb Stunden bis zur Arbeit, mit dem Auto nur 14 Minuten“, so die Erzieherin.

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Das hält sie für inakzeptabel, vor allem mit Blick auf die Verkehrswende. Das 9-Euro-Ticket habe ja gezeigt, dass in Duisburg viel mehr Pendlerinnen und Pendler vom Auto auf den ÖPNV umsteigen wollen. Aber der „katastrophale Zustand“ des Nahverkehrs verleide jedem diesen Umstieg auf Bus und Bahn – und frustriere ohnehin alle Dauernutzer.

Daher fordert die Ratsfrau ein besseres, innovativeres Konzept für den Duisburger Nahverkehr. Das aktuelle Nahverkehrskonzept gilt seit Oktober 2019. Es wurde erarbeitet und beschlossen, bevor die 24-Jährige in den Rat der Stadt Duisburg gewählt wurde.

Verkehrspolitiker einig: Unwürdiger ÖPNV für eine Großstadt

Beschönigen möchten auch Verkehrspolitiker von Rot-Schwarz den örtlichen ÖPNV nicht. „Duisburg hat nicht das, was wir uns unter einem urbanen Nahverkehr für eine Großstadt vorstellen“, sagt der ausgewiesene CDU-Verkehrsexperte Frank Heidenreich. „Hinter Düsseldorf fallen wir deutlich ab. Aber da müssen wir hin.“

Einen dringenden Verbesserungsbedarf sieht auch Ratsherr Sebastian Haak, SPD-Mitglied im städtischen Verkehrsausschuss. Grundsätzlich sei der ÖPNV nur stiefmütterlich behandelt worden, was sich etwa im Duisburger Norden zeige. So würde der Röttgersbacher gerne mit Bus und Bahn zur Arbeit nach Duissern fahren, doch für die Außenbezirke sei der Nahverkehr schlichtweg keine Alternative. „Wer hier lebt und Frühschicht hat, kann gar nicht anders als mit dem Auto zu fahren.“ Deshalb müsse es gelten, den ÖPNV weiter voranzutreiben. Zudem die gesamte Bandbreite der „alternativen Mobilität“, zu der auch die Walsumbahn gehört oder der Ausbau von Fahrradwegen.

Schon sieben Jahre lang, seit dem 12. August 2015, setzt die Duisburger Verkehrsgesellschaft zwischen Laar und Röttgersbach Ersatzbusse für die Straßenbahn 901 ein. Der Grund: Es fehlen funktionierende Fahrzeuge.
Schon sieben Jahre lang, seit dem 12. August 2015, setzt die Duisburger Verkehrsgesellschaft zwischen Laar und Röttgersbach Ersatzbusse für die Straßenbahn 901 ein. Der Grund: Es fehlen funktionierende Fahrzeuge. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Der Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) kann man, betont Frank Heidenreich, keinen Vorwurf machen, dass die neuen Straßenbahnen vom Hersteller nicht geliefert werden können. Diese Bahnen sollen den siebenjährigen Schienenersatzverkehr auf der 901 durch den Duisburger Norden beenden. Dass auf der 903 derzeit Ersatzbusse fahren, liegt an den Gleisarbeiten, die Maßnahmen für moderne und barrierefreie Haltestellen begleitet. Jedoch erhebt Ratsherr Frank Heidenreich, der auch die CDU-Fraktion beim VRR führt, den Vorwurf an Stadtrat und an die DVG, sich nicht schon vor einigen Jahren um diese neuen Bahnen gekümmert zu haben.

Energiekosten reißen riesige Löcher ins Budget der Verkehrsgesellschaften

Beide Verkehrspolitiker sehen den notwendigen Ausbau des ÖPNV-Angebots, sehen aber auch explodierende Kosten durch den Krieg in der Ukraine mit Sorge. Während Sebastian Haak auf den beschlossenen Doppelhaushalt verweist, der weitere Investitionen im Nahverkehr vorsieht, warnt hingegen Frank Heidenreich vor der massiven Herausforderung durch die Kostenexplosion.

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So verweist er darauf, dass die Verkehrsgesellschaften im VRR während der Corona-Krise gut 20 Prozent ihrer zahlenden Kundschaft verloren und sich davon noch nicht wieder erholt haben. Im gesamten VRR bedeute dies allein Einnahmeverluste von rund 150 Millionen Euro. Jede Nachfolgerin für das 9-Euro-Ticket werde zusätzlich „ein großes Loch reißen“.

Durch erhöhte Energiepreise und Mehrkosten etwa bei Personal, Öl, Diesel oder Verschleiß rechnet zudem der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr aktuell mit Mehrbelastungen von 500 bis 700 Millionen Euro. Erste Verkehrsgesellschaften im Verbund rufen bereits um Hilfe, weil ihnen die „Energiekosten exorbitant weglaufen“ und ihnen jeweils ein dreistelliger Millionenbetrag fehlen werde. „Berlin muss dringend etwas tun, damit wir nicht am langen Arm verhungern“, fordert Heidenreich. Daher sei der Fokus derzeit darauf gerichtet, „wie man den Bestandsverkehr finanzieren kann“ und weniger darauf, die Qualität des schlechten Angebots zu erhöhen.

Schwierige Abwägungen drohen: Schwimmbäder und Oper schließen

Zumal auch die Gewinne der Stadtwerke wegzubrechen drohen, die bislang die Verluste der anderen Stadttochter DVG ausgleichen. Wenn erst „hohe Millionensummen“ große Löcher in den Haushalt reißen, befürchtet Heidenreich „ganz schwierige Abwägungen“. Dann könne es um Fragen gehen, Schwimmbäder zu schließen oder ob man sich noch eine Oper leisten kann.

„Der Nahverkehr wird jahrelang nicht gut sein, aber er wird sich verbessern“, gibt sich Sebastian Haak optimistischer. Immerhin dürfen sich Ratsfrau Jülide Celenk und andere Fahrgäste darüber freuen, dass der Schienenersatzverkehr zwischen Meiderich Bahnhof und Hamborn Rathaus beendet wird. Nach Auskunft der DVG laufen die Gleisarbeiten gut, so dass wohl ab 19. September dort wieder die Straßenbahnen der 903 fahren.

>> ZUKUNFTSPROJEKTE IM NAHVERKEHRSPLAN

● Der geltende Nahverkehrsplan sieht auch künftige Großprojekte vor, etwa eine Straßenbahnlinie vom linksrheinischen Duisburg in die Innenstadt. Angesichts der aktuellen Finanzlage gibt es für solche Zukunftsprojekte noch keinen konkreten Zeitplan.

● Nachgebessert werden soll der Nahverkehrsplan jedoch durch die Bezirkskonzepte. Die Stadt erarbeitet derzeit beispielsweise das Konzept für Meiderich/Beeck, das die Rückkehr der direkten Busverbindung von Beeckerwerth und Laar nach Meiderich vorsieht.

● Der Seniorenbeirat bemängelt zudem fehlende Sicherheit in der Straßenbahn 903. „Viele Senioren nutzen die 903 nicht mehr“, sagt der Vorsitzende Reinhard Efkemann (SPD), denn die Bahn sei „ein Junkie-Express“ und insbesondere Frauen würden dort angepöbelt. Diesen Eindruck kann jedoch Dauerfahrgast Jülide Celenk (24) nicht bestätigen.